Den Wind aus den Segeln nehmen
Diskussionen um Gesundheitsrisiken bremsen den Ausbau von Windenergieanlagen. Kritiker wittern insbesondere eine vom Infraschall ausgehende Gefahr.
Wir sind im Alltag ständig von Infraschall umgeben, definiert als Schall mit einer Frequenz unter 20 Hertz (Hz). Die Behauptung, man könne Schall mit so niedrigen Frequenzen nicht hören, stimmt nicht, schreibt das Team um PD Dr. Susanne Koch von der Klinik für Anästhesiologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin.
Allerdings sind für die Wahrnehmung umso größere Schalldruckpegel nötig, je niedriger die Frequenz ist. Die Hörschwelle steigt mit abnehmender Frequenz. Unter einer Schallfrequenz von 200 Hz liegt die menschliche Hörschwelle bei ca. 14 dB, im Infraschallbereich von 10 Hz schon bei ca. 100 dB. Die Infraschallemissionen von Windenergieanlagen somd dabei vernachlässigbar gering. So erreicht der Schalldruckpegel im Innenraum eines fahrenden Autos 90–120 dB, während er im Nahbereich (300 m) von Windenergieanlagen rund 60 dB bei 1–5 Hz beträgt.
Es gibt keine Evidenz dafür, dass diese Druckschwankungen der Gesundheit schaden. Im Gegenteil: Experimentelle Studien deuten darauf hin, dass hochpotente Infraschallwellen (87–124 dB) die zerebrale Konnektivität und somit die kognitiven Fähigkeiten steigern könnten.
In Dänemark wird ein großer Teil (ca. 40%) der Energie aus Wind gewonnen. Untersuchungen anhand von Bevölkerungsdaten ergaben keinen Zusammenhang zwischen den Schallemissionen und dem Auftreten von Diabetes, Herzinfarkten, Schlaganfällen, Komplikationen in der Schwangerschaft, Frühgeburtlichkeit und niedrigem Geburtsgewicht.
Menschen, die in der Nähe von Windenergieanlagen wohnen, klagen häufig über Schlafprobleme. Es konnte jedoch kein kausaler Zusammenhang mit der Exposition gegenüber Schallemissionen der Anlagen beobachtet werden. In einer kanadischen Studie, in der die Teilnehmer eine Beeinträchtigung ihrer Schlafqualität angaben, wurde vielmehr ein signifikanter Zusammenhang mit dem empfundenen Ärger über Windenergieanlagen, dem Kaffeekonsum, der Einnahme von Schlafmedikamenten und dem Vorhandensein chronischer Erkrankungen festgestellt. In einer randomisierten Studie hatten die Probanden Symptome wie Kopfschmerzen, Nervosität und subjektiven „Ohrdruck“ signifikant häufiger, wenn sie zuvor ein Video mit negativen Darstellungen von Infraschall gesehen hatten. Der Effekt war reversibel, wenn ihnen der Einfluss von Nocebo-Effekten erklärt wurde.
Koch S et al. Dtsch Med Wochenschr 2022; 147: 112–118; doi: 10.1055/a-1685-5436