13. März 2024Pollensaison 2024

Starkes Pollenjahr – „nur mehr November wirklich pollenfrei“

Nach Hasel, Erle, Esche sollen nächste Woche schon die Birken blühen. „Dank“ Klimawandel legen viele Pflanzen einen Frühstart hin, was auch für Gräser, Beifuß, Ragweed erwartet wird. Künftig könnte auch der Ölbaum Probleme machen. Was heuer für Allergikerinnen und Allergiker wichtig ist – und wie sie der „Ambrosia-Hölle“ entkommen.

Pollen - Frühling
Alkimson/AdobeStock

Die bisherige Pollensaison sei eine „Achterbahn an Belastungen“ gewesen, sagt Dr. Markus Berger, Leiter des Österreichischen Polleninformationsdienstes, auf einer Pressekonferenz am 13.3.2024. Die Hasel blühte Ende Jänner/Anfang Februar, dann die Erle, die bis Anfang März stäubte. Die Erlenpollensaison bezeichnet Berger als durchschnittlich, „jedoch gab es außergewöhnlich hohe Belastungsspitzen gefolgt von geringem Pollenflug“.

Die Esche überraschte die Expertinnen und Experten heuer besonders. Sie begann mitunter bis zu einem Monat früher zu blühen, in Graz wurde der früheste Beginn überhaupt gemessen. In dieser Tonart geht es weiter: „Durch die milden Temperaturen erwarten wir auch einen verfrühten Start der Birke – aus heutiger Sicht in der dritten Märzwoche“, informiert Berger, für Wien wird der 22. März prognostiziert.

Ambrosia beendet, Purpurerle eröffnet Saison

Danach folge die Blüte der Gräser mit Ende April/Anfang Mai und voraussichtlich ähnlich stark wie bereits im Vorjahr. Die Beifußblüte könnte Ende Juli starten und Ragweed (Ambrosia, Traubenkraut) Anfang August. Letzteres blühe bis in den Herbst hinein und beende die Pollensaison – kurz bevor die Purpurerle im Dezember wieder den Weihnachtsfrieden störe.

Damit dauere die Pollenzeit zumindest im Osten Österreichs bereits rund 300 Tage. „Nur mehr der November ist wirklich pollenfrei“, sagt Mag. Dr. Helmut Zwander, wissenschaftlicher Leiter des Pollenwarndienstes des Landes Kärnten. Die Ursachen für immer mehr Tage mit belastendem Pollenflug würden mit der globalen Erwärmung zusammenhängen.

„Die milden Wintertage fördern einen frühen Beginn der Pollensaison und lassen Pflanzen bis in den späten Herbst hinein blühen“, erklärt Zwander, dazu kämen Neophyten. Die im pannonischen Tiefland angebauten Olivenhaine könnten wahrscheinlich in nicht allzu ferner Zukunft für Belastungen bei Menschen sorgen, die auf den Pollen von Ölbaumgewächsen sensibilisiert sind.

Götterbaum aus China verbreitet sich

Auch der aus China stammende Götterbaum verbreite sich in Österreich. Da dieser vorwiegend von Insekten bestäubt werde, müsse man nur lokal mit relevantem Pollenflug rechnen. Für eine gute Pollenprognose seien „aerobiologisches Wissen und Erfahrung“ wichtig, denn jedes Jahr habe sein „eigenes Gesicht“ und variiere wetter- sowie vegetationsbedingt. „Auch die Luftverschmutzung hat Einfluss auf die Symptomstärke“, sagt Zwander, „der Blick auf den statischen Pollenkalender allein reicht also nicht mehr aus!“

Auch die „Flucht in die Berge“ gelte leider nicht mehr, so Zwander. Im Gegenteil: In 1.500–2.200m Seehöhe würden zu gewissen Zeiten höhere Belastungen, vor allem bei Gräserpollen, gemessen, da die wärmeren Temperaturen auch Auswirkungen auf Alpinpflanzen haben – sie produzieren mehr Pollen. Verblüfft habe ihn, dass in den Nockbergen in 1.800m Seehöhe sogar höhere Ambrosia-Belastungen gemessen wurden als in den Tälern. Dies sei auf große Umwälzungen von Luftmassen, u.a. aus Ungarn und Slowenien zurückzuführen.

Ambrosia-Bestände weiten sich aus

Was das Unkraut Ragweed betrifft, gibt es einige Regionen, die Zwander als „Ambrosia-Hölle“ bezeichnet. Dazu zählen etwa Weizelsdorf in Kärnten, die Südost-Steiermark und das Burgenland. Menschen mit Ambrosia-Allergien sollten ihre Freizeitgestaltung danach planen. Die Belastungen werden Zwander zufolge noch zunehmen, da sich die Ambrosia-Bestände ausweiten.

Angesichts dieser Entwicklungen werde das Service des Österreichischen Polleninformationsdienstes für Menschen mit Pollenallergien immer wichtiger. Für heuer präsentiert Berger wieder einige Neuerungen. Dazu zählt ein neues Modell in Kooperation mit PASYFO und Copernicus, das noch individueller auf die Situation des einzelnen Allergikers zugeschnitten ist: Das Update verwendet zu den lokalen Pollen- und Symptomdaten der User nun auch Wetterdaten und berechnet den Einfluss von Ozon, SO2, NO2 sowie Feinstaub. Ein „Goodie“ sei auch eine Europakarte etwa für Urlaube. Derzeit gebe es schon aktuelle Daten für Frankreich und Deutschland.

