Ärztekammerwahlen 2022: Tirol beginnt, Wechsel fix
Alle fünf Jahre wählen Österreichs Ärztinnen und Ärzte ihre Standesvertretung neu, wobei zunächst in den Bundesländern die Weichen gestellt werden für das Finale am Ärztekammertag im Juni. Die Wahlen beginnen in Tirol am 22.02.2022 – ein durchaus schönes Datum für die Staffelübergabe. Denn Ärztekammerpräsident Dr. Artur Wechselberger präsentiert mit Dr. Stefan Kastner einen Nachfolger, dem er zutraut, die Absolute zu verteidigen. Wir fragten nach den Beweggründen und auch, mit welchen Argumenten die Spitzenkandidaten der fünf Tiroler Listen um die Gunst der Wähler werben.
Die heurigen Ärztekammerwahlen werden in jedem Fall spannend. Denn egal, wie sich rund 48.000 wahlberechtigte Ärzte entscheiden, es kommt in vier Bundesländern zu Wechseln an der Spitze. Vier Landespräsidenten kandidieren nicht mehr: Dr. Artur Wechselberger in Tirol, Dr. Michael Lang im Burgenland, Dr. Christoph Reisner in Niederösterreich und Dr. Michael Jonas in Vorarlberg.
Doch der Reihe nach: Bevor der neue oder alte Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) gewählt oder wiedergewählt wird – und zwar am Ärztekammertag, der heuer am 24. Juni stattfindet – gehen neun Wahlkämpfe in den Bundesländern über die Bühne. Der derzeitige ÖÄK-Präsident a.o. Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres, seines Zeichens auch Präsident der Ärztekammer für Wien, hat bereits Interesse für eine weitere Amtszeit auf Bundesebene bekundet.
Neue Auflage: Szekeres versus Steinhart
Auch sein langjähriger Herausforderer, Dr. Johannes Steinhart, 2. ÖÄK-Vizepräsident und Obmann Bundeskurie Niedergelassene Ärzte, will es noch einmal wissen. Obwohl er 2017 mit 26 (+3) von 90 Mandaten einen überlegenen Sieg einfuhr, bremste ihn der Zweitplatzierte zum zweiten Mal aus: Szekeres bildete mit nur 17 (+1) Mandaten eine Koalition und wurde Präsident in Wien – so wie auch schon 2012. Der Unterschied: 2017 löste er zudem Wechselberger als ÖÄK-Präsident ab. Dieses Jahr könnte es jedoch in Wien und damit auch bundesweit deutlich schwieriger werden, eine neue Liste, die impfkritische Partei MFG (Menschen Freiheit Grundrechte), wird bei der Wiener Wahl am 19. März mitmischen und dürfte bekanntlich nicht als Königsmacher infrage kommen.
Wahltermine in den Bundesländern
Der Wahlreigen beginnt in Tirol am 22. Februar, dann folgen die restlichen Bundesländer: Wien am 19. März, Burgenland am 30. März, Kärnten am 1. April, Niederösterreich und Vorarlberg am 2. April, Oberösterreich am 6. April, Steiermark am 7. April und zuletzt wählt Salzburg am 8. April.
Das glatte Wiener Parkett kennt auch Tirols Ärztekammerpräsident Dr. Artur Wechselberger, er war von 2012 bis 2017 ÖÄK-Präsident. Nun wird er nicht mehr in seinem Bundesland antreten und kann somit auch nicht mehr zum bundesweiten Präsidenten aus dem Kreise der Länderpräsidenten gekürt werden. Die Redaktion fragte nach, warum der 70-Jährige sich der Wahl nicht mehr stellt und ob es wirklich nur dem Alter geschuldet sei, wie kolportiert wurde.
Warum Wechselberger nicht mehr antritt
Er sei im April 1990, also vor 32 Jahren zum Präsidenten der Ärztekammer für Tirol gewählt worden, holt Wechselberger aus, „neben verschiedenen Referatstätigkeiten in der ÖÄK war ich dort fünf Jahre als erster Vizepräsident und fünf Jahre als Präsident tätig. Zudem führte ich 41 Jahren Jahre lang eine überdurchschnittlich große Kassenarztpraxis.“ Die Kassenverträge habe er seit 1.1.2022 zurückgelegt.
