26. Jän. 2024medonline Medizingeschichte #15

Geschichte der Syphilis

Als der französische König Karl VIII. im September 1494 ein Heer von 32.000 Mann auf die italienische Halbinsel führt, hat er ambitionierte Pläne. Mit der Unterstützung Mailands und des Papstes will er Kontrolle über Neapel erlangen.

The Wellcome Collection, London/CC BY-SA 4.0

Das Königreich war im 13. Jahrhundert in französischen Besitz gelangt, wird aber inzwischen von Spaniern regiert. Nachdem seine Truppen Genua, Florenz und Rom erobert haben, steht Karl im Februar 1495 vor den Toren von Neapel, das sich im Wesentlichen kampflos ergibt. Nur wenige Festungen weigern sich aufzugeben und werden in der Folge von Karls Truppen belagert.

In den folgenden Monaten der Belagerung geben diese sich ihren fleischlichen Gelüsten hin, bis ein bis dahin unbekanntes Grauen über sie kommt – die Syphilis. Die vom Bakterium Treponema pallidum ausgelöste und via Geschlechtsverkehr übertragene Infektionskrankheit verursacht Schleimhautgeschwüre, geschwollene Lymphknoten und zerstört letzten Endes das zentrale Nervensystem.

Im Gegensatz zur Pest, die kurzen Prozess mit ihren Opfern macht, geht dem Tod durch Syphilis ein langes Siechtum voraus, weswegen sie noch mehr als der Schwarze Tod gefürchtet wird. Karls Truppen verlieren durch die katastrophalen Auswirkungen der Seuche ihre Wirksamkeit als Streitmacht. Als sich ein spanischer Entsatz-Verband Neapel nähert, befiehlt der König den Rückzug.

Auf dem Weg nach Norden löst sich sein Verband peu à peu auf. Die Soldaten verbreiten die Syphilis in ganz Europa, wo sie in der Folge zu einer verheerenden Epidemie wird. Aufgrund ihres offensichtlichen Ursprungs wird sie landläufig als Franzosenkrankheit oder Neapolitanische Krankheit bezeichnet.

Später setzt sich die Annahme durch, dass die Syphilis von Christoph Kolumbus aus der Neuen Welt eingeschleppt wurde. Eine 2020 in Current Biology publizierte Studie erbringt schließlich den molekularen Nachweis, dass der Syphilis-Erreger bereits im frühmodernen Europa – vor Kolumbus‘ Expeditionen in die Neue Welt – präsent war, möglicherweise in weniger ansteckenden Varianten.

Im 16. Jahrhundert wird die Verbindung zwischen sexuellem Kontakt und der Übertragung der Syphilis erkannt, was der Seuche eine moralische Dimension verleiht und die Kirche auf den Plan ruft. Sie interpretiert die Krankheit als Strafe Gottes für einen sündhaften Lebenswandel. Kunst und Literatur greifen das Thema auf. Für die Betroffenen bedeutet das Stigmatisierung und Ausgrenzung.

Die Behandlungsmethoden sind begrenzt und oft ineffektiv. Zuerst wird ein Extrakt aus Guajakholz als Wunderdroge gefeiert. Die Annahme, dass nur ein Heilmittel aus der Neuen Welt eine (anscheinend) von dort eingeschleppte Krankheit zu heilen vermag, entspricht den Denkmustern der Renaissance.

Die Bankiersfamilie der Fugger aus Augsburg, die sich von Kaiser Karl V. ein Privileg zum Handel mit dem heiligen Holz sichert, erwirbt mit dem Import und Vertrieb von Guajakholz ein ungeheures Vermögen.

Dann wird Quecksilber als Abhilfe erkannt, was aber zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führt. Oft stellt sich dabei die Frage, was den Patienten zuerst tötet – die Krankheit oder die Kur.

Erst mit der Entdeckung des Penicillins in den 1940er Jahren wird die Syphilis effektiv behandelbar. Die Einführung von Antibiotika revolutioniert die Behandlung von Infektionskrankheiten, auch sexuell übertragbarer. Die öffentliche Gesundheit profitiert in der Folge von gezielten Aufklärungskampagnen und der Verfügbarkeit von Medikamenten.

Trotz allen Fortschritts bleibt die Syphilis in manchen Regionen der Welt ein Problem. Der generell zu beobachtende Anstieg von sexuell übertragbaren Infektionen in den letzten Jahrzehnten führt uns erneut die Bedeutung von Aufklärung, Prävention und regelmäßigen Gesundheitskontrollen vor Augen.