Austrian Health Report 2023: Jüngere immer kränker, Ursachen unklar
Die Generation Z (16–29a) leidet stärker an Kopfschmerzen, Ängsten oder Konzentrationsstörungen als der Durchschnitt. Das zeigt der 2. Austrian Health Report. Interessant: Überraschend viele haben sich von ELGA abgemeldet.
1.003 Personen sowohl aus der „autochthonen als auch migrantischen Bevölkerung“, davon 363 Personen aus der Generation Z seien befragt worden, stellt Dr. Reinhard Raml, Geschäftsführer von IFES, kürzlich das Design des heurigen Austrian Health Report (AHR) vor. Die repräsentative Umfrage im Herbst 2023 legte den Fokus nach dem AHR 2022 (siehe medonline-Bericht hier) diesmal auf die 16–29-Jährigen.
Die Ergebnisse rütteln auf: Mehr als ein Drittel (36%) der Generation Z hatte in den letzten 12 Monaten häufig oder sehr häufig Zukunftsängste. Das ist der höchste Wert unter allen Altersgruppen. In der 4. und 5. Lebensdekade berichtet ein Viertel der Befragten davon, bei den über 60-Jährigen sind es nur 11%. (siehe Grafik)
Mehr als ein Drittel hat Kopfschmerzen
45% der Generation Z fühlten sich (sehr) häufig müde, schwach oder erschöpft – deutlich mehr als der Durchschnitt von 34%. Bis auf Rücken- oder Brustschmerzen ist die Generation Z auch von anderen Beschwerden am häufigsten betroffen. Dazu zählen Kopfschmerzen (37% zu 21%) oder Konzentrationsstörungen (31% zu 19%). Fast die Hälfte (47%) dieser Altersgruppe fühlt sich in ihrem Körper (sehr) häufig nicht wohl.
Was die Einschätzung der psychischen Gesundheit betrifft, hat sich die Verfassung der Bevölkerung weiter verschlechtert: Nur noch zwei Drittel der Befragten beschreiben ihren psychischen Gesundheitszustand als (sehr) gut. Im Vorjahr waren es noch 70%. Die Zufriedenheit mit der psychischen Gesundheit steigt dabei linear mit dem Alter. In der Generation Z beurteilen 53% diese als (sehr) gut, im Vergleich zu 63% der 30- bis 44-Jährigen, 60% der 45- bis 59-Jährigen und 80% der über 60-Jährigen.
Je älter, desto zufriedener mit der psychischen Gesundheit
15% der Generation Z bezeichnen ihren psychischen Gesundheitszustand sogar als schlecht (12%) oder sehr schlecht (3%). Das ist der höchste Wert unter allen Altersgruppen: Bei den 30- bis 44-Jährigen ist es jeder 10. (7% schlecht, 3% sehr schlecht) bei den 45- bis 59-Jährigen sind es 9% (2% sehr schlecht). Bei den über 60-Jährigen sind es nur 3%, die ihren psychischen Zustand als schlecht beschreiben – und niemand beurteilt ihn mit sehr schlecht.
Der Trend einer stärkeren psychischen Belastung habe sich jedoch schon seit mehreren Jahren abgezeichnet, sagt dazu IFES-Geschäftsführer Raml, man dürfe nicht immer die Corona-Pandemie als Ausgangspunkt nehmen. Allerdings habe die Pandemie habe wie ein „Brennglas“ gewirkt und den Trend beschleunigt.
In den über 1.000 Interviews und mehr als 40 Fragen fanden sich auch Themen wie Vorsorge, Gesundheitskompetenz oder Digitalisierung. Wie positiv Letztere von den Jüngeren aufgenommen werde, hat Raml zufolge alle erstaunt: Demnach ist es für 80% der Generation Z (sehr) wichtig, dass medizinische Informationen wie Arztbesuche, Laborergebnisse etc. in der elektronischen Gesundheitsakte ELGA verwaltet, gespeichert und „auf Knopfdruck“ verfügbar sind.
Was die Generation Z von ELGA hält
Nur 13% finden dies eher/gar nicht wichtig. 5% der Befragten dieser Zielgruppe haben sich von ELGA abgemeldet. Das ist insofern bemerkenswert, als diese Opt-out-Rate der Gen Z deutlich über dem Durchschnitt liegt, wie ein Blick der Redaktion in die Statistik zeigt: Laut aktuellen ELGA-Betriebskennzahlen (Stand 05.12.2023) haben sich 279.337 von ELGA abgemeldet – was nur rund 3% der Versicherten entspricht.
Insgesamt sind die Generation Z aber „heavy user“, was digitale Kanäle zu Gesundheitsthemen angeht. Fast die Hälfte (46%) der 16- bis 29-Jährigen nutzt YouTube, 42% nutzen Instagram und 31% TikTok als Plattformen, um sich über Themen rund um Gesundheit, Wohlbefinden, Ernährung und einen gesunden Lebensstil zu informieren.