„Seither bin ich wahlärztlich tätig. Es war für mich immer wichtig, dass die, deren Berufsleben es betrifft, auch die dieses Umfeld bestimmenden Entscheidungen in der Ärztekammer treffen. Das sind jetzt die jüngeren Kolleginnen und Kollegen. Sie haben noch Jahre des Berufslebens vor sich und sollen es nach ihren Vorstellungen und Bedürfnissen gestalten. Ein Generationswechsel, der sich auch in der Interessensvertretung vollziehen muss“, betont Wechselberger. Dass sich mit Dr. Stefan Kastner ein jüngerer, aber erfahrener Arzt für diese Tätigkeit anbiete, „hat mir zudem die Entscheidung leicht gemacht“.
2017 erhielt Wechselberger 32 der insgesamt 49 zu vergebenden Mandate (wie 2012). Auf dem zweiten Platz landeten ex aequo die „Interessengemeinschaft Klinikärzte“ und die „Klinik- und Spitalsärzteliste“ mit je sechs Mandaten. Die „Aktionsgemeinschaft der Tiroler Ärzte“ bekam fünf Mandate. Diesmal treten fünf Listen an (siehe Kasten) – die Redaktion fragte nach, wofür sie stehen.
Ärztekammerwahl in Tirol am 22. Februar 2022
Es gibt fünf Wahlvorschläge:
- Liste 1: Verein unabhängiger Tiroler Ärzte: alle vier Sektionen
- Liste 2: Spitalsärzte:innen Tirol IGK: Sektion Fachärzte und Sektion Turnusärzte innerhalb der Kurie der angestellten Ärzte
- Liste 3: Klinik und Spitalsärzteliste: Interessensvertretung der angestellten Ärztinnen und Ärzte Tirols: Sektion Fachärzte und Sektion Turnusärzte
- Liste 4: Aktionsgemeinschaft der Tiroler Ärzte: Sektion Allgemeinmediziner und Sektion Fachärzte innerhalb der Kurie der niedergelassenen Ärzte
- Liste 5: Interessensgemeinschaft Freie Ärzte Tirol (FÄT): alle vier Sektionen
2 Fragen an die wahlwerbenden Listen in Tirol
- Warum sollen die Tiroler Ärzte Ihnen bzw. Ihrer Liste ihre Stimme geben?
- Was sind Ihre wichtigsten Ziele bei den Kammerwahlen in Tirol, aber auch österreichweit im Hinblick auf den Ärztekammertag am 24. Juni 2022?
Liste 1: Dr. Stefan Kastner, Verein unabhängiger Tiroler Ärzte, Facharzt für Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie, Innsbruck:
Antwort 1
Die Stärke unserer Liste „Verein unabhängiger Tiroler Ärzte“ sehe ich im ausgewogenen Mix der Kandidatinnen und Kandidaten aus allen Bereichen der Ärzteschaft: Turnusärzte aus Zentrum und Peripherie, Fachärzte im Krankenhaus und aus dem niedergelassenen Bereich, Allgemeinmediziner aus dem städtischen Bereich und aus den klassischen Landarztpraxen stellen sich auf unserer Liste der Wahl und damit ihre Erfahrung in den Dienst der standespolitischen Vertretung.
Mein Ziel ist es, mit einem Team von erfahrenen Funktionären und jungen, engagierten Kolleginnen und Kollegen die kommenden Herausforderungen anzunehmen, neue Wege zu suchen und Brücken zu bauen. Die Grundlage meines Handelns sehe ich in meinem Werdegang: Nach der Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin, anschließender Ausbildung zum Facharzt für Chirurgie und langjähriger Tätigkeit als Oberarzt in einem peripheren Krankenhaus bin ich nun seit fast acht Jahren in meiner eigenen Facharztpraxis in Innsbruck tätig.
Nicht nur die Arbeit in den verschiedenen ärztlichen Tätigkeitsfeldern, sondern auch meine zehnjährige Rolle als Vorsitzender der Ausbildungskommission der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) zeigt, wie wichtig mir gerade der Nachwuchs in der Ärzteschaft ist. Die Lösung der zahlreichen Probleme in der Zukunft des Arztberufes wie Sicherung des ärztlichen Nachwuchses, der ärztlichen Versorgung im niedergelassenen Bereich, aber auch familiengerechter Arbeitszeitmodelle und wertgeschätzter Arbeit im Krankenhaus wird nur gelingen, wenn diese nicht kleinteilig oder isoliert betrachtet werden. Unsere Liste bietet dazu die besten Voraussetzungen.
