Fliegen trotz kranker Lunge
Auch lungenkranke Patientinnen und Patienten möchten auf Flugreisen nicht verzichten. Im Vorfeld ist jedoch zu klären, ob sie diese tolerieren. Pneumologinnen und Pneumologen haben die wichtigsten Empfehlungen zusammengefasst.
Asthma
Vor der Flugreise ist eine optimale Asthmakontrolle anzustreben. Bei Patientinnen und Patienten, die trotzdem zu persistierenden Symptomen und/oder häufigen Exazerbationen neigen, sollte ein Hypoxiebelastungstest (HCT, Hypoxic Challenge Test) erwogen werden. Mit dessen Hilfe lässt sich ein zusätzlicher Sauerstoffbedarf an Bord ermitteln.
Während des Fluges gehören Arzneimittel und Spacer ins Handgepäck. Notfallmedikamente, eventuell inklusive Adrenalin-Autoinjektor, müssen jederzeit griffbereit sein, heißt es in einer Erklärung der British Thoracic Society. Bei einer akuten Exazerbation sollte der Patient/die Patientin möglichst seinen eigenen Inhalator benutzen. Im Bedarfsfall findet sich eventuell ein Ersatz im Notfallkoffer des Flugzeugs, Spacer sind dort in der Regel nicht vorhanden.
Bei refraktären oder kurzfristig erneut auftretenden Symptomen ist das Kabinenpersonal zu informieren. Für Patientinnen und Patienten mit schwerem Asthma kann es sinnvoll sein, zusätzlich orale Steroide und einen ärztlichen Therapieplan mitzuführen. Nahrungsmittelallergiker und -allergikerinnen sollten an Bord entweder nichts essen oder sichere Nahrungsmittel mitbringen.
COPD
Für Patientinnen und Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung gelten im Wesentlichen die gleichen Regeln wie bei Asthma bronchiale. Ein Hypoxietest ist zu erwägen, wenn der SpO2-Wert in Ruhe ≤95% liegt, der MRC-Score ≥3 Punkte beträgt oder es beim Sechs-Minuten-Gehtest zu einer Entsättigung <84% kommt. Personen mit besseren Werten tolerieren den Flug meist ohne zusätzlichen Sauerstoff.
Bei vorangegangenem Pneumothorax oder bullösen Veränderungen sollte das Komplikationsrisiko durch einen etwaigen reduzierten Kabinendruck eruiert werden. Außerdem sind COPD-Patienten und -Patientinnen über die erhöhte Thromboemboliegefahr zu informieren. Nach einer Exazerbation sollten sie erst dann wieder fliegen, wenn sich die Erkrankung stabilisiert hat. Verschlechtern sich die Symptome, ist am Zielort vor dem Rückflug eine ärztliche Abklärung indiziert, schreiben Dr. Robina Coker vom Imperial College London und Kolleg:innen.
Interstitielle Lungenerkrankung
Liegen typische Komorbiditäten wie pulmonale Hypertonie oder KHK vor, sollte auch deren potenzielle Beeinträchtigung durch eine Flugreise beachtet werden. Ein Hypoxietest ist zu erwägen, falls der SpO2-Wert bei körperlicher Anstrengung unter 95% sinkt bzw. TLCO ≤50% oder PaO2 ≤ 9,42 kPa liegen. Betroffene benötigen im Flugzeug wahrscheinlich zusätzlichen Sauerstoff. Wenn keine Hyperkapnie droht, kann man auch ex juvantibus eine O2-Gabe von 2l/min vorsehen. Bei drohender CO2-Retention wird eine Titrierung des Bedarfs anhand des Hypoxietests empfohlen.
Thorakale Eingriffe
Nach Operationen und Interventionen im Brustkorb ist zunächst die Einschätzung des Arztes/der Ärztin zu eruieren. Nicht zwingend erforderliche Flüge sollten vier Wochen aufgeschoben werden, mit notwendigen Reisen sollte der Patient/die Patientin 14 Tage warten. Vor einem Plazet ist eine sorgfältige klinische Abklärung indiziert (Sauerstoffsättigung, postoperative Komplikationen, Komorbiditäten etc.). Interventionell versorgte Patientinnen und Patienten mit Pneumothorax sollten erst eine Woche nach vollständiger Rückbildung wieder fliegen. Die gleiche Wartefrist ist nach transbronchialer Nadelaspiration bzw. Lungenbiopsie oder endobronchialer Klappeninsertion einzuhalten.