Neue Services: Neue Seite, neue Landing-Page

Als zweite große Neuheit des Jahres stellt Berger den neuen Aufbau der Vereinswebsite www.polleninformation.at vor: Durch interaktive Elemente (Widgets) kann man sich die Startseite personalisiert für die eigenen Bedürfnisse einstellen. Derzeit stehen 13 dieser Widgets zur Auswahl, darunter der aktuelle Pollenflug, das Allergierisiko, das Pollen-Tagebuch, die Belastungskarte für Österreich und umliegende Länder, Asthmawetter etc.

Neu ist auch die zentrale Landing-Page www.allergie.at in Kooperation mit der Patientenplattform IGAV – Interessensgemeinschaft Allergenvermeidung. Mit nur einem Mausklick erhalten Allergikerinnen und Allergiker schnell und einfach Zugriff auf wichtige Informationen und gesichertes Wissen. Durch Verlinkungen gelangt man rasch auf die jeweils andere Seite.

Berger verweist zudem auf den neuen Podcast „Hörgang Blütentalk“, wo er und andere Expertinnen und Experten über die Pollensaison sprechen. Ein weiterer neuer Kooperationspartner ist das deutsche Start-up breathy-health GmbH, das die App „breazyTrack“ entwickelt hat. Dieser digitale Asthma-Assistent fürs Smartphone unterstütze jetzt auch Menschen mit Asthma in Österreich dabei, „ein aktives und selbstbestimmtes Leben ohne Atemnot und Anfälle zu führen“, sagt Andreas Thom, Co-Gründer und Geschäftsführer des Startups.

Österreichische Lungenunion vertritt 3,5 Millionen Menschen

Auch die Selbsthilfe habe einen unbestritten hohen Stellenwert bei chronischen Erkrankungen. Die Österreichische Lungenunion (ÖLU) stehe Menschen mit Atemwegserkrankungen seit knapp 40 Jahren zur Seite. Sie informiere, unterstütze bei alltäglichen Herausforderungen und Behördenanliegen, biete Schulungen an und vertrete die Interessen von 3,5 Millionen Betroffenen auf nationaler sowie auf EU-Ebene.

„Die Ergebnisse dieses Engagements sind eine höhere Gesundheitskompetenz und ein besseres Selbst-Management der Patientinnen und Patienten“, sagt ÖLU-Präsidentin Gundula Koblmiller, MSc. Dies bringe einen besseren Therapieerfolg, da Betroffene nicht gleich ihre Medikamente z.B. bei möglichen Nebenwirkungen absetzen würden. Dazu kämen eine höhere Lebensqualität und auch geringere Kosten für das Gesundheitssystem.

„Ganz wichtige Helfer“ in der Behandlung

Services wie der Pollenwarndienst, die IGAV und die ÖLU seien „ganz wichtiger Helfer“ in der Behandlung von Allergie-Patientinnen und -Patienten, betont Prim. Priv.-Doz. Dr. Fritz Horak, Ärztlicher Leiter des Allergiezentrums Wien West. Wenn Patientinnen und Patienten „gut informiert“ zu Ärztinnen und Ärzte kommen, sei es leichter möglich, „dass sie ärztliche Empfehlungen richtig einordnen und ihre Behandlung noch besser aktiv mitgestalten können“. Auch Horak spricht die höhere Therapietreue von informierten Patientinnen und Patienten an.

Schätzungen zufolge leiden in Österreich rund 1,5–2 Millionen Menschen an einem „Heuschnupfen“, der durch Pollen hervorgerufen wird. „Etwa 75% der Kinder, die an einer Pollenallergie leiden, behalten diese auch im Erwachsenenalter“, weiß Kinderlungenarzt Horak. Dazu komme, dass der vermeintlich harmlose allergische Schnupfen der wichtigste Wegbereiter für allergisches Asthma sei.

3 Säulen in der Behandlung

Umso wichtiger sei die Früherkennung und adäquate Behandlung, „dafür steht heute eine Palette an ausgezeichneten Möglichkeiten zur Verfügung“. Die Therapie fuße auf 3 Säulen: Allergenvermeidung (Pollenschutzgitter an den Fenstern, Luftreiniger im Wohnraum und vor allem den Pollen möglichst aus dem Weg zu gehen), symptomatische Therapie (Antihistaminika und Kortison) und die Allergen-spezifische Immuntherapie (AIT).

Die AIT ist die einzige kausale Therapie, sagt Horak, die auch sehr langfristig wirkt. Das krankmachende Allergen wird über einen Zeitraum von 3–5 Jahren in Form von Spritzen, Tropfen oder selbstauflösenden Tabletten zugeführt. Das Immunsystem lernt dadurch, die Allergie-Auslöser zu tolerieren.

Linktipps

www.polleninformation.at – Individuelle Pollenbelastung, Download Pollen+ App, Online-Selbsttest etc.
www.allergenvermeidung.org – Informationsplattform für Allergikerinnen und Allergiker
www.allergie.at – Einfach und rasch relevante Infos finden
www.pollenallergie.at – Service für Ärztinnen und Ärzte

Quelle: Pressegespräch „Pollensaison 2024: Fulminanter Start „dank“ Klimawandel“, Wien, 13.3.2024