Was man heute gegen hepatozelluläre Karzinome tun kann
War die Diagnose eines Leberzellkarzinoms lange Zeit fast gleichbedeutend mit einem zeitnahen Tod, so hat sich in den vergangenen zehn Jahren eine Menge in Sachen Frühdiagnostik und Therapie getan. An einigen wichtigen Stellen hapert es aber noch.
Einen bösartigen Lebertumor möglichst früh zu erkennen, damit ihn Chirurgen schnell resezieren können, stellt bis dato eine grosse Herausforderung dar. Trotz aller Fortschritte der vergangenen Jahre ist die Detektion hepatozellulärer Karzinome gerade in dieser wichtigen Phase noch lange nicht optimal, schreiben der Hepatologe Dr. Ju Dong Yang, Cedars-Sinai Medical Center, Los Angeles, und seine Kollegin Dr. Julie Heimbach vom Mayo Clinic College of Medicine in Rochester. Doch es geht voran und Ärzte können bereits jetzt einiges für Patienten tun.
Risikopatienten alle sechs Monate untersuchen
Die Früherkennung bei Risikopatienten kann beispielsweise mittels Abdomensonografie sowie durch die Bestimmung der α-Fetoprotein-Konzentration im Serum geschehen, beides bis heute Standard. Gibt der Schall nicht genug her – z.B. bei stark adipösen Patienten – kann eine Multiphasen-CT oder eine MRT weiterhelfen. Vor allem Letztere ist als Screening-Instrument aber eher ungeeignet, schreiben die Autoren – auch wenn sie in Sachen Früherkennung besser als der Ultraschall abschneidet. Sie ist teuer, nicht überall verfügbar und viele Patienten lehnen den regelmässigen Scan aufgrund seiner Lautstärke ab. Alternativ bietet sich unter Umständen eine abgekürzte MRT-Sequenz an, wobei Experten darüber uneinig sind. Ähnliches gilt für die sogenannte Liquid Biopsy (s. Kasten).
Einig ist man sich dagegen über die Frequenz der Testung, die alle sechs Monate erfolgen sollte. Wer aber gilt alles als Risikopatient? Mit einer Zirrhose gehört man sicher dazu, aber bei einer Hepatitis B, hochgradigen Fibrose oder langjährigem Alkoholkonsum scheiden sich die Geister, respektive die Experten.
Fallen in der Früherkennung abnorme Werte auf, steht eine ausführliche Diagnostik an, im Allgemeinen in der MRT mit Kontrastmittel. Je nach Zahl und Grösse der Läsion(en), Auswaschverhalten des Kontrastmittels und Aussehen der Leberkapsel lässt sich daraufhin meist relativ sicher ein Leberzellkarzinom feststellen bzw. ausschliessen. Bestehen Zweifel, sollte man die Tests wiederholen oder direkt eine Gewebeentnahme aus dem verdächtigen Herd andenken, raten die US-Kollegen.
Therapeutisch bietet die vollständige Tumorentfernung noch immer eine der besten Chancen auf Heilung. Diese ist vor allem in frühen Stadien geeignet, wenn bis zu drei Läsionen mit maximal 3 cm Durchmesser vorliegen und die Leberfunktion noch erhalten ist. Seit Kurzem stellt sich ausserdem die Frage, ob nicht auch ein Ablationsverfahren mittels Radiofrequenz möglich ist. Wie Forscher herausfanden, stehen die Überlebenschancen damit nicht unbedingt schlechter als bei der chirurgischen Resektion.
Ebenfalls in frühen Stadien bietet sich natürlich die Lebertransplantation an. Damit schlägt man auch gleich zwei Fliegen, denn sie entfernt nicht nur das Karzinom, sondern macht gleichzeitig der zugrunde liegenden Zirrhose den Garaus. Allerdings übertrifft die Zahl der potenziellen Empfänger bei weitem die der Spender. Lebendspenden eines Leberteilstücks waren wegen des Risikos eines Tumorrezidivs beim Patienten und möglicher gesundheitlicher Nachteile beim Spender vor allem in den USA lange Zeit unbeliebt, nehmen aber in den letzten Jahren zu.
Zurückhaltung bei stereotaktischer Radiatio
Bei der transarteriellen Chemoembolisation erhält der Patient Zytostatika direkt in die den Tumor versorgenden Arterien. Bei intermediären Tumoren (multiple, grössere Herde, Leberfunktion in Ordnung) ist sie das Verfahren der Wahl. Die transarterielle Radioembolisation funktioniert ähnlich, verwendet aber statt Zytostatika radioaktive Mikrosphären als β-Strahler. Das Verfahren dient derzeit vor allem bei kleineren Tumoren als Überbrückung, bis eine Transplantation möglich ist, erklären die Autoren.
Flüssig biopsiert
Vermehrte Aufmerksamkeit erhält in jüngster Zeit die sogenannte «Liquid Biopsy». Von der gewöhnlichen Untersuchung unterscheidet sie sich vor allem dadurch, dass Labortechniker ganz gezielt nach zirkulierenden Tumorzellen, freier Tumor-DNA und aus Tumorzellen freigesetzten extrazellulären Vesikeln im peripheren Blut suchen. Damit ähnelt das Verfahren einer Biopsie von solidem Gewebe, die aber wesentlich aufwendiger und invasiver abläuft.
Ebenfalls bewährt hat sich die stereotaktische externe Strahlentherapie, bei der man dem Tumor in wenigen Fraktionen sehr hohe Strahlendosen verabreicht. Sie ist in Frühstadien ebenso wirksam wie lokale Ablationen, wird aufgrund mangelnder Forschungsdaten aber noch zurückhaltend eingesetzt.
Hat das Karzinom eine gewisse Grösse überschritten und/oder Fernmetastasen gebildet, kommt nur noch eine Palliation mit Chemotherapeutika infrage. Lange Zeit war Sorafenib das Medikament der Wahl, später kamen ähnlich wirkende Multikinaseinhibitoren wie Lenvatinib dazu. Seitdem Checkpointinhibitoren in die Onkologie eingeführt wurden, befindet sich das Bild der Therapie hepatozellulärer Karzinome erneut im Wandel. Substanzen wie Nivolumab und Pembrolizumab konnten in Studien erstaunliche Erfolge erreichen, alleine oder in verschiedenen Kombinationen. Weitere Inhibitoren befinden sich derzeit in der klinischen Prüfung, sodass zukünftig noch einiges zu erwarten ist.
Yang J, Heimbach J. BMJ 2020; 371: m3544.