Neue Covid-Medikamente bringen Hoffnung; Experte Wagner rechnet mit Lockdown
- +++ Mehr Medikamente gegen Covid-19 absehbar – Impfung für jüngere Kinder in Wien hat begonnen – Kinderärzte warnen vor gefährlicher Immunreaktion – WHO-Chef nennt Auffrischungsimpfungen für Gesunde "Skandal" – Innsbrucker Uniklinik startet mit Covid-Hilfe-App – Kinder erkennen Emotionen ihres Gegenübers trotz Gesichtsmasken – Mikrobiologe Wagner: "Kurzer, harter Lockdown" wahrscheinlich +++
Mehr Medikamente gegen Covid-19 absehbar - Impfung für jüngere Kinder in Wien hat begonnen
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+++ Mehr Medikamente gegen Covid-19 absehbar – Impfung für jüngere Kinder in Wien hat begonnen – Kinderärzte warnen vor gefährlicher Immunreaktion – WHO-Chef nennt Auffrischungsimpfungen für Gesunde "Skandal" – Innsbrucker Uniklinik startet mit Covid-Hilfe-App – Kinder erkennen Emotionen ihres Gegenübers trotz Gesichtsmasken – Mikrobiologe Wagner: "Kurzer, harter Lockdown" wahrscheinlich +++
Mehr Medikamente gegen Covid-19 absehbar
Kürzlich hat das Expertenkomitee für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) die Zulassung der Kombination von monoklonalen Antikörpern Casirivimab und Imdevimab der Pharmakonzerne Roche/Regeneron und des monoklonalen Antikörpers Regdanvimab von Celltrion (Südkorea) für die Therapie von Covid-19 durch die EU empfohlen. Die Medikamente könnten eine Hilfe darstellen, Wundermittel sind sie jedoch nicht. Synthetische Wirkstoffe bringen zusätzlich Hoffnung.
Monoklonale Antikörper (in Kombination oder zur Einzelanwendung) waren bisher in Europa im Gegensatz zu den USA noch nicht zugelassen. Allerdings waren Bamlanivimab/Etesevimab des US-Herstellers Eli Lilly und die Kombination Casirivimab/Imdevimab des Schweizer Pharmakonzerns Roche und der US-Firma Regeneron unter speziellen Bedingungen erhältlich. Eine Zulassung gab es in Europa bisher bei den direkt gegen SARS-CoV-2 eventuell wirksamen Arzneimitteln nur für Remdesivir, ein synthetisch hergestellter Wirkstoff zur Hemmung der Viren. Die Erfolge waren beschränkt. Weiterhin fehlen effektive Therapeutika bei schwerem Krankheitsverlauf.
"Die Kombination aus Casirivimab und Imdevimab wurde in einer randomisierten Studie an Patienten mit Covid-19 untersucht, die keinen Sauerstoff benötigten, aber ein erhöhtes Risiko auf einen schweren Verlauf hatten", schrieb das Deutsche Ärzteblatt. Wirksamkeitsparameter in der Studie war die Rate von Hospitalisierungen oder Todesfällen in den ersten 29 Tagen. Das trat nach der Behandlung mit Casirivimab plus Imdevimab bei elf von 1.192 Patienten (0,9 Prozent) gegenüber 40 von 1.193 Patienten in der Vergleichsgruppe auf (3,4 Prozent).
In einer weiteren klinischen Untersuchung wurden Personen behandelt, die engen Kontakt mit einem infizierten Haushaltsmitglied hatten, selbst aber keine Krankheitszeichen zeigten. Nach der Behandlung mit Casirivimab plus Imdevimab kam es bei 29 von 100 Personen (29 Prozent) zu einer Infektion mit SARS-CoV-2 und innerhalb von 14 Tagen zu milden Symptomen verglichen mit 44 von 104 Personen (42,3 Prozent) in der Placebo-Gruppe. Diese Unterauswertung betrifft nur relativ wenige Probanden.
Das Problem für die Praxis: Erstens werden SARS-CoV-2-Infektionen oft erst recht spät oder gar nicht per Laboruntersuchung diagnostiziert. Zweitens ist die Abgrenzung zwischen Personen mit wahrscheinlich schwerem Verlauf und jenen, die solche Arzneimittel nicht benötigen, schwierig. Wirksamkeitsdaten für SARS-CoV-2-Infizierte mit schwerer Erkrankung zu diesem Medikament gibt es nicht.
