7. Apr. 2022ECCO 2022

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen: externe Risikofaktoren

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (IBD) sind mit einer Reihe genetischer Faktoren sowie externer Risikofaktoren assoziiert. Die Modifikation dieser Risikofaktoren wird bereits um Rahmen interventioneller Studien mit IBD-Patienten untersucht, in denen sich auch erste Erfolge abzeichnen.

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen: externe Risikofaktoren
iStock/piotr_malczyk

Die Genetik ist zum Teil in der Lage, das Auftreten chronisch entzündlicher Darmerkrankungen zu erklären. Allerdings nur zum Teil, wie James Lindsay, Barts and the London School of Medicine and Dentistry, betont. Denn einerseits sind monogenetische Erkrankungen bekannt, die bereits in der Kindheit zu IBD führen, andererseits besteht jedoch bei vielen Patienten ein komplexer genetischer Hintergrund, der sich beispielsweise in geringfügig, aber statistisch signifikanten Risikoerhöhungen äußert. Umweltfaktoren, die das Risiko, einen Morbus Crohn oder eine Colitis ulcerosa zu entwickeln, erhöhen oder reduzieren, sind aus großen epidemiologischen Studien bekannt. Diese sind mittlerweile so zahlreich, dass vor wenigen Jahren ein Review der Metanalysen zu diesem Thema publiziert wurde.1 Lindsay verweist allerdings auf erhebliche Evidenzlücken, die diese Analyse noch offenbarte und die beispielsweise die Ernährung betreffen.

Gerade auf diesem Gebiet wurden rezent wichtige Arbeiten publiziert. Sie zeigen beispielsweise eine deutliche Erhöhung des Risikos, an Morbus Crohn zu erkranken, durch den Konsum hochgradig industriell verarbeiteter Nahrungsmittel (Ultraprocessed Food). Von dieser Beobachtung ausgehend wurden „Empirical Inflammatory Diet Patterns“ (EDIP) definiert. Ein hohes inflammatorisches Potenzial wird unter anderen rotem und verarbeitetem Fleisch sowie hochraffinierten Kohlehydraten zugesprochen.2

Immer von Vorteil: Nikotin-Stopp

Die große Bedeutung von Umweltfaktoren in der Pathogenese der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen legt entsprechende Interventionen nahe, von denen vor allem Personen mit erhöhtem genetischem Risiko profitieren könnten, so Prof. Dr. João Guedelha Sabino von der katholischen Universität Leuven. Mögliche Interventionen können sowohl das Risiko, dass eine IBD überhaupt auftritt, modifizieren als auch bei manifester Erkrankung den Verlauf beeinflussen. Die verfügbaren Daten beschränken sich derzeit fast ausschließlich auf Interventionsversuche bei bereits erkrankten Personen. Am besten ist die Datenlage zum Rauchen. Hier konnte nicht nur in epidemiologischen, sondern auch in interventionellen Studien gezeigt werden, dass ein Nikotinstopp bei Morbus Crohn das Flare-Risiko reduziert.3 Dies sei bei der Colitis ulcerosa nicht der Fall, dennoch müsse man aber aus Gründen des kardiovaskulären Risikos auch Patienten mit UC empfehlen, mit dem Rauchen aufzuhören. Dies sei ein „no brainer“, so Guedelha Sabino.

Interventionelle Studiendaten liegen auch für körperliche Bewegung bei IBD vor. Sie zeigen in erster Linie, dass Training bei IBD sicher ist und allenfalls leichte Vorteile im Hinblick auf die Lebensqualität bringt. Effekte auf die Krankheitsaktivität konnten nicht beobachtet werden.4 Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangte auch eine Studie, die in einem randomisierten Setting Ausdauertraining mit Krafttraining verglich. Dabei zeigte sich eine höhere Dropout-Rate in der Ausdauergruppe. Beide Trainingsmethoden waren sicher.5 Bei Patienten in Remission führt Training ebenso wie bei gesunden Kontrollen zu verbesserter Fitness, Reduktion des Körperfettanteils und Zunahme der Muskelmasse, so Guedelha Sabino. Daher sei IBD-Patienten Training zu empfehlen, obwohl keine direkte Wirkung auf die Krankheitsaktivität zu erwarten ist.

