12. Dez. 2023Aus der Fachliteratur

Weiblicher Bluthochdruck ist anders

Die anatomischen und hormonellen Unterschiede zwischen Frauen und Männern wirken sich auf die Entwicklung einer Hypertonie aus. Was das therapeutisch bedeutet, wird erst allmählich klar. Gesicherte Erkenntnisse gibt es zumindest zum Hochdruck in der Schwangerschaft.

grauhaarige Frau misst idealen Blutdruck
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Junge Frauen haben im Durchschnitt einen niedrigeren Blutdruck als gleichaltrige Männer. Dagegen steigt bei Frauen nach der Menopause insbesondere der systolische Blutdruck steiler an. Dies geht mit einem deutlich erhöhten kardiovaskulären Risiko einher, schreibt Prof. Dr. Martin Middeke vom Hypertoniezentrum München. Warum das so ist, sei nicht abschließend geklärt. Doch spreche vieles für das folgende Erklärungsmodell:

Frauen sind im Durchschnitt kleiner als Männer – entsprechend geringer fallen Durchmesser und Länge des Aortenbogens aus. Zudem scheinen ihre Gefäße in jungen Jahren hormonell bedingt elastischer zu sein. Nach der Menopause nimmt die Gefäßsteifigkeit aber stärker zu, auch im Bereich des Aortenbogens. Die Unterschiede wirken sich auf die Hämodynamik aus. So beobachtet man fast nur bei großen jungen Männern – aber sehr selten bei Frauen – die isolierte juvenile systolische Hypertonie. Eine mögliche Erklärung ist, dass die Amplifikation der Druckwelle von der Brustaorta bis zum Messpunkt Armarterie bei ihnen höher ist. Dagegen führt die geringere Amplifikation bei Frauen zusammen mit dem kürzeren Laufweg der reflektierten Pulswelle bei kürzerer Aorta zu einer geringeren Blutdruckamplitude. In einer Studie zeigte sich bei unter 45-Jährigen mit isolierter systolischer Hypertonie eine geringere kardiovaskuläre Mortalität als bei Männern.

In der zweiten Lebenshälfte nimmt die Steifigkeit der Gefäße bei beiden Geschlechtern immer weiter zu. Bei Frauen betrifft sie besonders die proximale Aorta. Dies hat zum einen zur Folge, dass die reflektierte/retrograde Druckwelle bei Frauen schneller und stärker zum Herzen zurückläuft, was den systolischen Blutdruck zusätzlich erhöht.

Aortale Hypertonie bei peripherer Normotonie

Zum anderen kann die steife Aorta den erhöhten Druck nur partiell oder gar nicht in die A. brachialis weiterleiten, wo der Blutdruck gemessen wird. In diesem Fall kann eine maskierte aortale Hypertonie auftreten, also ein konventionell gemessener Blutdruck im Normbereich bei gleichzeitiger aortaler Hypertonie.

Um die Situation zu demaskieren, muss man eine Pulswellenanalyse zur Bestimmung des zentralen aortalen Blutdrucks durchführen, erklärt Middeke. Da das kardiovaskuläre Risiko bei Frauen bereits bei niedrigeren Blutdruckwerten stärker erhöht ist als bei Männern, sollten sie früher behandelt werden.

Nur in wenigen Hochdrucktherapiestudien wurden Analysen getrennt nach Geschlechtern durchgeführt. Wesentliche Unterschiede ließen sich dabei nicht erkennen, schreibt der Experte. Kalziumantagonisten scheinen bei Frauen tendenziell besser wirksam zu sein. Da diese vor allem den zentralen Blutdruck gut senken, stünde diese Beobachtung im Einklang mit dem beschriebenen Erklärungsmodell.

Klare Unterschiede zwischen den Geschlechtern bestehen dagegen im Hinblick auf die Nebenwirkungen der gängigen Blutdrucksenker. So entwickeln Frauen unter Diuretika häufiger Elektrolyt- und Herzrhythmusstörungen als Männer. Unter Kalziumkanalblockern kommt es bei ihnen häufiger zu peripheren Ödemen und unter ACE-Hemmern öfter zu Husten.

Milden Gestationshochdruck ebenfalls behandeln

Etwa 5–10% aller Schwangeren entwickeln eine Gestationshypertonie. Bislang wird diese leitliniengerecht erst dann behandelt, wenn der Blutdruck 160/100mmHg übersteigt. Neue Daten weisen nach Aussage von Middeke darauf hin, dass bereits die Behandlung einer milden Hypertonie sinnvoll wäre. So ging in der CHAP-Studie eine Senkung auf Werte <140/90mmHg mit deutlichen Vorteilen für den Verlauf der Schwangerschaft einher.* In der Studie wurde meist der (in Deutschland nicht erhältliche) kombinierte Alpha- und Betablocker Labetalol verordnet, gefolgt von retardiertem Nifedipin.

Der Autor rät dazu, während der Schwangerschaft retardierte Kalziumkanalblocker (Nifedipin, Amlodipin) einzusetzen, denn sie senken den aortalen Blutdruck am effektivsten und führen somit zu einer verbesserten Durchblutung der zentralen Organe. Dagegen wirkt der häufig verordnete Betablocker Metoprolol nur auf den peripheren Blutdruck. Er sollte nach Ansicht des Autors bevorzugt werden, sofern auch die Herzfrequenz klinisch relevant erhöht ist.

Haben werdende Mütter bereits in einer früheren Schwangerschaft eine Präeklampsie entwickelt, lohnt sich offenbar ein differenziertes Vorgehen entsprechend den individuellen hämodynamischen Parameter (Herzfrequenz, Herzminutenvolumen, peripherer Widerstand). In einer niederländischen Studie führte die Behandlung mit Labetalol, Nifedipin oder Methyldopa auch bei (noch) normalen Blutdruckwerten zu einer deutlichen Senkung des Risikos für eine Präeklampsie bzw. ein HELLP-Syndrom.