Regdanvimab des südkoreanischen Biotech-Unternehmens Celltrion wird ebenfalls die Behandlung von Covid-19 bei Personen ab zwölf Jahren ohne Sauerstoffbedarf und mit einem erhöhten Risiko für eine schwere Erkrankung umfassen. Auch für dieses Medikament fehlen Informationen über eine Wirksamkeit bei Schwerkranken. Gerade für sie wären hoch wirksame Anti-Covid-19-Medikamente am dringendsten erforderlich.
Leichter anwendbar als monoklonale Antikörper und zumeist auch leichter herstellbar, sind synthetische Wirkstoffe. In den meisten Fällen reicht die orale Einnahme aus. Hier hat die britische Arzneimittelbehörde MHRA vor kurzem nach Remdesivir auch Molnupiravir (MSD) zugelassen. In den USA wird ein Zulassungsantrag begutachtet, die EMA hat einen sogenannten Rolling Review für die Substanz gestartet.
Laut MHRA ist das Medikament jetzt zur Anwendung bei erwachsenen Patienten mit leichtem bis mittelschwerem Covid-19 und mindestens einem Risikofaktor für die Entwicklung einer schweren Erkrankung (Fettleibigkeit, Alter > 60 Jahre, Diabetes mellitus und Herzerkrankungen) zugelassen. Das antivirale Mittel sei sicher und effektiv bei der Verminderung des Risikos von Krankenhauseinweisungen und Todesfällen bei Covid-Patienten mit milden und mittelschweren Verläufen, so die MHRA. Das geht auch aus den Daten der Wirksamkeitsstudie hervor. Molnupiravir konnte bei gefährdeten, nicht hospitalisierten erwachsenen Patienten mit leichtem bis mittelschwerem Covid-19 das Risiko für eine Krankenhauseinweisung oder einen tödlichen Verlauf statistisch signifikant reduzieren. Die Häufigkeit einer notwendigen Spitalsaufnahme und die Mortalität wurden um etwa 50 Prozent reduziert.
Das Mittel ist am wirksamsten, wenn es in den frühen Stadien der Infektion eingenommen wird. Das Medikament, das zwei Mal am Tag geschluckt werden muss, soll fünf Tage lang eingenommen werden. Molunupiravir ist ein sogenanntes Nukleosidanalogon. Das ist ein falscher Baustein, der bei der Virusvermehrung in die RNA von SARS-CoV-2 eingebaut wird und dann zum Abbruch des Replikationszyklus führt.
An HIV/Aids erinnert das Protease-Hemmer-Kombinationspräparat PF-07321332 von Pfizer. Die Meldungen über den Abbruch einer klinischen Studie wegen Erfolges und die in nächster Zeit erfolgende Einreichung eines Zulassungsantrages bei der US-Arzneimittelbehörde FDA gingen vor einigen Tagen um die Welt. Enthalten sind zwei Wirkstoffe, die SARS-CoV-2-Enzyme (Proteasen) hemmen, die in der Vermehrung der Erreger eine entscheidende Rolle spielen. Protease-Inhibitoren werden seit Mitte der 1990er Jahre auch in der HIV-Therapie erfolgreich angewendet.
Die Phase-II/-III-Studie EPIC-HR (Evaluation of Protease Inhibition for Covid-19 in High-Risk Patients) zeigte, dass mit dem Mittel bei Erkrankten mit einem hohen Risiko für einen schweren Verlauf das Risiko von Krankenhauseinweisungen und Todesfällen um 89 Prozent gegenüber Placebo gesenkt werden kann. Allerdings muss das Medikament innerhalb von drei Tagen nach dem Auftreten von Symptomen verwendet werden. In der Studie wurde das Arzneimittel zweimal täglich über fünf Tage hinweg eingesetzt. Innerhalb eines Beobachtungszeitraumes von 28 Tagen mussten 0,8 Prozent der Patienten unter der Therapie ins Krankenhaus eingeliefert werden oder starben. In der Placebo-Gruppe waren es sieben Prozent. (APA)
Impfung für jüngere Kinder in Wien hat begonnen
Im Wiener Austria Center sind am Montag, 15.11., die ersten jüngeren Kinder gegen das Coronavirus geimpft worden. Im Rahmen der Aktion können Kids zwischen fünf und elf Jahren ihren ersten Stich erhalten. Die verfügbaren Termine sind bereits alle vergeben, teilte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bei einem Medientermin am Montag mit. Mehr als 9.000 Anmeldungen waren möglich.