In Studien: Ernährungsinterventionen bei IBD

In zahlreichen Studien wurde die Wirksamkeit von Ernährungsinterventionen bei IBD untersucht. Durchschlagende Erfolge blieben bislang aus. Ein randomisierter Vergleich einer Diät reich an rotem und verarbeitetem Fleisch (Red and Processed Meat) mit einer stark fleischreduzierten Kost zeigte über ein Jahr keine Effekte auf die Krankheitsaktivität. Die Studie hatte allerdings das methodische Problem, dass die Compliance in der fleischreduzierten Gruppe schlecht war. Signifikanz wurde dennoch erreicht, so Guedelha Sabino.6

Eine israelische Studie untersuchte die Wirkung einer Eliminationsdiät in Verbindung mit partieller enteraler Ernährung bei pädiatrischen Patienten mit Morbus Crohn und konnte im Vergleich zu einer rein enteralen Ernährung die Sicherheit dieser Intervention zeigen. Die Autoren berichten von einer erfolgreichen Induktion von Remission und Veränderungen des fäkalen Mikrobioms, die mit Remission assoziiert sind. Guedelha Sabino weist allerdings darauf hin, dass die Studie nicht auf Wirksamkeit gepowert war. Weitere randomisierte, kontrollierte Studien in unterschiedlichen Populationen und mit ausreichender Power würden daher dringend benötigt.7

Effekte unterschiedlicher Diäten

Auch Head-to-Head-Studien mit unterschiedlichen Diäten wurden mittlerweile durchgeführt. So zum Beispiel ein randomisierter direkter Vergleich zwischen einer mediterranen Diät und einer in den USA entwickelten Specific Carbohydrate Diet in einer Population von Patienten mit Morbus Crohn. Dabei erhielten die Probanden über die ersten sechs Wochen vorgefertigte Mahlzeiten und sollten dann überweitere sechs Wochen ihre Mahlzeiten selbst zubereiten und dabei den jeweiligen Empfehlungen folgen. Primärer Endpunkt war die symptomatische Remission zu Woche sechs. Zwischen den beiden Diäten zeigten sich keine Unterschiede hinsichtlich des primären und diverser sekundärer (fäkales Calprotectin, CRP) Endpunkte. Damit ist für Guedelha Sabino die mediterrane Ernährung der Sieger dieses Vergleichs, da diese Diät relativ leicht zu befolgen ist und darüber hinaus einige nachgewiesene Vorteile, zum Beispiel für die kardiovaskuläre Gesundheit, hat.8

Mit der CD-TREAT (Crohn’s Disease TReatment with EAT-ing) Diet wurde versucht, die beim Morbus Crohn beobachteten günstigen Effekte einer enteralen Ernährung zu imitieren, ohne den Aufwand und die ungünstigen Effekte enteraler Ernährung auf die Lebensqualität in Kauf nehmen zu müssen. Diese Intervention wurde in einem aufwendigen Programm zunächst im Rattenmodell, dann an gesunden Erwachsenen und schließlich in einer kleinen Gruppe von Kindern mit Morbus Crohn untersucht. Im Tiermodell zeigte CD-TREAT mit enteraler Nahrung vergleichbare Effekte auf das fäkale Mikrobiom sowie diverse Biomarker. Bei den untersuchten Kindern wurden ähnliche Effekte festgestellt, wobei auch die klinischen Resultate Hoffnung machen: Vier von fünf sprachen auf die Diät an und drei von fünf erreichten unter CD-TREAT Remission. Darüber hinaus war CD-TREAT leichter durchzuführen als enterale Ernährung.9

Aktuelle Daten zu CD-TREAT wurden im Rahmen des diesjährigen ECCO vorgestellt.10 Sie zeigen in einer Population von Kindern und Erwachsenen mit aktivem Morbus Crohn zu rund 80 Prozent Ansprechen und/oder Remission sowie eine Verbesserung der Lebensqualität mit CD-TREAT. Das Ansprechen war dabei mit Compliance assoziiert. Auf Basis dieser Daten werden nun randomisierte, kontrollierte Studien gefordert.

Referenzen:
  1. Piovani D et al., Gastroenterology 2019 Sep;157(3):647–659.e4
  2. Lo CH et al., Clin Gastroenterol Hepatol 2021; 28:S1542-3565(21)00911-3
  3. Nunes T et al., Am J Gastroenterol 2016; 111(3):411–9
  4. Klare P et al., Digestion 2015; 91(3):239–47
  5. Seeger WA et al., United European Gastroenterol J 2020;8(7):804–813
  6. Albenberg L et al., Gastroenterology 2019; 157(1):128–136.e5
  7. Levine A et al., Gastroenterology 2019; 157(2):440–450.e8
  8. Lewis JD et al., Gastroenterology 2021; 161(3):837–852.e9
  9. Svolos V et al., Gastroenterology 2019; 156(5):1354–1367.e6
  10. Svolos V et al., ECCO 2022, DOP68

17th Congress oft the European Crohn’s and Colitis Organisation (ECCO), virtuell, 16–19.2.22

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin CliniCum innere