RNA – Informationsträger und Regulator
Lange Zeit galt die RNA als reiner Informationsüberträger zwischen DNA und Ribosomen. Die molekularbiologische Forschung erkennt aber immer deutlicher, dass RNA-Moleküle eigentlich viel mehr können als das. Eine der jungen Protagonistinnen auf diesem Gebiet ist Ines Fößl. Sie beschäftigt sich an der MedUni Graz mit Knochenstoffwechsel, speziell mit microRNAs als Biomarker im Zusammenhang mit Osteoporose. (CliniCum 6/19)
Sie absolvieren derzeit ihr PhD-Studium an der MedUni Graz, Universitätsklinik für Innere Medizin, Klinische Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie. Was hat Sie als Molekularbiologin hierher verschlagen?
Fößl: Das war ein spannender Weg. Ich komme ja aus einer ganz anderen Richtung. Meine Masterarbeit habe ich im Labor von Prof. Frank Madeo gemacht, der in der Grundlagenforschung zu Alterungsprozessen bzw. der Langlebigkeitsforschung weit über Graz hinaus etabliert ist. Mein Master-Thema war Lipid-Toxizität, eine extrem grundlagenforschungsorientierte Arbeit. Diese hat mich dann auch für ein paar Monate nach Berlin zu Prof. Stephan Sigrist geführt, wo ich im Wesentlichen Langlebigkeitsversuche an Fruchtfliegen durchgeführt habe. Solche Forschungen sind absolut relevant, weil man erfährt grundlegende Stoffwechselvorgänge. Mir persönlich hat dabei aber ein bisschen der direkte Bezug zum Menschen gefehlt. Ich bin nämlich immer schon menschen- und klinikaffin gewesen, daher habe ich mich dann der medizinischen, klinischen Forschung zugewandt.
Zum Glück bin ich dann in der Abteilung meiner Mentorin Barbara Obermayer-Pietsch an der MedUni Graz gelandet. Hier habe ich im Oktober 2016 mit dem PhD-Studium angefangen. Und ich muss sagen, es war eine gute Entscheidung, ich bin hier angekommen. Jetzt gehe ich aber in wenigen Tagen für ein halbes Jahr zur Forschungsgruppe von Braam van der Eerden nach Rotterdam. Van der Eerden betreibt Grundlagenforschung im Bereich Zellkultur in Knochenzellen. Ich möchte in Rotterdam untersuchen, was die microRNAs, an denen ich forsche, konkret in den Knochenzellen machen. Bis jetzt habe ich die microRNAs systemisch gesucht, also im Blut der Patienten. Jetzt will ich sehen, was diese microRNAs tatsächlich an Knochenzellen machen. Dafür kann ich Osteoblasten- und Osteoklasten-Zelllinien verwenden, die in Rotterdam bereits etabliert sind.
Warum braucht die Medizin eigentlich Molekularbiologen?
Ich will diese Frage anhand eines Beispiels beantworten: In meinem Spezialgebiet Osteoporose gibt es eine ganze Reihe von Medikamenten, die im klinischen Alltag zwar gegeben werden, deren genauer Wirkmechanismus aber noch gar nicht so klar ist. Das versuchen wir herauszufinden, denn je besser man die Zusammenhänge versteht, desto präziser kann ein Medikament eingesetzt werden. Gleiches gilt für die Osteoporose selbst: Sie wird zwar klinisch behandelt, aber wir verstehen noch nicht einmal genau, wie sie überhaupt funktioniert. Je besser wir das verstehen lernen, desto optimaler kann ich auch dagegen ankämpfen. Für all diese Fragen braucht es die Grundlagenforschung.
Gehen wir noch einen Schritt zurück: Molekularbiologin ist kein klassischer Berufswunsch in der Jugend. Wie sind Sie darauf gekommen?
Ehrlich gesagt eher zufällig. Meine Lieblingsfächer in der Schule waren Chemie und Biologie. Dann bin ich irgendwann auf der Uni gestanden und wusste nicht genau, was ich inskribieren soll – und dann habe ich Molekularbiologie in das Formular geschrieben.
Und es nie bereut?