Wer braucht Sauerstoff?
PaO2 ≥6,6kPa (≥ 50 mmHg) oder SpO2 ≥85%: kein zusätzlicher Sauerstoffbedarf im Flugzeug
PaO2 <6,6 kPa (< 50 mmHg) oder SpO2 <85%: Sauerstoffgabe empfohlen
Die Dosis sollte so titriert werden, dass der PaO2 ≥6,6kPa oder der SpO2 ≥85% ist (Erwachsene) bzw. ≥90% (Kinder ab 1 Jahr)
Obere Atemwegsinfekte
Gegen schmerzhafte Barotraumen bei Sinusitis und Otitis hilft die vorsorgliche Applikation von Dekongestiva bzw. eine adäquate Analgesie. Bei allergischer Komponente lohnt sich eine einwöchige Prophylaxe mit intranasalen und/oder oralen Steroiden. Vor einem erneuten Flug sollten die Symptome abgeklungen sein, was allerdings ein bis sechs Wochen dauern kann. Nach einer akuten Otitis media wird eine Flugkarenz von 14 Tagen empfohlen.
Obstruktive Schlafapnoe
Menschen mit OSA sollten möglichst nur tagsüber fliegen (ohne einzuschlafen) und ihr CPAP-Gerät nebst ärztlicher Bescheinigung der Erkrankung im Handgepäck mitführen. Voraussetzung für Mitnahme und Betrieb ist eine Erlaubnis der Luftfahrtgesellschaft. Alkohol und Sedativa sind in den zwölf Stunden vor und während des Fluges tabu. Wenn eine nächtliche Reise erforderlich ist, raten die Autor:innen zur CPAP-Beatmung an Bord.
Pulmonale Hypertonie
Patientinnen und Patienten mit einer pulmonalen Hypertension der NYHA-Klassen III und IV benötigen auf einer Flugreise üblicherweise zusätzlichen Sauerstoff. Sofern keine Hyperkapnie besteht, wird eine Dosis von zwei Litern pro Minute empfohlen. Bei drohender CO2-Retention steht ein Hypoxietest an. Personen, die die Indikationen für eine Langzeitsauerstofftherapie erfüllen (PaO2 <8kPA in Ruhe), sollten im Flugzeug eine doppelt so hohe O2-Dosis erhalten wie auf Meereshöhe.
Embolieprophylaxe
An erster Stelle steht die adäquate Flüssigkeitsaufnahme, wobei Alkohol zu meiden ist. Außerdem sollte sich der Patient/die Patientin während des Fluges möglichst viel bewegen (Beinübungen, Herumgehen) und Kompressionsstrümpfe tragen. Für Hochrisikopatienten und -patientinnen (z.B. Thromboembolie in der Anamnese) wird auf Langstreckenflügen (6–12 Stunden) eine Prophylaxe mit einem niedermolekularen Heparin oder ein direktes orales Antikoagulans empfohlen. Dazu eignet sich beispielsweise Enoxaparin in einer Dosierung von 40mg oder gewichtsabhängig 1mg/kgKG. Es sollte vier bis fünf Stunden vor dem Flug injiziert werden. Alternativ kommt ein DOAK in Prophylaxedosis in Betracht. Patientinnen und Patienten mit VTE innerhalb der vorangegangenen sechs Wochen müssen genau auf ihre Flugtauglichkeit untersucht werden. Nach der Diagnose einer Thrombose bzw. Embolie sollten sie die Reise um mindestens zwei Wochen verschieben.
Zystische Fibrose
Unter Sechsjährige mit Mukoviszidose sind meist flugtauglich. Bei Patientinnen und Patienten, die für eine Spirometrie alt genug sind und ein FEV1 <50% aufweisen, wird ein Hypoxiebelastungstest empfohlen. Bei einem Abfall des SpO2 unter 90% ist eine zusätzlich O2-Therapie während des Fluges indiziert.
Coker RK et al., Thorax 2022; 77:329–350; doi:10.1136/thorax jnl-2021-218110