Bald sollen jedoch weitere Termine dazukommen, wurde versprochen. Die entsprechenden Planungen und Vorbereitungen sind bereits im Gange. Wien stellt im Austria Center die Infrastruktur für die Kinderimpfung bereit. Eine ausdrückliche Empfehlung dafür gibt es vorerst noch nicht, da die Immunisierung von Personen unter zwölf Jahren noch nicht zugelassen ist. Mit einer Zulassung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) sei jedoch bald zu rechnen, wurde heute betont.
Injiziert wird den Kindern eine verringerte Menge des Impfstoffs von Biontech/Pfizer. Über die genaue Dosis entscheidet der Arzt an Ort und Stelle. Sie ist abhängig von der körperlichen Beschaffenheit und dem Körpergewicht des jungen Impflings. (APA)
Kinderärzte warnen vor gefährlicher Immunreaktion
Bei Kindern können nach SARS-CoV-2-Infektionen auch bei milden Verläufen nach einiger Zeit schwere Komplikationen auftreten. Etwa eines von 1.000 betroffenen Kindern entwickelt ein Pädiatrisches hyperinflammatorisches Syndrom mit Multiorganbeteiligung (Multisystem Inflammatory Syndrome in Children/MIS-C), warnte die Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) am Mittwoch, 17.11. Auch davor schütze die Impfung – jene für Kinder selbst und durch geimpfte Personen im Umfeld.
Die Folgeerkrankung trete in seltenen Fällen rund zwei bis sechs Wochen nach einer Corona-Infektion auf. "Rote Flecken auf der Haut, hohes Fieber, gerötete Bindehaut und stark durchblutete rote, teilweise rissige Lippen sowie Augenringe, Bauchschmerzen sowie Durchfall und Erbrechen, leichter Husten können Anzeichen für MIS-C sein", berichtete Doris Ehringer-Schetitska, die die Arbeitsgruppe Kinderkardiologie der ÖGKJ leitet, in einer Aussendung.
"Eltern sollten bei diesen Warnzeichen umgehend zum Kinder- und Jugendarzt. Es handelt sich um eine gefährliche überschießende Immunreaktion, die eine intensivmedizinische Behandlung erforderlich machen kann. In vielen Fällen heilt sie folgenlos aus, wenn sie rechtzeitig erkannt wird", betonte die Medizinerin. "Die vorangegangene Corona-Infektion muss dabei nicht schwer verlaufen sein und kann sogar ohne Beschwerden unbemerkt geblieben sein", warnte Ehringer-Schetitska. Grunderkrankungen scheinen keine Rolle zu spielen, da die meisten jungen Erkrankten vorher gesund waren.
Da MIS-C viele Organe, u.a. auch das Herz, in Mitleidenschaft ziehen kann, sollten Genesene regelmäßig nachkontrolliert werden. Erst nach Erlaubnis des Kinderkardiologen sollte ohne Einschränkungen Sport betrieben und an Wettkämpfen teilgenommen werden. Bei älteren Kindern sollte die Sportfreigabe erst nach Durchführung einer Ergometrie erteilt werden.
"Der beste Schutz vor dieser Folgeerkrankung von Covid-19 bleibt die Impfung. Diejenigen, die nicht geimpft werden können oder für die es noch keine Impfstoffzulassung gibt, wie z.B. die Unter-Zwölf-Jährigen, sind auf eine größtmögliche Durchimpfung ihres Umfelds angewiesen", betonte Ehringer-Schetitska, Leiterin der Abteilung Kinder- und Jugendheilkunde am Landesklinikum Wiener Neustadt. (APA)
WHO-Chef nennt Auffrischungsimpfungen für Gesunde "Skandal"
Trotz explodierender Corona-Infektionszahlen in Europa hat der Chef der WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, Auffrischungsimpfungen für gesunde Geimpfte verurteilt. "Täglich werden weltweit sechs Mal mehr Auffrischimpfungen verabreicht als erste Impfdosen in Ländern mit niedrigen Einkommen. Das ist ein Skandal, der jetzt gestoppt werden muss", sagte Tedros am Freitag, 12.11., in Genf. Auffrischungen oder das Impfen von Kindern hätten keinen Sinn, solange Gesundheitspersonal und besonders gefährdete Menschen in ärmeren Ländern noch auf ihre erste Impfdosis warteten, beklagte der WHO-Chef.
