6. März 2024Ultra-processed food

ECCO: Crohn-Risiko mit gesunden Emulgatoren reduzieren

Hochverarbeitete Nahrungsmittel (Ultra-processed food) sowie in der Lebensmittelindustrie eingesetzte Emulgatoren haben sich in großen epidemiologischen Studien als Risikofaktor für die Entwicklung einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung, insbesondere von Morbus Crohn, erwiesen. Eine Ernährung, die gänzlich ohne Emulgatoren auskommt, ist allerdings unbequem und schwer durchzuhalten. Gesündere Zusatzstoffe könnten einen Ausweg bieten.

Zusammensetzung aus vielen ungesunden Fastfood-Gerichten auf dem Tisch. Konzept hochverarbeiteter Lebensmittel.
Foto: AdobeStock

Eine Metaanalyse von 5 Kohortenstudien mit insgesamt mehr als einer Million Teilnehmenden fand eine signifikante Assoziation zwischen hohem Konsum von hochverarbeiteten Nahrungsmitteln (ultra-processed food) und der Inzidenz von Morbus Crohn.1 Die relative Risikoerhöhung liegt in der Größenordnung von 70%. Bei Menschen, die bereits unter einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED) leiden, erhöhte hoher Konsum von ultra-processed food die Wahrscheinlichkeit chirurgischer Interventionen um den Faktor 4.2

Die Effekte dieser Ernährung im Darm sind vielfältig, so Prof. Dr. João Sabino von der Katholischen Universität Leuven, Belgien. Zum einen enthalten sie meist viel Zucker, Salz und Fette, darüber hinaus aber auch eine Menge von Zusatzstoffen mit unterschiedlichen Wirkungen. Im Zusammenhang mit CED werden insbesondere Emulgatoren kritisch gesehen. Darüber hinaus sollte man allerdings auch Farbstoffe, Süßungs- und Konservierungsmittel nicht aus dem Blick verlieren, so Sabino. Diese Zusatzstoffe können nicht nur im Darm Dysbiose induzieren, sondern auch direkt die Mukosa schädigen, indem sie proinflammatorische Pathways aktivieren und durch Disruption der Verbindungen zwischen den Epithelzellen (tight junctions) die Darmbarriere schwächen. Zudem bewirken sie eine Ausdünnung der Mukusschicht. Sabino betont, dass angesichts dieser Daten die Reduktion von Emulgatoren und hochverarbeiteten Lebensmitteln die einzige Gemeinsamkeit zwischen den unterschiedlichen bei CED vorgeschlagenen Diäten darstellt. In der Praxis gehen die beiden Maßnahmen Hand in Hand. Sabino: „Wenn man ultra-processed food reduziert, reduziert man automatisch auch die Emulgatoren. Gleichzeitig konnten wir zeigen, dass eine gezielte Reduktion von Emulgatoren in der Nahrung automatisch zu einem geringeren Konsum von ultra-processed food führt.“

Verzicht auf Emulgatoren schafft Probleme im Alltag

Dieser Versuch offenbarte allerdings auch ein generelles Problem aller CED-Diäten: Es ist in der Praxis schwierig, eine Ernährung ohne Emulgatoren durchzuhalten. Rund die Hälfte der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer gab an, dass die Diät es ihnen erschwert, die Speisen, die sie mögen, auch zu essen. Rund ein Viertel erlebte soziale Probleme beim Durchhalten der Diät. Die Notwendigkeit, bei abgepackter Nahrung die Etiketten genau zu studieren wurde ebenso als mühsam empfunden wie der zusätzliche Zeitaufwand beim Einkaufen.3 Geschmackliche Nachteile wurden keine empfunden. Sabino: „Insbesondere Restaurantbesuche werden zu Herausforderungen.“

Daher werde nun in präklinischen und klinischen Settings an konsumentenfreundlicheren Diäten gearbeitet. So untersuchte eine im Rahmen des ECCO 2024 vorgestellte Arbeit die Effekte unterschiedlicher Emulgatoren auf Organoide, die aus menschlichen Darmbiopsaten gezüchtet worden waren. Dabei zeigte sich, dass zumindest in vitro nicht alle Emulgatoren die Darmbarriere schädigen.4 Diese Hypothese wurden in der FOAM-Studie, deren erste Ergebnisse ebenfalls im Rahmen des ECCO 2024 präsentiert wurden, in einem Kollektiv gesunder Probandinnen und Probanden untersucht. Dabei zeigten sich nicht nur Unterschiede zwischen Emulgatoren und Placebo, sondern auch zwischen den verschiedenen Emulgatoren. Die Ergebnisse wichen allerdings von jenen der In-vitro-Untersuchungen ab, was auf die Rolle des Darmmikrobioms hindeutet.5 In weiteren Studien soll nun die Rolle einzelner, in der Lebensmittelindustrie gebräuchlicher Substanzen weiter untersucht werden.

Gesünderes ultra-processed food als Lösung?

Hintergrund ist das, was Sabino als das „Diät-Paradoxon“ bezeichnet: „Die Patientinnen und Patienten wollen ihre CED mit Diät behandeln – bis sie erfahren, wie diese Diäten aussehen. Denn restriktive Diäten sind schwer zu befolgen und haben einen hohen sozialen Impact.“ Es müsse also darum gehen, gesünderes ultra-processed food zu entwickeln, statt dieses aus der Nahrung zu verbannen. Dies bedeutet eine Umstellung auf gesundheitsfördernde oder zumindest neutrale Zusatzstoffe. Zur Frage, welche das sein könnten, fehle allerdings derzeit die Evidenz. Das Ziel wären leicht zu befolgende, alltagstaugliche diätetische Empfehlungen, bei denen dann auch mit entsprechender Adhärenz seitens der Patientinnen und Patienten gerechnet werden könne.

Quelle: „Crossing borders in IBD: Session 10 – Nutritional therapy – from paediatric to adult care“, ECCO 2024, Stockholm, 24.2.2024