21. März 2019

Können Psychopharmaka Rezidive reduzieren?

David Pereyra absolviert gerade das letzte Jahr des Medizinstudiums, ist mit seiner Forschung aber schon jetzt höchst erfolgreich. Als „Youngstar“ fühlt er sich dennoch nicht, denn vor allem in der Klinik warte auf ihn noch vieles, das man in keinem Journal lernen kann. (krebs:hilfe! 1–2/19)

Pereyra: „Klinik ist Wissen, das ohne Verzögerung da sein muss. – Das ist schon herausfordernd.“

2018 erhielt Pereyra den Preis der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgische Onkologie (ACO-ASSO). Der 24-Jährige macht gerade sein klinisch-praktisches Jahr an der MedUni Wien, forscht aber bereits seit seinem zweiten Studienjahr in der Arbeitsgruppe von Assoz.-Prof. Dr. Patrick Starlinger. Während Serotonin primär als positiver Faktor für die Leberregeneration angesehen wurde, zeigte die prämierte Arbeit nun, dass Patienten mit sehr hohen Serotonin-Leveln nach einer Leber-Teilresektion vermehrt Frührezidive innerhalb des ersten postoperativen Jahres entwickeln (J Hepatol 2017; 67(6): 1243–52).

Regeneration vs. Onko-Outcome

Nun will Pereyra herausfinden, ob sich das therapeutisch nutzen lässt. Und tatsächlich könnte die Senkung des Serotonin-Levels mit Serotonin-Re-Uptake-Inhibitoren (SSRI) einen Effekt auf das onkologische Outcome haben. Das geht aus einer retrospektiven Analyse hervor, die der Forscher beim Kongress des American College of Surgeons vorstellte (JACS 2018; 227(4): S180). „Dieses Ergebnis war sehr unerwartet. SSRIs sind gängige Medikamente in der Psychiatrie und vor allem bei onkologischen Patienten oft in Verwendung. Tatsächlich wäre Serotonin somit ein interessantes Target zur Modifikation des Outcomes bei dieser Patientengruppe. Der nächste Schritt wäre nun eine prospektive Studie.“

Den Einfluss von SSRIs auf die Rezidivrate erklärt Pereyra folgendermaßen: „Man würde meinen, SSRIs erhöhen das Serotonin, das als Wachstumsfaktor auf den Tumor wirkt. Aber in den Plättchen – und darauf kommt es an – werden die Serotonin-Levels durch die Gabe der Wiederaufnahmehemmer drastisch reduziert. Dadurch stehen den verbleibenden Tumorzellen wahrscheinlich weniger Wachstumsfaktoren zur Verfügung, was die Reduktion der Frührezidive erklären würde.“ Auf der anderen Seite ist Serotonin auch ein Wachstumsfaktor für Leberzellen und wahrscheinlich einer der ersten Faktoren, die in der plättchengesteuerten Leberregeneration wichtig sind. „Wenn präoperativ das Serotonin niedrig ist, dann ist die Leberregeneration und somit das direkt postoperative Outcome schlecht. Wenn es zu hoch ist, erholt sich die Leber zwar gut, aber das onkologische Outcome ist schlechter.“

Mentalität des Machens

Ob Pereyra mit dem Medizinstudium alleine nicht ausgelastet ist? Zumindest im ersten Studienjahr habe er sich ein bisschen unterfordert gefühlt, weil es viel um Grundlagenwissen ohne direkten Bezug zur Materie ging. „Ich hatte viele Diskussionen mit Freunden, ob es die richtige Wahl ist.“ Nach einem Sommer Chirurgie-Famulatur in einem Südtiroler Krankenhaus war dann die Entscheidung für die Medizin und auch für die Chirurgie gefallen. „Ich durfte viel machen, mir wurde viel gezeigt. Das fand ich echt schön, z.B. auch bei den ersten Nähten zu sehen, dass das eigentlich gut von der Hand geht. Danach habe ich eine Dauerfamulatur hier an der Klinik gemacht und dabei Patrick Starlinger kennengelernt. Er hat mich vom ersten Tag an optimal gefördert und ist als Mentor sicher einzigartig: auf der einen Seite ein Stimmungsmacher und grundlegend motivierend, auf der anderen Seite ein Experte in seinem Feld, ohne dabei neuen Ideen gegenüber voreingenommen zu sein.“ Über die Arbeit im Verbund der Chirurgischen Forschungslaboratorien der Medizinischen Universität Wien gelang dem jungen Studenten dann sehr früh der Einstieg in die medizinische Wissenschaft, wobei Pereyra betont, dass der Rückenwind, den er vonseiten der Chirurgischen Forschung erfährt, eine große Bereicherung und Motivation für ihn darstellt.

Neben der Tatsache, dass sich die Chirurgie besser mit der Molekularbiologie kombinieren lässt, als man annehmen würde, mag Pereyra auch die Mentalität unter den Chirurgen: „Es geht ums Machen und eben nicht nur ums Operieren. Es gibt ein Therapiekonzept, das man durch das eigene Zutun vorantreiben kann und damit einem Patienten im besten Falle ein besseres Leben ermöglicht.“ Pereyra, der sich als zukunftsorientiert beschreibt und schon als Volksschüler der Uni entgegenfieberte, kommt diese Mentalität entgegen. Auch was die Forschung anbelangt, denkt er voraus. „Es ist mir wichtig, dass ich mich irgendwann auf einem Gebiet selbst verwirklichen kann. Die Selbstverwirklichung in Projekten und Ideen auf einem professionellen Level ist das, was ich an der Forschung am attraktivsten finde.“

Lernen abseits der Lehrbücher

Die größte Herausforderung für den Forscher ist derzeit die „Klinik“. „Während ich in meiner Zeit im Labor zwar steten Kontakt zur Klink hatte, habe ich vergleichsweise wenig direkt am Patienten gearbeitet. Genau das ist anders als im Labor, wo man Zeit hat nachzudenken und nachzulesen. Die Klinik ist Wissen, das da sein muss, und zwar nicht nur theoretisches, sondern viel Wissen, das auf Erfahrung beruht.“ Gleichzeitig sei es sehr spannend, die klinische Perspektive in Bezug auf den Menschen hinter dem “Patienten“ zu sehen. „Egal, ob Ambulanz oder OP, es ist ein anderes Geschehen als das, was man aus dem Lehrbuch kennt. Ich merke, dass eine emotionale Komponente dazukommt, die ich während des Studiums nicht hatte.“ Pereyra erinnert sich an den ersten Patienten, der in seinem Beisein gestorben ist. „Mir war nicht klar, dass er so bald sterben wird. Ich habe gemerkt: Das ist jetzt nichts, das ich aus irgendeinem Paper oder Journal lernen könnte. Und ich bin mir klar darüber, dass da noch viel kommen wird, das es zu lernen und zu erfahren gilt.“

Aber auch das System Krankenhaus könnte aus Pereyras Sicht noch lernen. Denn gerade in der Routine und im Versuch, alles korrekt zu machen, gehe manchmal der Blick auf den einzelnen Patienten verloren. „In der Forschung ist ,personalized medicine‘ ein großes Thema und ich glaube, es wird auch in der Klinik noch viel personenbezogener, individueller und persönlicher werden. Denn am Ende ist es das, worum es geht. Klinik ist definitiv der Grundstein.“

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