17. Nov. 2023medonline Medizingeschichte #10

Edward Jenner und die Eindämmung des Variola-Virus

Edward Jenner wird am 17. Mai 1749 als achtes von neun Kindern des Reverend Stephen Jenner und seiner Frau Sarah in Berkeley, Gloucestershire, geboren.

Nach einer Schulausbildung in Wotton-under-Edge und Cirencester beginnt er im Alter von 14 Jahren eine letzten Endes sieben Jahre dauernde medizinische Lehre bei einem Arzt in Chipping Sodbury.

Dort mit den wesentlichen medizinischen Kenntnissen ausgestattet, wechselt Jenner 1770 an das St. George’s Hospital nach London, wo er seine Ausbildung bei dem bekannten Mediziner und Experimentator John Hunter fortführt. Hunter erkennt schnell die außergewöhnlichen investigativen Fähigkeiten seines neuen Schülers, dessen Fertigkeiten in der Herstellung von Präparaten und sein Wissen um pflanzliche und tierische Anatomie.

Landarzt

1772 kehrt Jenner nach Berkeley zurück und lässt sich dort als Landarzt nieder. Zu dieser Zeit sterben allein in Europa rund 400.000 Menschen an den Pocken, einer der gefährlichsten Seuchen in der Geschichte der Menschheit. Zwei von drei Personen überleben eine Infektion mit dem Variola-Virus, sind aber mitunter blind oder taub und mit großer Sicherheit von unansehnlichen Narben entstellt.

Aus Asien ist die Idee der Inokulation bekannt, dem absichtlichen Einimpfen von Pockeneiter, in der Hoffnung, eine milde Infektion mit folgender Immunität gegen die Krankheit zu provozieren. Das ist aber eine mitunter lebensgefährliche Praxis. Der junge Edward wird während seiner Schulzeit inokuliert, was bei ihm mit lebenslangen gesundheitlichen Folgeschäden verbunden ist.

Bauernschläue

Vom Beginn seiner Tätigkeit als Landarzt an beschäftigt Jenner die Annahme in bäuerlichen Kreisen, dass man vor Pocken geschützt ist, wenn man eine Infektion mit den viel harmloseren Kuhpocken hinter sich hat. Tatsächlich scheinen viele Melkerinnen – die sich aufgrund ihrer Tätigkeit immer wieder mit Kuhpocken anstecken – offenbar gegen die Pocken immun zu sein. Und so führt Jenner 1796 sein entscheidendes Experiment durch.

Ein riskantes Experiment

Er bestellt die gerade an den Kuhpocken erkrankte Milchmagd Sarah Nelmes zu sich ein. An einer Pustel entnimmt er ihr Flüssigkeit und ritzt diese James Phipps, dem achtjährigen Sohn seines Gärtners, ein. Der Junge leidet in der Folge für ein paar Tage an leichtem Schüttelfrost, Appetitlosigkeit und geringfügigem Kopfschmerz, erholt sich aber bald wieder.

Dann beginnt der riskante Teil seines Experiments und Jenner infiziert das Kind nach derselben Methode mit den Menschenpocken, welche aber tatsächlich nicht ausbrechen. Nach mehrmaliger Wiederholung des Experiments veröffentlicht Jenner 1798 einen kleinen Band mit dem Titel An Inquiry into the Causes and Effects of the Variolae Vaccinae.

Die Studie wird zu Beginn nicht wohlwollend aufgenommen und Jenner hat Probleme, weitere Freiwillige zu finden. Als sie sich als valide durchzusetzen beginnt, versuchen andere Ärzte, die Entdeckung des Sachverhaltes für sich selbst zu reklamieren. Kontaminierte Kuhpocken-Materie, die mangelhafte Umsetzung seiner Empfehlungen und unzureichendes Wissen um die biologischen Details einer Immunisierung verursachen noch viele Komplikationen auf dem Weg zu einer effektiven Anwendung seiner Technik. Nichtsdestotrotz setzt sie sich aber weltweit durch. Edward Jenner wird international vielfach geehrt und gilt heute als der Erfinder des Impfens. Vaccination, der von ihm geprägte englische Terminus, leitet sich vom lateinischen Wort vacca für Kuh ab und ist seine persönliche Hommage an den ruralen Ursprung seiner Entdeckung.