Maßnahmen gegen Wechseljahresbeschwerden
Regelbeschwerden sind nach der letzten Monatsblutung kein Thema mehr, dafür kommen dann oft andere Leiden. Durch gezielte Behandlung lassen sich diese zwar lindern, doch die medikamentöse Therapie ist nicht ohne Tücken. (Medical Tribune 36-37/20)
Hitzewallungen, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen – Frauen in der Peri- und Postmenopause leiden meist unter einer Vielzahl von Beschwerden. Neben Lebensstilveränderungen und Maßnahmen, die das allgemeine Wohlbefinden verbessern können, gibt es andere (nicht-) medikamentöse Möglichkeiten, die Symptome zu lindern. Welche Therapieoption für wen die richtige ist, hängt unter anderem vom Beschwerdebild, von bestehenden Risikofaktoren sowie Vorerkrankungen ab.
Hitzewallungen
Die Autoren der S3-Leitlinie empfehlen, peri- und postmenopausale Frauen, die an Hitzewallungen und/oder Nachtschweiß leiden, über die Nutzen und Risiken einer Hormonersatztherapie (HRT) zu informieren und diese anzubieten. Für nicht-hysterektomierte Frauen gilt eine kombinierte Östrogen- und Gestagentherapie mit adäquatem Gestagenanteil als effektivste Behandlung, für hysterektomierte kommt eine Monotherapie mit Östrogenen infrage.
Generell ist die transdermale Applikation zu bevorzugen, da sie vermutlich ein günstigeres Nutzen-Risiko- Verhältnis aufweist. Drei Monate nach begonnener HRT prüft der Gynäkologe Wirksamkeit und Sicherheit der Behandlung. Danach genügen meist jährliche Kontrollen – sofern keine Beschwerden (wie Blutungsstörungen) oder neue Kontraindikationen auftreten und/oder eine Anpassung der Therapie notwendig wird.
Nach Beenden der Behandlung können die vasomotorischen Symptome zurückkehren – unabhängig davon, ob die Hormone langsam ausgeschlichen oder plötzlich abgesetzt werden. Die Autoren raten davon ab, SSRI*, SSNRI**, Clonidin und Gabapentin standardmäßig als Erstlinientherapie anzubieten. Kognitive Verhaltenstherapie, Isoflavone und Cimicifuga-Präparate dagegen kann man gegen vasomotorische Symptome einsetzen. Bei Phytotherapeutika ist zu beachten, dass die vielen verschiedenen Zubereitungen unterschiedlich wirken können. Die Sicherheit der Präparate ist nicht immer klar, zum Teil interagieren sie mit anderen Medikamenten.
Urogenitale Symptome
Für Frauen, die in der Peri- oder Postmenopause an (nachgewiesenermaßen nicht psychisch bedingtem) Libidoverlust leiden, bietet gegebenenfalls eine Testosterontherapie eine Option. Jedenfalls sofern eine HRT keine Wirkung erzielt. Cave: Off-Label- Gebrauch! Frauen mit vaginaler Trockenheit helfen Befeuchtungsbzw. Gleitmittel oder eine vaginale Östrogentherapie. Letztere kann einen anderen Effekt als eine niedrig dosierte systemische Östrogentherapie haben und ggf. zusätzlich notwendig sein, um die Beschwerden zu lindern.
Nebenwirkungen treten unter lokaler Behandlung i.d.R. sehr viel seltener auf als unter systemischer. Kommt es im Verlauf zu vaginalen Blutungen, müssen die Patientinnen einen Gynäkologen aufsuchen. Während eine systemische HRT eine Harninkontinenz mitunter bedingt oder eine bestehende verschlimmert, kann eine vaginale Östrogentherapie Linderung verschaffen. Und zwar idealerweise in Kombination mit Beckenbodentraining. Sie hilft auch gegen eine überaktive Blase und rezidivierende Harnwegsinfekte.
