5. Juli 2022Mit herzlichen Grüßen vom Darm

Was chronisch-entzündliche Darmleiden mit dem Herzen verbindet

Systemische inflammatorische Prozesse spielen bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und bei kardiovaskulären Störungen eine zentrale Rolle. Und auch im Hinblick auf die Therapie gibt es zwischen CED und Herzleiden einige Verbindungen.

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Bei den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) steckt die immer wiederkehrende Entzündung bereits im Namen. Auch bei der Entstehung und Progression von Atherosklerose und Herz-Kreislauf-Störungen spielen systemische inflammatorische Prozesse eine Rolle. Nur wurden die beiden Entitäten bislang kaum zusammengebracht. Das haben Dr. Hao Wu von der School of Medicine der University of Missouri in Columbia und seine Kollegen nun versucht.

Einer der Übeltäter scheint C. difficile zu sein

CED-Patienten erkranken häufiger an KHK, Herzrhythmusstörungen, arteriellen und venösen Thromboembolien bis hin zur Lungenembolie, Herzinsuffizienz und Schlaganfällen – und zwar in einem Alter, in dem andere junge Erwachsene solche Probleme noch gar nicht auf dem Schirm haben. Oftmals sind eher Frauen betroffen. Der Assoziation liegen wohl erhöhte Werte von proinflammatorischen Zytokinen zugrunde, aber auch Störungen der Gefäßinnenwand und des Darm-Mikrobioms. Vor allem Infektionen mit Clostridioides difficile scheinen (Mit-)Übeltäter zu sein: Der Erreger erhöht u.a. die Durchlässigkeit der Darmwand.

Für die tägliche Praxis wichtiger scheinen die Effekte der Medikamente, mit denen man die Erkrankungen behandelt: 5-Amino-Salicylate (5-ASA) gehören zum Standard bei CED und wirken antientzündlich – was eigentlich auch Herz und Gefäßen zugute kommen sollte. Darüber, ob das wirklich so ist, streiten sich Fachleute allerdings noch. Denn die Medikamente können auch die Steifigkeit der Aorta erhöhen und sind mit dem Auftreten von Myo- und Perikarditiden assoziiert.

Dass systemische Kortikosteroide zur Verschlimmerung von Hypotonie, Herzinsuffizienz und Diabetes mellitus führen können, ist bekannt. Auch das Risiko für Thromboembolien ist unter den Medikamenten erhöht. Dementsprechend sollten die Substanzen, wenn sie denn nötig sind, so kurz und so niedrig dosiert wie möglich zum Einsatz kommen.

TNF-α-Hemmer haben sich zu bedeutenden Therapieoptionen bei CED gemausert. Und erfreulicherweise wirken sie auch positiv aufs Herz. Unter der Behandlung mit den Blockern kommen seltener Thromboembolien vor, wohl weil sie den – bei CED erhöhten – Spiegel an prokoagulatorischen Faktoren zumindest teilweise wieder in den Griff bekommen. Zudem bleibt die Aorta unter der Therapie elastisch.

Umgekehrt haben auch primär fürs Herz gedachte Medikamente einen Einfluss auf CED: Acetylsalicylsäure ist aus der Prävention nach Infarkten kaum mehr wegzudenken. Zusätzlich reduziert ASS das Risiko für kolorektale Adenome und sich daraus entwickelnde Karzinome. In niedriger Dosierung überwiegt der Nutzen vermutlich die potenziellen Risiken bei CED-Patienten, meinen die Autoren – sofern diese keine Risikofaktoren für Ulzera und Blutungen aufweisen. Sie betonen aber, dass die Datenlage für eine eindeutige Empfehlung von ASS zur Primär- und Sekundärprävention bei CED-Patienten noch nicht ausreicht. Für den Thromboxan-Rezeptor-Antagonisten Ridogrel als Alternative gibt es noch keine überzeugenden Belege.

Heparin wirkt nicht nur gerinnungshemmend, sondern auch antiinflammatorisch: Daher empfiehlt zumindest die kanadische Fachgesellschaft bei Patienten, die wegen eines akuten CED-Schubs (aber ohne aktive Blutung) in die Klinik aufgenommen werden mussten, die thromboembolische Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin.

Und schließlich dürfen Statine als (Fast-)Alleskönner nicht fehlen. Die Wirkungen auf das Lipidprofil und damit auf Herz und Gefäße sind bekannt. Dazu kommt ein ausgeprägter antientzündlicher Effekt. Mehrere Arbeitsgruppen sind sich einig, dass Statine bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen eine sichere und wirksame Zusatztherapie darstellen: So können sie möglicherweise das Risiko für CED überhaupt vermindern, ebenso wie das für CED-bedingte Malignome. Zudem lässt sich damit die benötigte Dosis oraler Kortikosteroide bei der CED-Behandlung reduzieren.

Wu H et al. Eur Heart J Open 2021; doi: 10.1093/ehjopen/oeab029

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune