Hörgeschädigte haben es in der Sprechstunde schwer
Ob Diabetes oder Hochdruck: Viele Erkrankungen werden bei Patienten mit akustischen Beeinträchtigungen oft lange Zeit übersehen. Dabei lassen sich Kommunikationsprobleme leicht beheben.
Das Spektrum akustischer Defizite reicht vom beeinträchtigten Sprachverständnis in lauter Umgebung bis zur vollständigen Ertaubung. Ein Teil der Betroffenen kommt mit Hörgeräten gut zurecht, manche tragen ein Cochlea-Implantat, andere sind auf Lippenlesen oder Gebärdensprache angewiesen.
Trotz allem klagen viele über Schwierigkeiten im Umgang mit medizinischem Personal, bei den Älteren sind das knapp 12%, schreiben Dr. Helen Grote vom Chelsea and Westminster Hospital in London und Kollegen. Ungenügende Aufklärung, Fehldiagnosen und mangelnde Therapietreue können die Folge sein, falls Betroffene überhaupt ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. So kommt es, dass 15% der Hörgeschädigten gar nichts von ihrem Bluthochdruck wissen, in der übrigen Bevölkerung liegt die Rate bei 6%.
Eine erste Hürde stellt oft schon die Vereinbarung eines Arzttermins dar. Zahlreiche Patienten kommen mit dem Telefon nur schlecht zurecht. Die Möglichkeit einer schriftlichen Anmeldung mittels Online-Service oder E-Mail hilft ihnen sehr. Betroffene sollten zudem schon vor der Konsultation gefragt werden, auf welchem Weg sie mit dem Arzt kommunizieren möchten. Bei Bedarf muss man vorab einen Gebärdensprach-Dolmetscher buchen, Familienangehörige eignen sich wegen des Rechts auf Privatsphäre eher weniger. In jedem Fall sollten Sie bei hörgeschädigten Patienten etwas mehr Zeit einplanen.
Heller Praxisraum mit wenig Nebengeräuschen
Für das Arztgespräch raten die britischen Kollegen, einen möglichst hellen Praxisraum mit wenig Nebengeräuschen zu wählen. Der ertaubte oder schwer hörgeschädigte Patient muss Ihr Gesicht und gegebenenfalls auch den Dolmetscher gut sehen können und darf nicht durch Gegenlicht (z.B. Fenster im Rücken) geblendet werden. Als Mund-Nasen-Schutz in Pandemiezeiten würden sich für diese Patienten durchsichtige Masken und Gesichtsvisiere, unter denen Mimik und Lippenbewegungen erkennbar bleiben, besser eignen. Ein Namensschildchen erleichtert beim ersten Aufeinandertreffen die Vorstellung.
Zu Beginn des Gesprächs fassen Sie am besten kurz zusammen, worum es gehen soll. Während der Unterredung empfiehlt es sich, den Patienten immer direkt anzuschauen (Augenkontakt) und weder auf den Bildschirm des Computers zu blicken noch sich zur Seite zu drehen oder den Dolmetscher anzusprechen. Wichtig: Sprechen Sie mit normaler Mimik und Gestik und gut hörbarer Stimme, schreien sie nicht. Denn hohe Lautstärke und übertriebene Lippenbewegungen erschweren das Ablesen vom Mund. Zum besseren Verständnis hilft es eventuell, Sätze zu wiederholen – bei Bedarf in anderer Formulierung. Diagramme, Bilder und schriftliches Material können die Vermittlung von Informationen erleichtern.
Vor geplanten Untersuchungen sollten Sie mit kurzen, klaren Worten und Gesten erklären, was Sie vorhaben und welchem Zweck diese Diagnostik dient. Das nimmt dem Patienten die Angst und sorgt dafür, dass der Dolmetscher genau versteht, worum es geht.
Eine E-Mail-Adresse für Rückfragen mitgeben
Die Gebärdensprache unterscheidet sich in ihrer Struktur stark von der gesprochenen, nicht für jedes Wort gibt es eine passende Geste. So kann es leicht passieren, dass Menschen, die primär Gebärden nutzen, schriftliche Informationen schlecht verstehen. Ein Dolmetscher wird beim Gebärden von Texten immer ein bisschen länger brauchen als bei gesprochenen Worten. Um Translationsfehler zu vermeiden, empfehlen die Autoren, die medizinischen Sachverhalte in einer einfachen Sprache zu erklären und Fachtermini ebenso zu vermeiden wie Jargon und Sprichwörter. Zur Sicherheit bitten Sie am besten den Patienten, zu erklären, was er verstanden hat. Außerdem raten die Kollegen dazu, ihm für etwaige Rückfragen eine E-Mail-Adresse mitzugeben.