23. Juni 2022Diese Medikamente dürfen auf Reisen nicht fehlen

Weltenbummler richtig ausstatten

Die Reiseapotheke ist schon vor Jahrhunderten ein wichtiger Ferienbegleiter gewesen. Aber ist in unserer globalisierten Welt das Extra-Täschchen im Gepäck noch nötig? Welche Arzneimittel man Patientinnen und Patienten empfehlen sollte, variiert je nach Art und Ziel der Reise.

Ein Reiseapotheke-Beutel mit diversen Medikamenten, Pflaster sowie einem Mini-Liegestuhl aus Holz vor weissem Hintergrund
iStock/Davizro

Das pharmazeutische Rundum-sorglos-Paket sollte individuell zusammengestellt werden.

Laut WHO sind weltweit etwa 10% der Medikamente gefälscht oder liegen unter dem Qualitätsstandard. Betroffen sind insbesondere hochpreisige oder absatzstarke Präparate wie Antimalaria­mittel, Antibiotika oder Analgetika. Deren Fälschungsanteil liegt bei bis zu 40%. Vor allem in Ländern mit niedrigem Einkommen kommt es öfter zu Betrug. Daher sollte man nicht nur chronisch Kranken, sondern auch seinen gesunden Patientinnen und Patienten zur Mitnahme einer Reise­apotheke raten. Und was muss rein? Das kommt ganz auf den Trip an, erklärt Dr. Stefan Sieh, niedergelassener Internist aus Frankfurt.

Die allgemeine Grundausstattung sollte sich an häufig auftretenden (Reise-)Krankheiten orientieren. Dabei ist es wichtig, auch auf mögliche Wechselwirkungen mit regelmäßig eingenommenen Medikamenten zu achten. Ein Fragebogen mit den wichtigsten Informationen zur Reise und möglichen Vorerkrankungen der Patientin bzw. des Patienten kann dabei helfen, schnell einen umfassenden Eindruck zu bekommen. Auch der Impfstatus sollte dabei erhoben werden.

Schmerz und Fieber

Um bei Infekten und Schmerzen (symptomatisch) behandeln zu können, sollte die Reiseapotheke in jedem Fall Paracetamol (500mg) oder Ibuprofen (800mg) beinhalten. ASS wird dagegen eher nicht empfohlen, u.a. weil man sich mancherorts mit hämorrhagischem Fieber anstecken kann.

Reisediarrhö

Für die Selbstbehandlung von Reise­diarrhö sollten Urlauberinnen und Urlauber ebenfalls gerüstet sein. Dabei müssen sie zwei Fälle unterscheiden:

  • leichte Diarrhö mit der Möglichkeit, sich für ein paar Tage zu erholen: Hier reichen für gewöhnlich Ruhe, genügend Flüssigkeit und Elektrolyte. Bei der Symptomlinderung helfen Racecadotril (1000mg) oder Tannin­albuminat. Loperamid (2mg) wird hingegen nur empfohlen, sofern keine invasiven bakteriellen Enteritiden vorliegen, da sich diese bei fehlender Darmmotilität weiter ausbreiten können.
  • schwerer Verlauf bzw. leichte Diarrhö bei straffem Reiseprogramm (z.B. Trekking): Auf schwerere Verläufe sollte man neben der Rehydrierung mit Antibiotika reagieren. Dabei rät Sieh zunächst zu einer Einmaldosis Azithromycin (500mg oder 1000mg). Rifaximin und Rifamycin (zweimal 400mg für drei Tage) können ebenfalls zum Einsatz kommen, helfen aber nicht bei Dys­enterie. Nicht geeignet sind Gyrasehemmer aufgrund ihrer starken Nebenwirkungen und der weitverbreiteten Resistenzen. Die Therapie kann mit Loperamid oder Racecadotril ergänzt werden.

Übelkeit

Im Falle einer Diarrhö mit Übelkeit wäre die Patientin bzw. der Patient mit Metoclopramid (10-mg-Tablette) gut versorgt. Das gilt allerdings nur, wenn keine Malariaprophylaxe mit Atovaquon erfolgt, da MCP dessen Plasma­konzentration um 50% verringert. Eine Alternative zu MCP bietet Dimenhydrinat (50mg) – am bes­ten in Tablettenform, um ein Schmelzen der Zäpfchen bei hohen Temperaturen zu vermeiden. Es wirkt gegen Übelkeit, Emesis und Reisekrankheit, verringert aber die Schweißsekretion. Gegen Reise-/Seekrankheit können die Patientinnen und Patienten auch Scopolamin-Pflaster (1,5mg) mitführen. Sowohl Dimenhydrinat (ab 50mg) als auch Scopolamin vermindern aber das Reaktionsvermögen (Cave: Tauchferien).

Übliche Wehwehchen

Butylscopol­amin (10mg) hilft den Patientinnen und Patienten bei Bauchkrämpfen – inklusive Periodenschmerzen. Bei hartnäckige Verstopfungen ist Bisacodyl oder Natriumpicosulfat eine Option. Der an die jeweilige Region und den persönlichen Hauttyp an­gepasste Mücken- und Sonnenschutz darf in ausreichender Menge im Koffer ebenfalls nicht fehlen. Achten Sie dabei auf die Inhaltsstoffe: viele Produkte enthalten Chemikalien wie Oxybenzon, das schädlich für Korallen ist.*

Infektionen

In einigen Gegenden kann es sinnvoll sein, Antibiotika griffbereit zu haben. Dr. Sieh empfiehlt Azithromycin (500mg), da es gegen viele Erreger, die beispielsweise Weichteilinfektionen, eitrige Atemwegsinfekte und Geschlechtskrankheiten auslösen, wirkt. Allerdings verlängert es die QT-Zeit und sollte daher nicht zusammen mit Medikamenten genommen werden, die einen ähnlichen Effekt haben. Bei Harnwegs­infekten eignen sich Fosfomycin (einmalig 3000mg), Trimethoprim (zweimal 150mg für drei bis fünf Tage) oder Nitrofurantoin (zwei- bis dreimal 100mg für fünf bis sieben Tage).

Fieberthermometer, Wundversorgung (Pinzette, Auflagen, Salben etc.), Injektionsset (je nach Region, siehe Kasten), kühlende oder hydrokortisonhaltige Cremes (bei Insektenstichen) sowie SARS-­CoV-­2-­Antigen-­Tests ergänzen die Reiseapotheke. Sind spezielle Aktivitäten geplant, kann die Grundausrüstung erweitert werden (siehe Tabelle).

23. Forum Reisen und Gesundheit

Tabelle: Welche zusätlichen Medikamente gehören bei sportlichen Aktivitäten in die Reiseapotheke