Herz und Kreislauf
Vor Beginn einer HRT gilt es, kardiovaskuläre Risikofaktoren zu erheben und zu behandeln. Denn obwohl die Studienlage zum Effekt der Behandlung auf Herz-Kreislauf-Faktoren insgesamt mangelhaft ausfällt, sind doch z.B. die thrombogenen Effekte von Östrogenen und Gestagenen hinreichend belegt. So verdoppelt eine HRT die Raten für venöse Thrombosen und Thromboembolien um etwa zwei Fälle pro 1.000 behandelte Frauen und Jahr, heißt es in der Leitlinie.
Trotz des sehr niedrigen absoluten Risikos für einen Schlaganfall bei jüngeren Frauen sollten Patientinnen darüber aufgeklärt werden, dass eine orale Östrogen-Gestagentherapie die Wahrscheinlichkeit für ischämische zerebrovaskuläre Ereignisse möglicherweise erhöht. Eine transdermale Anwendung kann das vaskuläre Risiko verringern. Im Hinblick auf koronare Ereignisse spielt die HRT eine untergeordnete Rolle. Die orale HRT sollte zur Behandlung klimakterischer Beschwerden vor dem 60. Lebensjahr begonnen werden.
Osteoporose
Eine HRT verringert das Risiko für osteoporoseassoziierte Frakturen deutlich – und zwar bereits nach weniger als einjähriger Einnahme und unabhängig vom Alter zu Therapiebeginn. Bei postmenopausalen Frauen mit hohem Risiko für osteoporotische Frakturen kann die (Gestagen-) Östrogentherapie zur Primärprävention eingesetzt werden, wenn Wechseljahresbeschwerden vorliegen oder eine Unverträglichkeit oder Kontraindikation gegenüber anderen Medikamenten besteht, die zur Osteoporoseprävention eingesetzt werden. Wer eine orale HRT erhält, muss in der Regel kein weiteres spezifisches Osteoporosemedikament einnehmen. Dies gilt auch für Frauen mit hohem Frakturrisiko.
Gallenwegserkrankungen
Eine HRT steigert das Risiko für Erkrankungen der Gallenblase und -gänge. Dies geht auf die Östrogenwirkung zurück und ist unabhängig davon, ob es mit einem Gestagen kombiniert wird oder nicht. Transdermale Anwendung sowie equine Östrogene scheinen das Risiko noch zu erhöhen. Nach dem Absetzen der Hormone nimmt die Wahrscheinlichkeit für Gallenwegserkrankungen nur sehr langsam ab.
* selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer
** Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer
Hormonersatztherapie als Krebsrisikofaktor
Da eine Hormonersatztherapie das Rezidivrisiko nach behandeltem Mammakarzinom erhöhen kann, sollte man Frauen mit Brustkrebshistorie davon abraten. Auch bei bislang Gesunden kann die Behandlung die Wahrscheinlichkeit für Brustkrebs erhöhen. Eine Östrogentherapie gilt als Risikofaktor für ein Endometriumkarzinom und darf nur bei hysterektomierten Frauen zum Einsatz kommen. Eine kontinuierlich-kombinierte Hormonersatztherapie über weniger als fünf Jahre gilt als sicher. Für nicht-hysterektomierte Frauen sollte die Gestagenanwendung idealerweise über 14 Tage pro Monat erfolgen. Eine längere Östrogen-Gestagentherapie, eine sequenziell-kombinierte Östrogen-Gestagentherapie über längere Zeit sowie die Gabe von Progesteron oder Dydrogesteron kann die Gefahr erhöhen. Eine Östrogentherapie bzw. Östrogen-Gestagentherapie ist ein Risikofaktor für Eierstockkrebs – und zwar bereits nach einer kurzen Einnahmedauer von wenigen Jahren. Nach Absetzen sinkt das Risiko wieder.
S3-Leitlinie Peri- und Postmenopause AWMF-Register-Nr. 015-062