Antwort 2
Der Erhalt der absoluten Mehrheit für unsere Liste ist das Ziel für Wahl, um dann als Präsident rasch mit einem guten Team mit der Arbeit beginnen zu können. Der Ausblick auf den Kammertag ist schwierig, da die Grundlagen erst mit den Ergebnissen der Wahlen in den einzelnen Bundesländern geschaffen werden müssen. Die eine oder andere Überraschung ist da möglich. Für uns Tiroler ist es wichtig, einerseits für Kontinuität unserer Arbeit in der ÖÄK zu sorgen, beispielsweise mit Dr. Edgar Wutscher und Dr. Daniel von Langen, die schon jetzt führende Rollen in beiden Bundeskurien innehaben. Andererseits sollte sowohl die Ausgewogenheit im Präsidium der ÖÄK (aktuell sind nur 3 der 9 Präsidenten aus den niedergelassenen Bereich) als auch die föderalen Interessen nicht zu kurz kommen.
Aus meiner jahrelangen Tätigkeit als Vorsitzender der Ausbildungskommission der ÖÄK und der Verhandlung und Umsetzung der Reform der Ärzteausbildung weiß ich, wie man Dinge auf der ÖÄK-Ebene bewegt. Von der zukünftigen ÖÄK-Führung erwarte deshalb eine problemorientierte klare Argumentation und den nötigen Einsatz, diese zu vertreten und zu positionieren.
Liste 2 „Spitalsärzte:innen Tirol IGK“: Dr. Jasmin Erlinger-Haidenberger, Prof. Dr. Martin Tiefenthaler, Dr. Matthias Amprosi, Dr. Lis Thommes
Antwort 1
Wir sind eine neue, aber erfahrene Gruppe angestellter Ärztinnen und Ärzte in Tirol, die sich schwerpunktmäßig den Bedürfnissen und Fragestellungen dieser Berufsgruppe widmen möchte. Erfahren Sie mehr: https://www.spitalsaerztinnentirol.at/
Antwort 2
- Gerechte und konkurrenzfähige Löhne: Für alle Generationen Perspektiven für die Zukunft, auch standortadaptiert, Unterstützung bei Poolgeldangelegenheiten
- Faire Arbeitsbedingungen: Wertschätzender Umgang mit Angestellten, Fünf-Tage-Woche (40h) Mo–Fr (=Normalarbeitszeit), darüber hinaus nur Journaldienste und Überstunden, keine Schichtarbeit, kein reguläres Durcharbeiten, keine weitere Ausdünnung der Personaldecke, Optimierungen an den jeweiligen Standorten
- Strukturierte Ausbildungsbedingungen und Ausbildungsqualität: Qualitativ hochwertige Ausbildung hauptsächlich in der Kernarbeitszeit, effiziente Ausbildungsschlüssel, d. h. kontrolliertes Verhältnis Fach- zu Ausbildungsärzte:innen
- Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Kinder und zu pflegende Angehörige und dafür notwendige Auszeiten sind kein Diskriminierungsgrund – weder für Frauen noch für Männer, Leitungspositionen in Teilzeitbeschäftigung, qualitativ hochwertige und ganzjährige verfügbare Kinderbetreuung, Förderung des Wiedereinstiegs z.B. durch Tagesmütter/Krippenplätze, Anspruch auf geringfügige Beschäftigung in Elternkarenz
- Demokratisch gewählte KA-AZG/Interessen-Vertreter:innen: Durchsetzung demokratisch legitimierter KA-AZG/Interessen-Vertreter an allen Organisationseinheiten, Abteilungen und Spitälern, zur Unterstützung bzw. Ergänzung des Betriebsrates für ALLE Arbeitszeitangelegenheiten des ärztlichen Personals
- Wahrnehmung und Kontrolle der Interessen angestellter Ärztinnen und Ärzte: Damit dem Interessenskonflikt von Träger (Land à Tirol-Kliniken/Gemeinden) Aufsicht (Land à Amt der Tiroler Landesregierung) und Gesetzgeber (Land) in einer juristischen Person ein Gegenpol gesetzt wird.
Liste 3 „Klinik und Spitalsärzteliste: Interessensvertretung der angestellten Ärztinnen und Ärzte Tirols“: Prof. Dr. Gerhard Luef, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Univ.-Klinik für Neurologie:
Antwort 1
- Die Ärztinnen und Ärzte der Liste "Klinik und Spitalsärzteliste: Interessensvertretung der angestellten Ärztinnen und Ärzte Tirols" vertreten unabhängig und nur die Interessen angestellter Ärztinnen und Ärzte. Wir sind kein Verein und keine Gewerkschaft. Wir vertreten keine Partei- und Vereinspolitik. Wir sind gegen die derzeitige Vormachtstellung der niedergelassenen Ärzte in der Kammer und wollen eine optimale Vertretung der angestellten Ärztinnen und Ärzte, die die Mehrheit der Österreichischen Ärzteschaft ist.
