Dem Lichen sclerosus bei Kindern auf die Spur kommen
Im Kindesalter wird ein Lichen sclerosus häufig verkannt. Doch eine rechtzeitige Diagnose und Therapie sind wichtig. Nur so lassen sich irreversible Vernarbungen verhindern.
Leiden Kinder unter Juckreiz und Brennen im Anal- und Genitalbereich, denken viele Ärzte zunächst an einen Pilz – und behandeln auch so. Tatsächlich sind Candida-Infektionen vor der Pubertät aber eher selten, wie Marisa Bussund Prof. Dr. Peter Höger vom Katholischen Kinderkrankenhaus Wilhelmstift in Hamburg erklären. Gerade bei Kindern zwischen vier und acht Jahren sollte man in solchen Fällen auch an einen Lichen sclerosus (LS) denken. Er betrifft besonders den Intimbereich und kann schwere Folgen haben: Unbehandelt drohen Stenosierungen und Narben, was vor allem bei Mädchen Schmerzen beim Stuhlgang und später gegebenenfalls auch beim Geschlechtsverkehr verursachen kann. Bei einem von zehn betroffenen Kindern manifestiert sich die Erkrankung zudem außerhalb der Anogenitalregion – bevorzugt an den Schultern.
Symptome sind je nach Geschlecht unterschiedlich
Als erstes Symptom zeigt sich bei Mädchen neben dem Juckreiz meist ein mildes Erythem, gefolgt von Ödem, Erosionen, Ulzera oder Rhagaden, z.B. am After. Begleitend leiden etwa zwei Drittel der betroffenen Kinder gleichzeitig unter Obstipation (manchmal auch Dysurie).
Sie halten wegen der Schmerzen den Stuhl zurück – ein Problem, das nach Erfahrung der Experten auch unter Therapie und klinischer Verbesserung noch eine Weile anhalten kann. Im Verlauf der Erkrankung bilden sich harte und atrophe Papeln und Plaques, die porzellanweiß aussehen und anders als Candida-Beläge nicht abstreifbar sind. Diese Hypopigmentation hat klassischerweise die Form einer Acht, die den Bereich der Schamlippen und des Anus umfasst.
Verwechslungsgefahr besteht den Angaben der Autoren nach nicht nur mit den Candidosen, sondern auch mit Ekzemen und Psoriasis vulgaris, die aber beide nicht sklerosieren, sowie mit einem Lichen planus, der jedoch sehr selten in diesem Alter auftritt und außerdem zusätzlich die Schleimhäute in Mitleidenschaft zieht. Schwierig ist die Abgrenzung des extragenitalen LS von einer Morphea. Diese ähnelt dem LS in Altersverteilung und Histologie und kann durchaus mit ihm zusammen vorkommen. Unterscheidungsmerkmal sind hier die Follikelöffnungen: Sie bleiben beim LS erhalten.
Bei Jungen ist meist nur die Vorhaut betroffen. Sie verhärtet und verengt sich. Daher sollte jede sekundäre Phimose den Verdacht auf die Erkrankung wecken, betonen die Hamburger Kinderdermatologen. Seltener lässt sich im Bereich der Glans ein weißer Ring feststellen oder es bilden sich porzellanartige Sklerosierungen am Rand der Vorhaut, die perianale Region ist nur in sehr wenigen Fällen betroffen.
Hoffnung, dass die Krankheit mit der Pubertät von selbst verschwindet, sollte man sich nicht machen. Auch danach besteht die Gefahr für Rezidive oder anhaltende Symptome.
Anhaltender Lichen sclerosus erhöht Krebsrisiko
Buss und Prof. Höger berichten von Raten bis zu 75% bei Mädchen, wobei diese in relativ kleinen Stichproben beobachtet wurden und möglicherweise nur für schwere Fälle gelten. Frühzeitig therapieren sollte man auch, weil zumindest bei Erwachsenen mit anhaltendem LS mit der Zeit auch ein gewisses Risiko für ein Plattenepithelkarzinom der Vulva oder des Penis besteht. Außerdem sprechen die Patienten im Frühstadium besser auf eine Behandlung an.
Diese erfolgt bei Mädchen mit topischen Kortikosteroiden. Ordnungsgemäß angewendet, lässt sich der Krankheitsverlauf in der Regel rasch stoppen und die Narbenbildung reduzieren. Von den bisher genutzten Präparaten mit Betamethason oder Clobetasolpropionat raten die Hamburger Dermatologen wegen der hohen Nebenwirkungen aber eher ab. Mometasonfuroat 0,1% sei bei gleicher Wirkung besser verträglich.
Creme und Sitzbädern bzw. Zirkumzision
Allerdings sollte man auch hier nicht mehr als 10g pro Monat einsetzen und sowohl Eltern als auch Kinder in der Applikation anleiten. Zur Erstbehandlung trägt man die Mometason-Salbe zweimal täglich über vier Wochen auf, begleitet von Tannolact®-Sitzbädern. Anschließend behandelt man noch für weitere vier bis sechs Wochen mit Tannolact®-Creme und Sitzbädern nach. Bei Rezidiven schließt sich an die Mometasonphase eine Nachbehandlung mit Tacrolimus an.
Bei Jungen ist unklar, ob topische Kortikosteroide allein langfristig effektiv sind. Als nachhaltigste und vor allem kurative Therapie empfehlen die Hamburger Experten stattdessen die vollständige Zirkumzision. Gerade wenn noch im milden Krankheitsstadium operiert würde, lägen die Heilungschancen bei 90–100%. Außerdem sei es dringend zu empfehlen, das Exzidat histologisch zu untersuchen. Bestätigt die Mikroskopie die Erkrankung, sollte man die Patienten regelmäßig nachuntersuchen, um rechtzeitig einen Befall des Meatus zu erkennen. Verbleiben nach der Operation noch Herde an der Eichel, könne man diese mit Kortikoidsalbe behandeln.
Buss M, Höger P. Monatsschr Kinderheilkd 2021; 169: 133–143; doi: 10.1007/s00112-020-01095-4