Digitale Begleiter oder Fitness-Tracker
Rund 16% der unter 30-Jährigen nutzen außerdem „so gut wie immer“ digitale Begleiter oder Fitness-Tracker zur System-Dokumentation (etwa bei Diabetes, Migräne, Blutdruck) bzw. Gesundheits- und Bewegungsdatenaufzeichnung (Herzfrequenz, Blutdruck etc.). Knapp je ein Viertel nutzt diese Dienste gelegentlich (23%) bzw. zumindest selten (24%). 34% der Jugendlichen verwenden keine digitalen Begleiter – bei den über 60-Jährigen sind es doppelt so viele.
„Die Generation Z ist offen für Gesundheitsleistungen und Services auf digitaler Ebene“, analysiert Klaudia Aldjic, BA, „Top Voice Next Generation“, HR-Managerin Russmedia. Es gelte, die Chancen zu nutzen, um junge Menschen zu erreichen und einzubinden. Allerdings: „Unser Gesundheitssystem ist nicht Gen-Z-fit!“ Es brauche entsprechende Angebote, diese müssten jedoch auf einen Klick/einer Seite abrufbar sein, die Generation Z wolle keine Insellösungen.
Schwierigkeiten, Ärztinnen und Ärzte zu verstehen
Was Dr. Christina Breil, Researcher IfGP (Institut für Gesundheitsförderung und Prävention), überrascht hat, ist die vergleichsweise geringere Bewertung der eigenen Gesundheitskompetenz: Beinahe jeder bzw. jede 3. Befragte (30%) der Generation Z findet es (sehr) schwierig zu beurteilen, welche Folgen Alltagsgewohnheiten wie etwa Ernährung oder Bewegung auf die eigene Gesundheit hat. Bei älteren Generationen ist dies nur für 12% (45–60a) bzw. 14% (>60a) schwierig.
Auch finden es 17% der Generation Z schwierig zu verstehen, was Ärztinnen und Ärzte ihnen sagen – bei 60+ sind es nur 9%. Insgesamt hätten aber alle Altersgruppen Schwierigkeiten dabei, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden, betont Breil: „Wir sollten Gesundheitsinformationen qualitätsgesichert, leicht zugänglich, benutzerfreundlich und zielgruppenspezifisch für alle zur Verfügung stellen.“
Generation Z auch künftige Beschäftigte im Gesundheitswesen
Das Thema Prävention unterstreicht auch Prim. Priv.-Doz. Dr. Arschang Valipour, Leiter Karl-Landsteiner-Institut für Lungenforschung. Es gehe darum, sowohl „persönliches Leid“ zu verhindern als auch an die Ressourcen im Gesundheitssystem zu denken. Besonders wichtig sei ein gesunder Lebensstil, allen voran mit Bewegung. Jeder „Schritt“ trage dazu bei, Krankheiten wie Krebs, Alzheimer, Osteoporose bis hin zu psychischen Erkrankungen zu verringern: „Je mehr wir sitzen, desto früher sterben wir.“
Vorsorgemaßnahmen würden aber oft Jahrzehnte dauern, bis sie greifen. Umso wichtiger sei es, „die Bedeutung von Prävention und die langfristigen Vorteile eines gesunden Lebensstils bereits heute in den Köpfen der GenZ zu verankern“ – beginnend schon im Kindergarten und in der Schule. Valipour gibt dabei auch noch zu bedenken, dass ja die junge Generation später auch einmal im Gesundheitssystem tätig sein werde.
Früher auch Krisen, aber heute ständig damit konfrontiert
Peter Stenico, MBA, CEO Sandoz, sieht aufgrund der Ergebnisse ebenfalls „viel zu tun“ im Bereich der Gesundheitskompetenz: „Auch wir müssen neue Wege finden, um von allen Zielgruppen verstanden zu werden. Daten auf Knopfdruck könnten das Interesse an der eigenen Gesundheit erhöhen.“
Die Ursachen für die gestiegenen bzw. stärkeren gesundheitlichen Belastungen der Generation Z hat der AHR nicht untersucht. Aldjic hebt aber hervor, dass die Generation Z als „digital natives“ mit „always on“ und „always available“ laufend mit Krisen konfrontiert sei. Krisen habe es zwar auch früher gegeben, aber Informationen darüber nur punktuell, etwa in den Abendnachrichten. „Durch den Informationsüberfluss ist es teilweise schwierig ‚echt oder fake‘ zu unterscheiden“, das fördere natürlich auch die Zukunftsangst.
Auf Nachfrage seitens des ORF, ob nicht auch Virusinfektionen per se ein Grund für die Beschwerden wie Müdigkeit etc. sein können, sagt Valipour, dass diese sicher einen „nicht unbeträchtlichen Anteil“ daran hätten. Die Gesellschaft sei heute kränker als vor der Pandemie, auch Autoimmunerkrankungen werden aufgrund der hohen „Durchseuchungsrate“ in den nächsten Jahren nochmals ansteigen.
Präsentation des Austrian Health Reports, Wien, 30.11.2023