13. Juli 2020Glukosemessung

Mehr Time in Range mit Closed Loop

Das Dateiformat ist EPS10.0.
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Die ersten fertig entwickelten Closed-Loop-Systeme, die anhand der Daten aus der kontinuierlichen Glukosemessung automatisiert Insulin verabreichen, sind auf dem Markt. Studiendaten zeigen eine Verbesserung der Time in Range in der Größenordnung von zehn Prozent, weisen aber auch auf die Bedeutung der Anwenderfreundlichkeit hin. (CliniCum|innere 02/20)

Die endokrine Funktion des Pankreas auf technischem oder biologischem Weg zu imitieren, ist ein alter Traum der Diabetologie. Ein Blick auf die Publikationslisten zu diesem Thema zeigt einen ersten Peak um das Jahr 1979. „Damals liefen die ersten Versuche mit intravenösen Insulininfusionen“, sagt dazu Prof. Dr. Boris Kovatchev vom University of Virginia Diabetes Technology Center. Dieser Ansatz erwies sich jedoch aus einer Vielzahl von Gründen als nicht praktikabel, sodass erst in den vergangenen Jahren das Interesse von Neuem erwachte und allein im Jahr 2018 zu fast 140 Publikationen zum Thema führte. Die Entwicklungen bei den Insulinpumpen und auf dem Sektor der kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) haben praktikable Closed-Loop-Lösungen möglich gemacht. Aktuell laufen laut clinicaltrials.gov rund 30 klinische Studien mit solchen Systemen.

Medtronic 670G: erstes (hybrides) Closed-Loop-System

Insbesondere weist Kovatchev auf die 2019 publizierten Ein-Jahres-Ergebnisse einer Studie mit dem ersten kommerziell verfügbaren Closed-Loop-System (Medtronic 670G) hin. Es handelt sich dabei um ein Hybrid-System, das Basalinsulin auf Basis der Sensordaten verabreicht, während die Bolus-Gabe durch den User manuell erfolgen muss. Die Studie zeigte, dass mehr als ein Drittel der Probanden innerhalb eines Jahres auf die automatische Dosierung verzichteten. Die Autoren schließen daraus, dass bei der Entwicklung derartiger Systeme mehr Augenmerk auf Userfreundlichkeit und den „human factor“ gelegt werden müsse.1

Closed-Loop-Systeme übertrumpfen manuelle Pumpen

Mehrere zu Beginn dieses Jahres publizierte Arbeiten zeigen, welche klinischen Vorteile mit dem Closed Loop erreicht werden können. Project Nightlight lief über vier Jahre und verglich zwei unterschiedliche, aber auf dem gleichen Algorithmus basierende Closed-Loop-Systeme miteinander sowie mit einer „augmentierten“ Pumpen-Therapie, was bedeutete, dass die Insulingabe über Nacht automatisch gesteuert wurde. Es handelte sich auch hier um ein Hybrid-System, das manuelle Bolusgaben erfordert. Closed Loop wurde in einem Studien-Arm realisiert über ein mit Pumpe und Sensor vernetztes Mobiltelefon, im anderen Arm über eine Pumpe mit integrierter Steuerung (t:slim X2™/Control-IQ).

Die Studie zeigte, dass bei Einsatz über 24 Stunden am Tag beide Closed-Loop-Systeme der augmentierten Pumpentherapie überlegen waren: Beide Systeme verbesserten die Time in Range, wobei die Verbesserung mit der Pumpe mit integrierter Steuerung deutlicher ausfiel. Letztere verlängerte die TIR um mehr als drei Stunden am Tag.2 Die Variante mit der am Mobiltelefon installierten Steuerung wurde auch in der Studie iDCL Protocol 1 untersucht. Auch diese Studie erreichte ihren primären Endpunkt. Time in Range wurde um 4,8 Prozent verlängert, Hypoglykämie-Zeit um 1,7 Prozent reduziert.3 iDCL Protocol 3 hingegen verglich wiederum die Pumpe mit integriertem Algorithmus (t:slim X2™/Control-IQ) mit „Open Loop“ (Pumpentherapie plus CGM) und fand im Closed-Loop-Arm eine Verlängerung der Time in Range gegenüber dem Kontrollarm um 11 Prozent sowie eine Verbesserung des HbA1c um 0,33 Prozent.4

Die beiden iDCL-Protocol-Studien sind, so Kovatchev, gut vergleichbar, da die verwendeten Systeme auf dem gleichen Algorithmus basieren, die Studien die gleichen Endpunkte hatten und sogar dieselben Zentren involviert waren. Ein Vergleich der beiden iDCL-Protocol-Studien zeige das gleiche Ergebnis wie Project Nightlight: Eine Überlegenheit des besser integrierten Systems (Pumpe mit Steuerung an Bord). Über die Hintergründe könne man nur spekulieren, es scheint jedoch die Anwenderfreundlichkeit nicht nur die Adhärenz, sondern auch das glykämische Outcome zu verbessern. Die im Rahmen des ATTD 2020 präsentierten Ergebnisse der Studie iDCL Protocol 5 zeigen, dass in einer pädiatrischen Population mit dem gleichen Closed-Loop-System nahezu exakt die gleichen Resultate erreicht werden.

Closed-Loop-Systeme im Vergleich: Control-IQ versus Medtronic 670G

Schwieriger sind Vergleiche zwischen Control-IQ und dem eingangs erwähnten Medtronic 670G. So wurde in den Studien mit Control-IQ zwar eine prozentuell deutlichere Verbesserung der TIR beobachtet, jedoch hatten die Patienten in den Studien mit Medtronic 670G bereits bei Einschluss eine bessere glykämische Kontrolle. Kovatchev: „Man sollte diese Ergebnisse also nicht direkt vergleichen. Komplexe statistische Analysen der Studien legen nahe, dass mit beiden Systemen vergleichbare Effekte erzielt werden.“

Quelle:
Parallel Session 05: „Closed-Loop – Update“ im Rahmen der 13th International Conference on Advanced Technologies & Treatments for Diabetes (ATTD), Madrid, 19.–22.2.20

Referenzen:
1 Lal RA et al.: One Year Clinical Experience of the First Commercial Hybrid Closed-Loop System. Diabetes Care 2019; 42(12):2190–2196
2 Kovatchev BP et al.: Evening and overnight closed-loop control versus 24/7 continuous closedloop control for type 1 diabetes: a randomised crossover trial. Lancet Digital Health 2020; doi: 10.1016/ S2589-7500(19) 30218-3
3 Kovatchev B et al.: Randomized Controlled Trial of Mobile Closed-Loop Control; Diabetes Care 2020; doi: 10.2337/dc19- 1310
4 Brown SA et al.: Six-Month Randomized, Multicenter Trial of Closed- Loop Control in Type 1 Diabetes; N Engl J Med 2019; doi: 10.1056/NEJMoa 1907863

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin CliniCum innere