Die Menschen könnten mit den vorhandenen Schutzmaßnahmen geschützt werden, darunter testen, Maske tragen, Abstand halten sowie guter Lüftung und dem Vermeiden von Menschenansammlungen auf engem Raum. "Mit der richtigen Mischung können Länder sowohl die Übertragung von Covid-19 niedrig halten als auch ihre Gesellschaften und Wirtschaft offenhalten", sagte Tedros. "Kein Land kann sich einfach aus der Covid-19-Pandemie herausimpfen." Nach Angaben der WHO fehlen für das Ziel, bis Ende des Jahres in jedem Land der Welt 40 Prozent der Bewohner zu impfen, noch 550 Millionen Impfdosen. So viel werde innerhalb von zehn Tagen produziert. Die WHO appellierte erneut an Länder mit großen Mengen an Impfstoff, auf Lieferungen zugunsten des UNO-Programms Covax zu verzichten, das vor allem ärmere Länder versorgt. Die österreichische Bundesregierung hatte erst letzten Mittwoch (10.11.) bekannt gegeben, dass sie auf eine Million Dosen des Impfstoffes von Johnson&Johnson zugunsten von Covax verzichtet hat. Außerdem beschloss der Ministerrat, weitere 1,5 Millionen Dosen von Astrazeneca und Biontech/Pfizer für bedürftige Staaten zu spenden. (APA/dpa)
Innsbrucker Uniklinik startet mit Covid-Hilfe-App
Die Innsbrucker Universitätsklinik hat die österreichweit erste Covid-Hilfe-App mit Fokus auf psychisch kranke und belastete Menschen in der Corona-Pandemie aus der Taufe gehoben. Mit Hilfevideos, Fragebögen zur Selbstevaluierung und einen Button für Akutfälle soll die App, die als optimierter Nachfolger eines im Haus bereits vorhandenen Videoportals gelten kann, psychische Belastungen während der Pandemie begleiten.
Begleitung nicht zuletzt auch deshalb, weil die App keine Diagnose vornimmt und eine solche auch nicht ersetzen soll, wie die Verantwortlichen hinter der App am Dienstag, 16.11., bei einer Pressekonferenz in Innsbruck unisono betonten. Der Nutzen der App sei aber dennoch groß, stellte die Direktorin der Innsbrucker Universitätsklinik für Psychiatrie II, Barbara Sperner-Unterweger, klar. Es gebe in der "chronisch verlaufenden Corona-Krise" nämlich eine starke Zunahme von Angststörungen, Schlafstörungen, Angst und depressiven Symptomen. "Unterstützungsangebote" wie die App seien deshalb von großer Wichtigkeit.
Entscheidend sei diesbezüglich gewesen, dieses Unterstützungsangebot "niederschwellig" und vor allem auch mittels App auf mobilem Wege zu unterbreiten, betonte Bernhard Holzner, Leiter der "Health Outcomes Research Unit" der an Universitätsklinik für Psychiatrie II. Dabei sei etwa die grafische Aufbereitung der Fragebögen von zentraler Bedeutung gewesen. Mittlerweile kämen nämlich 75 Prozent der Zugriffe via mobilem Gerät, ergänzte Mátyás Gálffy, Assistenzarzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin an der Universitätsklinik für Psychiatrie II.
Die Nutzer erwartet dann unabhängig vom Endgerät eine Begleitung durch die psychischen Belastungen in der anhaltenden Corona-Pandemie. "Unter dem Punkt 'meine Ergebnisse' kann in den jeweiligen Kategorien, etwa zu Angst, Resilienz oder Stress, überprüft werden, wo man gerade steht", erklärte Gálffy. Das werde mittels grünen oder roten Balken dargestellt, so der Psychotherapeut, der in der Angstambulanz tätig ist. Auch gezielte Videoempfehlungen, abhängig von der eigenen Belastungssituation, sind Teil der neuen Hilfe-App der Universitätsklinik für Psychiatrie. (APA)
Kinder erkennen Emotionen ihres Gegenübers trotz Gesichtsmasken
Vorschulkinder erkennen Emotionen wie Wut, Traurigkeit und Freude, auch wenn ihr Gegenüber eine Gesichtsmaske trägt. Es gebe kaum Unterschiede in der Emotionserkennung zwischen Gesichtern mit und ohne Maske, berichtet ein Team unter Leitung des Universitätsspitals Lausanne (Chuv).