- Wir setzen uns für eine Verbesserung und Strukturierung des Ausbildungssystems ein (Ausbildungsoberarzt, Ausbildungskatalog, Rotation, Ombudsmann für Ausbildungsfragen) und fordern mehr Freiräume für Forschung und Weiterbildung.
- Wir wollen eine Aufwertung der Turnusärzte/innen (keine Schwestern- und Sekretärinnen Tätigkeit) und Reduktion von Dokumentation und Verwaltung!!! Medizinische Organisationsassistentinnen sollten an allen Abteilungen geschaffen werden!
- Wir fordern familienfreundliche Arbeitsbedingungen mit Ausbau der Teilzeitbeschäftigung (Job Sharing) sowie leistungsbezogene Gehälter.
- Wir treten für Verbesserung der Arbeitsbedingungen generell und Einhaltung des von uns erkämpften Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz für Ärzte ein.
- Wir wollen eine Optimierung der Koordination zwischen den Spitälern (Rotation der Turnusärzte/innen).
Antwort 2
Wir wollen eine starke Stimme der angestellten Ärztinnen und Ärzte innerhalb der Tiroler Ärztekammer sein. Da wir eine reine Spitalsärzteliste ohne Einfluss von niedergelassenen Fachärzten und praktischen Ärzten sind, können wir unsere Kolleginnen und Kollegen auch unabhängig vertreten. Für faire Arbeitsbedingungen können wir besser argumentieren, keine Schichtarbeit, um den Mangel an niedergelassenen Ärzten auszugleichen. Wir treten für eine qualitativ hochwertige Ausbildung an den Krankenhäusern und Wertschätzung der Arbeit ein.
Familie und Beruf muss an den Spitälern besser vereinbar werden, wir stellen den Anspruch auf geringfügige Beschäftigung in Elternkarenz.
Österreichweit und am Kammertag am 24. Juni können wir keinen großen Einfluss nehmen, da unsere Gruppierung zu klein gegen übermächtige Vereine ist. Wir wünschen uns aber möglichst viele angestellte Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer, die auch an Kliniken und Krankenhäuser arbeiten und Probleme zum Beispiel an den Ambulanzen kennen.
Die aber auch die Ausbildungssituation und die mangelnde Wertschätzung der Arbeit in Kliniken und Krankenhäuser kennen.
Liste 4 „Aktionsgemeinschaft der Tiroler Ärzte“: Dr. Peter Huber, Arzt für Allgemeinmedizin, Rum:
Antwort 1 und 2
Wie bei vorangegangenen Wahlen treten wir auch diesmal als Alternative zur Wahl an. Wir werden auch weiterhin, wo notwendig, als Kontrollorgan auftreten. Die meisten Beschlüsse in Tirol erfolgen einstimmig, das Gesprächsklima ist überwiegend freundschaftlich und konstruktiv.
Hauptaufgabe der nächsten Jahre wird sein, gemeinsam negative Einflüsse von außen abzuwehren. Ich bin zuversichtlich, dass dies mit Stefan Kastner als Präsidentschaftskandidat gelingen kann. Ich würde mir wünschen, dass wir standespolitisch von Quertreibern und Unruhestiftern im Gegensatz zur politischen Landschaft bestmöglich verschont bleiben.
Liste 5 „Interessensgemeinschaft Freie Ärzte Tirol (FÄT)“: Doz. Dr. Hannes Strasser, Facharzt für Urologie:
Antwort 1
Wir sind seit langer Zeit eine neue Wahlgruppe. Wir wollen frischen Wind in die Ärztekammer bringen, positive Veränderungen, denn viele Ärzte fühlen sich nicht mehr ordentlich vertreten.
Antwort 2
Wir stehen für:
- die freie Berufsausübung der Ärzte ohne Druck und Zwang, ohne Einfluss der Politik, ohne angedrohte Disziplinarmaßnahmen
- die freie Entscheidung der Patienten für eine Behandlung
- eine frei arbeitende Ärztekammer, die nicht mehr als verlängerter Arm der Politik agiert
- mehr Transparenz in der Ärztekammer, z.B. bei der Verwendung der hohen Mitgliedsbeiträge
- für evidenzbasierte medizinische Behandlungen
- für die Freiheit der Wissenschaft, ohne politische Meinungshoheiten und Dogmen
- für Kooperation mit allen anderen medizinischen Berufsgruppen, für eine gemeinsame Vertretung der Anliegen
- für ein verbessertes Gesundheitswesen, das in den letzten Jahren sukzessive kaputtgespart wurde.