An Excuse for Cowardice – PTSD
Man kann davon ausgehen, dass es Formen psychologischer Verwundungen gibt, seitdem sich Menschen in einigermaßen organisierter Art gegenseitig umbringen.
Retrospektiv nachweisen lässt sich das Phänomen ab den Kriegen des 19. Jahrhunderts, als die Alphabetisierung soweit fortgeschritten war, dass einfache Soldaten in Briefen nach Hause von ihrem Martyrium berichten konnten.
Erster Weltkrieg
Zeitgenössisch bemerkt wurde es erstmals während des Ersten Weltkriegs, was zwei Tatsachen geschuldet war. Zum einen war die Psychiatrie (einigermaßen) als wissenschaftliche Disziplin etabliert. Andererseits konfrontierte dieser erste industrialisierte Krieg seine Opfer mit einem Volumen an physischen und psychischen Belastungen, Tod und Vernichtung, welches die menschliche Fähigkeit zu rationalisieren überstieg und eine Epidemie psychologischer Verwundungen auslöste.
Die ersten Versuche die Indikation zu beschreiben waren neurologischer Natur. Der britische Pathologe Colonel Frederick Mott prägte den Begriff Shell Shock für seine Annahme, dass von Explosionsdruckwellen verursachte, mikroskopische Blutungen und Traumata im Gehirn dessen Symptome – unkontrolliertes Zittern, Panikattacken, temporärer Verlust der Seh- und/oder Hörfähigkeit und Lähmungserscheinungen – auslösen würden.
Als diese Theorie noch vor Kriegsende falsifiziert wurde einigte man sich darauf, das nun doch als rein psychiatrisch anerkannte Phänomen diffus als War, Combat oder Traumatic Neurosis zu bezeichnen. Der US-Armeepsychologe Colonel Thomas Salmon entwickelte eine Therapie aus Ruhe, kräftiger Ernährung und psychiatrischem Beistand in frontnahen Einrichtungen, was in akzeptablen Return to Duty-Raten resultierte. Als Ursprung der Neurosen wurden von vielen damit befassten jedoch ausschließlich individuelle Schwächen und Charakterdefizite gesehen.
Zwischenkriegszeit
In der Zeit zwischen den Weltkriegen ging das wenige akkumulierte Wissen um psychologische Kriegsverwundungen wieder verloren. The Military Surgeon, das medizinische Fachmagazin der US-Streitkräfte, publizierte in dieser Zeit mehr veterinärmedizinische Artikel als solche, die sich mit Militärpsychiatrie beschäftigten. Im 1927 publizierten Handbook for the Medical Soldier wurde im Wesentlichen dazu aufgerufen, nach malingerers and so called cases of shell shock Ausschau zu halten. In der 2. Auflage von 1937 wurde nur eine von insgesamt 685 Seiten dem Thema der psychischen Gesundheit gewidmet.
Zweiter Weltkrieg
Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs hatte die US-Militärpsychiatrie die vorwiegend präventive Aufgabe, neuropsychiatrische Störungen schon im Zuge der Musterung zu erkennen. So wurden 12% der 15 Mio. US-Wehrpflichtigen als Unfit for Service klassifiziert.
Ab 1943, mit den anglo-amerikanischen Landungen auf Sizilien und der italienischen Halbinsel, zeichnete sich erneut eine Epidemie neuropsychiatrischer Ausfälle ab. In der Folge vollführte die anglo-amerikanische Militärpsychiatrie einen entscheidenden Turn im Umgang mit der Indikation, der sich terminologisch im Wechsel zu der Bezeichnung Combat- oder Battle Fatigue ausdrückte. Die Lehrmeinung war an dem Punkt angekommen, die Ursache für psychologische Kriegsverwundungen darin zu sehen, dass neuropsychiatrisch vollkommend normale Individuen im Krieg einer zutiefst abnormalen Situation ausgesetzt sind.
Eine US-Studie zu Combat Fatigue stellte schließlich fest: There is no such thing as “getting used to combat“ ... Each moment of combat imposes a strain so great that men will break down in direct relation to the intensity and duration of their exposure ... psychiatric casualties are as inevitable as gunshot and shrapnel wounds in warfare.
Feigheit vor dem Feind
Freilich wurden diese Erkenntnisse noch lange nicht auf allen Ebenen der Kriegsführung anerkannt. US-General George S. Patton, Jr. echauffierte sich noch in seinen Memoiren War As I Knew It über the shameful use of “battle fatigue” as an excuse for cowardice. Im Vergleich zu den Soldaten der Roten Armee und der Deutschen Wehrmacht konnten sich jene der anglo-amerikanischen Armeen trotzdem glücklich schätzen.
Dort wurde die Indikation schlicht als Feigheit vor dem Feind verstanden und mehr als 135.000 Rotarmisten wurden zwischen 1941 und 1945 dafür und für andere Vergehen hingerichtet. In der Wehrmacht fällten Standgerichte alleine an der Ostfront und im letzten Kriegsjahr mehr als 30.000 Todesurteile aus diesem Grund.