6. Nov. 2025Im Gespräch mit Anna Obenauf, PhD, Research Institute of Molecular Pathology (IMP)

„Nobelpreis“ der Krebsforschung an Anna Obenauf

Der prestigeträchtige Dr.-Josef-Steiner-Krebsforschungspreis, auch Nobelpreis der Krebsforschung genannt, ging heuer an eine österreichische Krebsforscherin: die Molekularbiologin Anna Obenauf.

Preisverleihung Anna Obenauf
Dr.-Steiner-Krebsforschungsstiftung

Herzliche Gratulation zum Dr.-Josef-Steiner-Krebsforschungspreis. Wie lange ist es her, dass eine Forscherin oder ein Forscher in Österreich diese Auszeichnung erhielt?

Obenauf: Ich bin auf jeden Fall nach vielen Jahren die erste. Ende der 1980er Jahre ging der Dr.-Steiner-Krebsforschungspreis auch ans IMP, und zwar an den inzwischen verstorbenen Hartmut Beug, der als Pionier der Metastasierungsforschung gilt. Umso schöner, dass ich diesen Preis bekommen durfte. Und es war sehr nett, weil seine Witwe gleich mit mir in Kontakt getreten ist und mir Fotos von der Preisverleihung 1988 geschickt hat.

Die Jury nannte Ihre Forschung zu resistenten Krebstumoren bahnbrechend, was sind die wichtigsten Erkenntnisse?

Uns ist in klinischen Daten aufgefallen, dass Melanompatienten, die eine zielgerichtete Therapie bekommen hatten, wesentlich schlechter auf eine nachfolgende Immuntherapie angesprochen haben. Das war sehr überraschend, weil das zwei Therapien sind, die ganz unterschiedliche Angriffspunkte haben.

Wir haben gezeigt, dass Tumorzellen das Tumor Micro Environment so verändern können, dass die T-Zellen inaktiviert werden. Diese Kreuzresistenzen konnten wir mechanistisch aufklären und zeigen, warum manche Tumoren trotz vieler Immunzellen unsichtbar für T-Zellen werden.

Unsere Arbeit hat gemeinsam mit anderen Forschungsergebnissen dazu geführt, dass Immuntherapie heute als Erstlinientherapie präferiert wird. Und sie hat eine Diskussion ausgelöst, wie die Sequenz von Therapien die Tumore verändert.

Wesentlich für den Preis war auch Ihr eingereichtes Forschungsprojekt. Wofür verwenden Sie das Preisgeld?

Anna Obenauf, PhD
IMP/A. Stoecher

Anna Obenauf, PhD

Wir werden erarbeiten, wie Immuntherapie-resistente Tumore wieder sensitiviert werden können und haben da verschiedene Ansätze.

Ein besonders innovativer Ansatz ist, dass wir künstliche Intelligenz verwenden werden, um die T-Zellen und myeloiden Zellen, die in diesem Tumor verankert sind, zu studieren und diese dann umzuprogrammieren.

Was ist das Besondere an diesem sogenannten Nobelpreis der Krebsforschung?

Es ist eines der am höchsten dotierten Forschungspreise einer privaten Stiftung und bietet außergewöhnlich viel Freiheit.

Dem Stifter war wichtig, dass Forschung relativ unreglementiert stattfinden kann. Wenn sich ein neuer vielversprechender Forschungsansatz im Laufe des Projektes ergibt, dann kann man diesem nachgehen, ohne dass man stark an Vorgaben gebunden ist.

Natürlich muss man Reviews und Reports abgeben, aber der Rahmen bietet gleichzeitig ein hohes Maß an Planungssicherheit und wissenschaftlicher Freiheit.

Wie schwierig oder wie einfach ist es, Forschung in Österreich zu finanzieren?

Die Forschungsfinanzierung, die hier am Vienna Bio Center und insbesondere am IMP geboten wird, war mit einer der Gründe, warum ich mich für das IMP entschieden habe.

Mein Forschungsgeld unterteilt sich in zwei Bereiche: unser Kernbudget und externe Projektmittel. Dieses Kernbudget ist eine großartige Grundlage, weil es uns bis zum gewissen Grad Planungssicherheit gibt und man auch besonders innovative und risikoreiche Projekte umsetzen kann, für die es schwierig sein kann, Funding zu akquirieren. Damit hat man eine Basis, mit der man sehr ambitionierte Forschung betreiben kann.

Der zweite Teil sind Projektmittel, die kompetitiv eingeworben werden müssen, über nationale und internationale Stiftungen und Förderprogramme. Generell haben Politik, Verwaltung und Forschungsorganisationen in Österreich in den letzten 20 Jahren sehr viel richtig gemacht, weshalb sich auch die Qualität der Forschung im Vergleich zu anderen Ländern Europas massiv verbessert hat. Darauf gilt es jetzt aufzubauen.

Viele junge Forscherinnen und Forscher geben auf, weil sie es nicht schaffen, die notwendige Finanzierung zu generieren. Was braucht es, um so wie Sie erfolgreich zu sein?

Eine Portion Glück gehört sicher dazu - aber man kann durchaus etwas dafür tun, dass es einen findet. Ich hatte immer sehr gute Mentoren, die unglaublich an mich geglaubt und die mir Möglichkeiten eröffnet haben. Ich habe ein gutes, internationales Netzwerk. Und nicht zuletzt haben auch meine Kolleginnen und Kollegen am IMP einen ganz wesentlichen Anteil an meinem Erfolg.

Sie haben sich ja schon sehr früh mit dem Thema Resistenzen beschäftigt. Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen?

Auslöser dafür war ein Schlüsselereignis: Ich war auf einer AACR-Konferenz, einer der größten internationalen Krebskonferenzen und die Stimmung war unglaublich elektrisierend. Wir sahen die ersten Erfolge mit zielgerichteten Therapien.

Gleichzeitig wurde aber deutlich, dass für ganz viele dieser Patientinnen und Patienten im Endeffekt dieser Therapieerfolg nur von kurzer Dauer sein wird. Ich erinnere mich an einen Patienten mit metastasiertem Hautkrebs, der mit zielgerichteten Therapien behandelt worden ist. Nach nur wenigen Wochen waren alle Metastasen scheinbar weg, aber ein paar Monate später kamen sie zurück. Und da war für mich ganz klar, ich möchte an Resistenzen arbeiten. Das war eine ganz intuitive Entscheidung.

Danke für das Gespräch!

Über Anna Obenauf

Anna Obenauf, PhD studierte Molekularmedizin an der Universität Graz, und promovierte an der Medizinischen Universität Graz. Danach forschte sie als Postdoc am angesehenen Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York. Seit 2016 leitet Anna Obenauf eine von aktuell 13 Forschungsgruppen des IMP am Vienna BioCenter.

Für ihre Arbeit hat Anna Obenauf bereits mehrere Auszeichnungen erhalten. So erhielt sie etwa im Jahr 2015 einen ASCINA-Award der Vereinigung „Austrian Scientists and Scholars in North America“. 2017 und 2023 folgten mit einem Starting Grant und einem Consolidator Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) mit bis zu 1,5 Mio. Euro bzw. bis zu zwei Mio. Euro dotierte Förderpreise.

2021 wurde Obenauf in das „Young Investigator Programme“ der European Molecular Biology Organisation (EMBO) aufgenommen. 2022 wurde sie zum Vollmitglied von EMBO gewählt. Seit einigen Jahren ist Obenauf auch Mitglied der „Jungen Akademie“ der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin CliniCum onko