10. Okt. 2022ÖGKJ warnt vor Rückkehr der Kinderlähmung

Polio-Impfrate ist bei den Kleinsten besonders niedrig

Im Vorjahr wurden dem „Kurzbericht Polio“ des Gesundheitsministeriums zufolge in Österreich fast neun Prozent weniger Kinderimpfungen verabreicht.

Während das Risiko für eine Einschleppung von Polioviren steigt, haben sich die Durchimpfungsraten für Poliomyelitis bei Kindern in Österreich verschlechtert. Die größten Lücken befinden sich bei den Kleinsten. Nur noch 36 Prozent der unter Einjährigen erhielten die zweite Teilimpfung. Den vollen Impfschutz bietet allerdings erst die dritte Teilimpfung. Der Bericht geht davon aus, dass etwa 70.000 Kinder und Jugendliche in Österreich völlig ungeimpft sind und noch viel mehr keine vollständige Grundimmunisierung besitzen.

Poliomyelitis betrifft am häufigsten Kinder unter fünf Jahren. Sie kann zu teils dauerhaften Lähmungen führen, bis hin zu Atemlähmung und Tod. Wirksame Medikamente sind bisher nicht verfügbar. „Viele Poliovirus-Infektionen verlaufen ohne Beschwerden oder verursachen nur grippeähnliche Symptome. Nur etwa einer von 200 Infizierten erleidet Lähmungen, sodass ein einziger Polio-Patient bereits auf eine weitläufige Verbreitung des Virus in der Gemeinschaft hinweist“, warnt Priv.-Doz. Dr. Hans Jürgen Dornbusch, Leiter des Referates Impfkommission der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ).

„Die Häufigkeit von unbemerkten Infektionen, die große Anzahl ausgeschiedener Viruspartikel und die lange Dauer der Virusausscheidung stellen ein hohes Risiko für die Ausbreitung von eingeschleppten Polioviren unter ungeschützten und anfälligen Bevölkerungsgruppen dar.“ Neben der Gefahr der Einschleppung von Polio-Wildviren besteht das Risiko, dass mutierte Impfviren in den Umlauf geraten. „Der orale Impfstoff findet in vielen ärmeren Ländern (z.B. in Afrika südlich der Sahara und Südostasien) Anwendung, da er leicht zu verabreichen ist, wenig kostet und sehr wirksam ist. In Österreich erhalten Kinder nur den inaktivierten Polio-Impfstoff, bei dem diese Gefahr ausgeschlossen ist, der aber anderseits zwar vor der Erkrankung, nicht aber vor deren Verbreitung schützt.“

Dem European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) zufolge sind derzeit Polen und Rumänien sowie die Ukraine aufgrund der geringen Immunität der Bevölkerung besonders gefährdet, durch eingeschleppte Polioviren Ausbrüche erleben zu müssen.

Für den vollen Schutz benötigen Kinder drei Teilimpfungen. Die Impfungen sind im dritten, fünften und elften bis zwölften Lebensmonat im Rahmen der Sechsfachimpfung empfohlen. Eine Auffrischimpfung sollten Kinder dann als Vierfachimpfung im siebten bis neunten Lebensjahr, danach alle zehn Jahre bekommen.

www.kinderaerzte-im-netz.at

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune