12. Jän. 2024medonline Medizingeschichte #14

Histamine Queen – Regine Kapeller-Adler

Regine Kapeller-Adler wird am 28. Juni 1900 im österreichisch-ungarischen Stanislau in Galizien (in der heutigen Ukraine) als Tochter eines Privatbeamten der Canadian Pacific and Royal Mail Lines geboren.

Liselotte Adler-Kastner

Sie besucht zuerst das Gymnasium in Brody östlich von Lemberg und wechselt dann nach Wien, in das Reformrealgymnasium in der Leopoldstadt, wo sie im Juli 1918 maturiert. Im selben Jahr noch nimmt sie an der Universität Wien ein Studium der Chemie auf und promoviert sich 1923 in dem Fach. 1924 wird sie Demonstratorin am Institut für medizinische Chemie der Universität Wien und in weiterer Folge zuerst 1926 außerordentliche und dann bis 1934 ordentliche Assistentin. 1928 heiratet sie den Medizinier Dr. Ernst Adler.

Obwohl Kapeller-Adlers wissenschaftlicher Beitrag zur Arbeit am Institut als hervorragend anerkannt ist, rät ihr Institutsleiter Prof. Otto von Fürth von einem geplanten Habilitationsvorhaben ab. Er schätzt ihre Chancen als Frau und Jüdin als aussichtslos ein.

Nichtsdestotrotz erregt sie 1933 in der Fachwelt mit der Entwicklung eines neuartigen Tests zum frühzeitigen Nachweis einer Schwangerschaft Aufsehen. Kapeller-Adler hatte zuvor schon entdeckt, dass während der frühen Schwangerschaft die Aminosäure Histidin ausgeschieden wird. Nun veröffentlicht sie eine chemische Nachweismethode für das Vorhandensein von Histidin im Harn Schwangerer.

Bis dahin ist der nach B. Zondek und S. Aschheim benannte A-Z-Test üblich. Dabei wird weiblichen Mäusen subkutan der Urin einer Testperson injiziert. Dann wird via Obduktion festgestellt, ob das einen die Schwangerschaft indizierenden Eisprung ausgelöst hat. Dem gegenüber ist Kapeller-Adlers Testmethode mit weniger Tierleid verbunden und führt außerdem wesentlich schneller zu Ergebnissen.

Nach Ablauf ihrer Assistenzposition betätigt sie sich weiterhin wissenschaftlich – ohne dafür bezahlt zu werden – und beginnt ein Medizinstudium. 1934 wird ihre Tochter Liselotte geboren. Neben dem Studium arbeitet Kapeller-Adler 1935 – 1936 halbtags am Biochemischen Labor der Krankenkasse und leitet 1936 – 1937 das Laboratorium für klinische und medizinisch-chemische Diagnostik des Sanatoriums Hera in Wien.

Die ersten beiden Rigorosen ihres Medizinstudiums legt Kapeller-Adler mit ausgezeichnetem Erfolg ab. Dann übernehmen aber die österreichischen Nationalsozialisten die Macht und der Abschluss des Studiums wird ihr als Jüdin verwehrt. Regine wird fristlos entlassen und hat keine Chance auf eine weitere Anstellung. Auch Ernst verliert seinen Arbeitsplatz und wird im Zuge des November-Pogroms verhaftet, schikaniert und gequält.

Kapeller-Adlers international bekannte Forschungsarbeit erweist sich als die Rettung für die Familie. Die britische Society for the Protection of Science and Learning (SPSL) setzt sich dafür ein, dass der ganzen Familie die Einreise nach Großbritannien ermöglicht wird. Regine bekommt einen Arbeitsplatz in einem Diagnoselabor an der Universität von Edinburgh angeboten. Ernst ist einer von nur 50 österreichischen Ärzten, denen in Großbritannien eine Arbeitserlaubnis erteilt wird.

Regine verbringt ihr restliches Berufsleben als Dozentin an der Universität in Edinburgh und bringt es auf mehr als 60 wissenschaftliche Publikationen – nach 1930 ausschließlich als einzige oder Erstautorin. Seitens ihrer wissenschaftlichen Peers wird ihr der Spitzname Histamine Queen zuerkannt, ein Wortspiel mit ihrem Namen Regine, der dem Respekt gegenüber Kapeller-Adlers wissenschaftlichen Errungenschaften Ausdruck verleihen soll.

Obwohl ihre Methode zum Nachweis einer Schwangerschaft in Einzelfällen zu falsch-positiven Ergebnissen führt und nicht der endgültige Durchbruch zu einer zuverlässigen Testung ist, stellt sie einen wichtigen Schritt in diese Richtung dar. Tatsächlich dauert es noch bis in die 1950er-Jahre, bis Tests an Tieren endgültig aufgegeben werden können.