Während der Corona-Pandemie müssen auch Kinder damit klarkommen, dass das Gesicht ihres Gegenübers häufig von einer Maske bedeckt ist. Fachleute gehen deshalb der Frage nach, ob dies die emotionale Entwicklung der Kinder beeinträchtigt.
Das Team um Myriam Bickle Graz vom Chuv untersuchte nun bei 276 gesunden Kindern zwischen drei und sechs Jahren, wie gut sie Emotionen trotz Gesichtsmasken richtig zuordnen können. Die Forschenden zeigten den Kindern Bilder von Schauspielern, mit und ohne Maske, die entweder Freude, Wut oder Traurigkeit ausstrahlten. Von den Ergebnissen berichten sie im Fachmagazin "Jama Pediatrics" (https://jamanetwork.com/journals/jamapediatrics/fullarticle/2786226?guestAccessKey=d2e8ce60-7a52-44e6-8554-5b033fca4f5&utm_source=For_The_Media&utm_medium=referral&utm_campaign=ftm_links&utm_content=tfl&utm_term=111521).
Demnach deutet die Studie darauf hin, dass Masken die Fähigkeit der Kinder, Emotionen zu verstehen, kaum beeinflussen. Zwar erkannten die sie Emotionen auf Bildern mit Maske etwas schlechter: Sie ordneten die Emotion ohne Maske in 71 Prozent der Fälle richtig zu, mit Maske waren es 67 Prozent. Dieser Unterschied sei zwar statistisch signifikant, ließ sich Bickle Graz in einer Mitteilung des Chuv vom Dienstag zitieren, aber die Effektgrößen sehr klein.
Zudem simuliere der verwendete Ansatz nicht perfekt das wirkliche Leben, schrieb der US-Kinderarzt Dimitri Alexander Christakis in einem Kommentar zur Studie. Denn die Bewegung der Gesichter sowie die Stimmlage würden den Kindern noch zusätzliche Hinweise geben. Auch Bickle Graz und ihre Kollegen weisen darauf hin, dass die Rolle von Gesichtsmasken weiter untersucht werden müsse, auch bei Kindern mit Entwicklungsproblemen und insbesondere in Anbetracht der nächsten Corona-Welle. (APA/sda)
Mikrobiologe Wagner: "Kurzer, harter Lockdown" wahrscheinlich
Dass sich die aktuell sehr hohen Infektionszahlen mit den nunmehrigen Maßnahmen inklusive Ungeimpften-Lockdowns tatsächlich einbremsen lassen, ist für den Mikrobiologen Michael Wagner von der Uni Wien "schwer vorstellbar". Ohne "kurzen, harten Lockdown, um die Zahlen massiv nach unten zu bringen", werde es vermutlich nicht gehen, sagte er zur APA. Die Schulen könnte man nur mit einem "wirklich stringenten Schutzkonzept offenhalten".
Ein solches "haben wir momentan nicht, müssten es aber nun in wenigen Tagen aufbauen", so der Initiator des SARS-CoV-2-Schulmonitorings. Mit den jetzt gesetzten gesamten Maßnahmen könne es zwar zu einer Stabilisierung des Infektionsgeschehens auf hohem Niveau kommen, viel mehr Effekt traut Wagner der aktuellen Reaktion auf die hohe vierte Welle nicht zu. Sättigungseffekte durch viele bereits Infizierte könnten dazu beitragen, die Welle zu brechen, aber niemand könne präzise genug vorhersagen, wann dies der Fall sein wird.
Das Problem sei: "Wir haben eigentlich gar keinen Spielraum mehr für Experimente." Ein Lockdown bringe aber mittelfristig nur etwas, wenn die dadurch gewonnene Zeit genützt wird, um endlich die dringend notwendige hohe Impfquote in Österreich zu erreichen. Hier sei die Politik gefordert.
Insgesamt zeigte sich Wagner "frustriert", dass seitens der Politik auch im zweiten Pandemieherbst "immer nur reaktiv" gehandelt wird. Im "komplett verschlafenen" Sommer hätte man vorausschauend mit milden Maßnahmen für eine deutlich bessere Ausgangslage sorgen können. Die Impfkampagne stagnierte aber, die Boosterimpfungen wurden trotz eindeutiger Daten aus Israel eigentlich kaum beworben, die Pandemie für Geimpfte einfach abgesagt und nicht ausreichend kommuniziert, dass auch Geimpfte das Virus übertragen und sich darum auch testen müssten. Das hat die Lage nicht verbessert, im Gegenteil: Man entschloss sich, den Stufenplan an die Intensivbetten-Auslastung zu koppeln.