Oh doch, sehr oft sogar. Für mich war das Studium anfangs extrem schwer, eine Zeit des Haderns. Ich hätte beinahe abgebrochen. Ich habe aber gelernt, mich durchzubeißen und durchzuhalten. Irgendwann später im Studium habe ich dann erst gewusst, warum das gut so war.
Sie haben während des Studiums immer gearbeitet, zum Teil mit sehr unterschiedlichen Gruppen von Menschen, u.a. als Ballett-Trainerin oder Barkeeperin. Helfen Ihnen diese Erfahrungen in Ihrer heutigen Forschungstätigkeit?
Ja, vor allem die Menschenkenntnis und der Umgang mit ganz unterschiedlichen Menschen. Wir arbeiten mit vielen Partnern zusammen, vernetzen uns, präsentieren unsere Arbeit auf Kongressen. Je besser man kommuniziert, desto besser findet man sich in der internationalen Community zurecht, desto besser kann man sich auch vernetzen.
Apropos Forschung: Womit beschäftigen Sie sich aktuell?
Meine PhD-Arbeit beschäftigt sich mit den microRNAs als Biomarker, ein relativ junges und extrem spannendes Forschungsfeld in der Biochemie. RNAs sind im Wesentlichen bekannt als mRNA (red. Anm.: für „messenger RNA“), also als reine Informationstransporteinheit von der DNA zum Protein. Inzwischen gelangen wir aber immer mehr zur Erkenntnis, dass es die RNA nicht nur als Botenmolekül, sondern auch als Regulationsmolekül gibt. Es handelt sich dabei um andere Typen der RNA, unter anderem eben die microRNAs. Das sind kurze RNA-Stücke, die an die mRNA binden und in der Folge deren Regulation übernehmen, indem sie deren Abbau entweder beschleunigen oder sie in seltenen Fällen auch stabilisieren können. Viele Evolutionstheorien gehen sogar davon aus, dass es sich dabei um die ursprüngliche Form der Regulation gehandelt hat und sich die Expressionsregulation über Proteine evolutionär erst später entwickelt hat. RNA kann also eigentlich alles: RNA kann Daten speichern, RNA kann Daten transportieren und sie kann regulieren. Letzteres gilt offensichtlich besonders stark für die Entwicklung knochenbildender Zellen. Deshalb suche ich auf dieser Ebene nach Biomarkern.
Sie sind in der Vereinigung MuSkITYR (red. Anm.: MusculoSkeletal Interdisciplinary Translational Young Researchers), junge Wissenschaftler in der muskuloskelettalen Forschung, aktiv. Womit beschäftigen Sie sich da konkret?
Ja, ich bin sogar Gründungsmitglied. Eine Gruppe junger Wissenschaftler aus der muskuloskelettalen Forschung hat vor ca. zwei Jahren damit gestartet, die vielen medizinischen Disziplinen, die sich mit den Themen Skelett, Muskulatur und Bewegungsapparat beschäftigen – von der Orthopädie über die Unfallchirurgie und Endokrinologie bis hin zur Hämatologie, die sich mit dem Knochenmark beschäftigt –, auf einer Plattform zu vernetzen. Interdisziplinarität wird zwar immer großgeschrieben, im klinischen und wissenschaftlichen Alltag funktioniert sie aber oft nicht gut. Unser Ziel ist es daher, dass die nächste Generation der Kliniker und Wissenschaftler diese Trennung der einzelnen Disziplinen nicht mehr so stark empfindet und enger zusammenwächst.
In einem ersten Schritt haben wir uns auf den deutschsprachigen Raum fokussiert, haben schon an die 100 Mitglieder, sind stark im Wachsen. Mittelfristig soll die Initiative europaweit und irgendwann vielleicht auch weltweit ausgebaut werden. Wir haben damit begonnen, eine Datenbank mit der Expertise aller Mit glieder aufzubauen, und organisieren eigene Sessions auf internationalen Kongressen. Die Vorträge sollen dabei so verständlich gestaltet werden, dass sie auch für Spezialisten aus anderen Disziplinen verständlich sind. „Einfacher“ nicht im Sinne von unwissenschaftlich, aber so erklärend, dass zum Beispiel ein Orthopäde den Molekularbiologen verstehen kann und vice versa. Das funktioniert eigentlich ziemlich gut.