Mit diesem "Unsinn" sei man sehenden Auges in eine Situation gestolpert, in der man der Entwicklung immer hinterherläuft, so der Wissenschafter. Bei so hohen Auslastungen und "massivem Infektionsgeschehen" quasi erst "zehn Minuten nach zwölf" zu reagieren, funktioniere einfach nicht. Darauf haben israelische Forscher schon in der ersten Welle eindringlich hingewiesen. Viele Länder, darunter auch Österreich, haben auf diesen Rat aber nicht gehört.
Auch übersehen wurde die Situation an den Schulen. Von der Wissenschaft schon im Frühling vorgeschlagene Schutzkonzepte wurden nur teils implementiert. Wie vielfach vorhergesagt, ging die vierte Welle unter Kindern und Jugendlichen los. Als man hier erste Signale gesehen hat, hätte gehandelt werden müssen. Wartet man aber, bis die Entwicklung in den Intensivstationen angelangt ist, ist es "viel zu spät", betonte Wagner. Hier wurden "wenig stringente Maßnahmen" an der falschen Bezugsgröße aufgehängt. "Dann braucht man sich nicht wundern, wenn das herauskommt, was wir jetzt sehen. Bei so hohen Infektionszahlen unter den Kindern, werden wir jetzt vermehrt auch sehr schwere Verläufe sehen. Zudem werden viele Kinder an Long Covid erkranken", so Wagner.
Dass die Wissenschaft mit solchen klaren Botschaften an verschiedenste Teile der Politik nicht durchgedrungen ist, sei leider offensichtlich. Dabei "hat die Wissenschaft geliefert" - in Form von molekularbiologischen Tests, Konzepten, Expertise, Studien, Impfstoffen und nun kommenden vielversprechenden Medikamenten, so der Forscher, der die Gurgelmethode mitentwickelt hat. "Wenn man diese Werkzeuge evidenzbasiert einsetzen würde, dann könnte man viel besser durch die herausfordernde Pandemie steuern", sagte Wagner.
Dass jetzt den Virologen, vermeintlich halblustig gemeint, unterstellt wird, dass sie Menschen gerne einsperren würden, sei extrem unpassend. Die Verantwortung für Schließungen liege nämlich im Bereich jener, die nicht genug zum Schutz der Allgemeinheit unternommen haben, und nicht an jenen, die mehr prophylaktischen Schutz gefordert haben. Eigentlich sei man jetzt "in einem Moment, wo der Schulterschluss mit der Wissenschaft gesucht werden müsste", betonte Wagner. Man sollte sich nun zumindest überlegen, wie der Winter noch halbwegs gut über die Bühne gehen kann. Wie das funktionieren könnte, haben namhafte Forscher am Freitag, 12.11., in einem "unabhängigen Statement der Wissenschaft" dargelegt.
Mittelfristig besteht laut Wagner aber an sich kein Grund zum Pessimismus, da mit der Impfung, dem Testen, den Medikamenten und vielen anderen Stellschrauben dem Geschehen entgegengewirkt werden kann. Dazu brauche es aber echte Zusammenarbeit und ein Ende des Lagerdenkens. Wenn dann hoffentlich an den Schulen bald zwei oder besser drei Mal pro Woche PCR-getestet wird, wäre das beispielsweise ein Schritt nach vorne. "Das reicht aber nicht, wenn schwach Positive nicht gezählt werden, oder man nicht allen in der Klasse FFP2-Masken gibt, wenn es einen positiven Fall gibt", so Wagner, der auch auf echte Konsequenzen nach einem Anschlagen von Frühwarnsystemen pocht, um zukünftige Wellen zu vermeiden.
Abhilfe könnte auch die Einrichtung "einer anderen Form von Politikberatung" schaffen. Hier müssten Experten in einem nachvollziehbaren, transparenten und von politischen Institutionen klarer abgegrenzten Gremium darstellen, wie die jeweils aktuelle wissenschaftliche Evidenz aussieht. Dann wäre auch der Öffentlichkeit klar, was die Politik damit anfängt. Hiermit würde man der "Hinterzimmerberatung" entgegenwirken und der Politik Argumentation abringen. Letztlich könne man mit Unterstützung der Wissenschaft vieles verbessern. Wagner: "Wir sind nicht dazu verdammt, von Lockdown zu Lockdown zu springen." (APA)