Internationalität und Vernetzung sind Ihnen offensichtlich wichtig. Wenn Sie Ihre Arbeits- und Rahmenbedingungen bzw. Ihre persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten in Österreich mit anderen Regionen vergleichen, wie fällt der Vergleich aus?
Für mich ist Österreich ein fantastischer Forschungsstandort, vor allem hier an der MedUni Graz mit ihren neuen Facilities. Wir sind zwar klein, haben aber infrastrukturell und technisch sehr viel zu bieten. Die Bedingungen für Wissenschaftler in Graz sind also gut – wenn ich es zum Beispiel mit meinem Aufenthalt in Berlin vergleiche. Wenn man sich zusätzlich international gut vernetzt und auf Kongresse fährt, dann kann man meiner Meinung nach in Österreich gute Forschung betreiben.
Haben Sie dann vor, in Österreich zu bleiben, oder orientieren Sie sich eher international?
Ich bin grundsätzlich gerne hier, fürchte mich aber auch nicht wegzugehen. Wenn es die Möglichkeit gibt hierzubleiben, wenn ich eine Stelle bekomme, eine entsprechende Finanzierung, wenn also die Rahmenbedingungen passen, dann bleibe ich sehr gerne. Ich muss aber nicht.
BioBox Ines Fößl
Ines Fößl, MSc, BSc, wurde 1987 in Graz geboren. Ihr Bachelor- und Masterstudium in Molekularbiologie absolvierte sie an der Karl Franzens Universität Graz. Sie präsentierte ihre Forschungsergebnisse in Form von Posters und Vorträgen auf internationalen Kongressen, u.a. am ECTS (European Calcified Tissue Society), ECE (European Congress of Endocrinology) oder der ÖGES (Österreichische Gesellschaft für Endokrinologie und Stoffwechsel). Seit Oktober 2016 forscht Fößl an der Universitätsklinik für Innere Medizin, klinische Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie der MedUni Graz, wo sie sich auf Knochenstoffwechsel und microRNAs spezialisiert hat. In mehreren laufenden Projekten in Kollaboration u.a. mit der Universitätsklinik für Zahnmedizin und Mundgesundheit sowie der Universitätsklinik für Orthopädie und Traumatologie forscht sie an Osteoporose und den dadurch bedingten Veränderungen im Knochen. Derzeit absolviert sie im Zuge ihrer PhD-Arbeit einen sechsmonatigen Forschungsaufenthalt in Rotterdam.
kurz & spontan
Forscherin bin ich geworden, weil … ich immer schon so neugierig war. Ich habe schon meine Eltern andauernd mit Fragen gelöchert – über die alltäglichsten und die verrücktesten Dinge. Das ist mir geblieben. Mein Freund sagt immer: Du musst immer alles wissen, immer alles nachfragen. Ich antworte ihm dann: Ja, das ist mein Beruf.
Der vermutlich größte Fortschritt in meinem Fachgebiet wird bis 2030 sein … dass wir tatsächlich besser verstehen, wie die einzelnen Knochenbestandteile – vom Knochenmark über die Knochen- und Fettzellen, Blutgefäße bis hin zur Matrix, also dem Calcium-Hydroxylapatit- Gerüst – miteinander kommunizieren und interagieren.
Meine Work-Life-Balance sichere ich durch … Sport. Wenn ich nicht mindestens zweimal pro Woche zum Sport komme – meist in den Ballettsaal, weil ich tanze, seit ich drei Jahre war, dazu manchmal laufen, Rad fahren –, dann merke ich schnell, dass es mich zu nerven beginnt. Mein Motto lautet: Ein Tag Wochenende im Monat ist mir genug. Wenn es weniger wird, wird es aber kritisch.
Dieses Buch liegt auf meinem Nachttisch: „Game of Thrones“. Das liegt schon lang da, ich bin aber immerhin schon bei Teil 5. Meine Freunde schauen alle, ich wollte es lieber lesen.
Oper oder Rockkonzert? Zuletzt habe ich gehört: Zuletzt war ich im Ballett in Ljubljana und habe „Giselle“ von Adolphe Adam gesehen. Sonst kann man mich aber in beiden Genres antreffen. Letztes Jahr war ich zum Beispiel beim Nova Rock.
Das nächste freie Wochenende … schlafe ich aus – und dann raus in die Natur zum Auslüften. Das macht glücklich.