Sulphoraphan – die Superkraft des Broccoli

fresh broccoli on wooden surface
Diana Taliun/AdobeStock

Sulphoraphan ist ein Isothiocyanat („Senföl“), das in verschiedenen Kreuzblütlergewächsen vorkommt. Besonders reich ist es in Broccoli und Broccolisprossen vorhanden. In der Pflanze liegt Sulphoraphan jedoch nicht frei vor, sondern wird in Form des Senfölglykosids Glucoraphanin gespeichert. In davon getrennten Zellen enthalten die Pflanzen das Enzym Myrosinase. Wird das Pflanzengewebe durch Fressfeinde beschädigt, kommt es zum Kontakt der beiden Substanzen. Die Myrosinase kann das Glykosid dann hydrolytisch zum Sulphoraphan abbauen, welches einen charakteristischen scharfen Geschmack hat. In der Ernährung geschieht derselbe Prozess beim Zerkleinern, Zubereiten oder Kauen des Lebensmittels.1

Das Enzym Myrosinase kann durch Kochvorgänge zerstört werden, sodass Sulphoraphan aus gekochtem Broccoli schlechter bioverfügbar ist.2 Auch in einer intakten menschlichen Darmflora ist Myrosinase vorhanden, die zum Aufschließen der Sulphoraphan-Vorstufe beitragen kann. Ist die Darmflora jedoch durch ungünstige Ernährungsweisen oder Erkrankungen beeinträchtigt, so dürfte auch die Myrosinase-Aktivität im Darm eingeschränkt sein und damit die Fähigkeit, Sulphoraphan freizusetzen.3

Sulphoraphan verfügt über viele positive Wirkungen, die Gegenstand der Forschung sind.1 Es gilt als potenter Aktivator des Nrf2-Signalwegs, wodurch die Produktion zellschützender Faktoren und Enzyme hochreguliert wird – unter anderem von Glutathion, NADPH, Superoxid-Dismutase oder Glutathion-S-Transferase. Sulphoraphan ist also in der Lage, die zelluläre Abwehr gegen oxidativen Stress hochzuregulieren – es wirkt daher vielfach komplexer und effektiver als ein direktes Antioxidans. Auf diese Weise wirkt Sulphoraphan indirekt stark antioxidativ, antiinflammatorisch und zellschützend.

Auch die schützende Wirkung von Sulphoraphan auf das Nervensystem hängt unter anderem mit der Aktivierung von Nrf2 zusammen.1 Seine neuroprotektiven Wirkungen wurden z.B. in Studien zu Morbus Parkinson, Morbus. Alzheimer, zu Schädel-Hirn-Traumata und neuroinflammatorischen Erkrankungen gezeigt (teils nur in Tiermodellen).1 Der Typ-2-Diabetes ist ein weiteres zukünftiges Anwendungsgebiet: Sulphoraphan reduziert die Gluconeogenese in der Leber und kann die Blutglucosespiegel und Langzeitzuckerwerte von Menschen mit Typ-2-Diabetes verbessern.4

Last not least gilt Sulphoraphan als Naturstoff mit Potenzial in der Vorbeugung und Therapie von Krebserkrankungen. Es ist schon lange bekannt, dass eine Ernährung, die reich an isothiocyanathaltigem Gemüse ist, das Risiko für mehrere Krebsarten senken kann (z.B. Lunge, Magen, Darm).2

In der Krebstherapie kann Sulphoraphan selektiv den Zelltod in Krebszellen induzieren, Histon-Deacetylase hemmen und die Krebszellen für eine Chemotherapie sensibilisieren. Es existieren Forschungsansätze zu verschiedenen Krebsarten (Brust, Prostata, Blasen, Pankreas, Nieren, Eierstock, Magen, Darm).1

Health Claims4

Es wurden noch keine Health Claims für Sulphoraphan definiert.

Steckbrief

Vorkommen

Sulphoraphan ist besonders reichlich in jungen Broccolisprossen und Broccoli vorhanden. Daneben ist es auch in anderen Kreuzblütlergewächsen wie Karfiol (Blumenkohl), Kohlsprossen (Rosenkohl), Grünkohl oder Rettich zu finden.

Mögliche Anwendungsgebiete

  • Prävention von Tumorerkrankungen, potenzielle Anwendung in der Krebstherapie (Lunge, Pankreas, Magen/Darm, Prostata, Blase)
  • Als Neuroprotektivum bei verschiedenen neurologischen Erkrankungen, z.B. bei Schädel-Hirn-Traumata, Schlaganfällen, Gehirnblutungen, M. Alzheimer, M. Parkinson und neuroinflammatorischen Erkrankungen
  • Als potentes indirektes Antioxidans

Praxistipps

  • Broccolisprossen enthalten etwa 10-mal mehr Senfölglykoside als der reife Broccoli (und sind daher auch reicher an Sulphoraphan).2
  • Verschiedenste Hersteller bieten Nahrungsergänzungsmittel mit Broccolisamenextrakt oder Broccolisprossenkonzentrat an. Zum Vergleich sollte der Gehalt an reinem Sulphoraphan beachtet werden (alternativ der Gehalt an Glucoraphanin und Myrosinase).
  • Keimende Broccolisprossen sollten zwischen Keimtag 2 und 12 verzehrt werden. Hier ist der Glucoraphaningehalt konstant hoch.2
  • Besonders empfehlenswert ist der Genuss von rohem, gut gekautem Broccoli: Dadurch werden Glucoraphanin und Myrosinase optimal freigesetzt und können miteinander unter Bildung von Sulphoraphan reagieren.2
  • Die Zubereitung von Broccoli ist entscheidend für die sekundären Pflanzeninhaltsstoffe: kleine Röschen schneiden, um die Garzeit zu verringern, Dämpfen statt Kochen, Kochen nur kurz und mit wenig Wasser, Kochwasser weiterverwenden, keine Mikrowelle.2

Im Wechselspiel

Thiocyanate gelten als goitrogene (kropfbildende) Substanzen, da sie mit Jod um die Aufnahme in die Schilddrüse konkurrieren können.5 Dies dürfte aber nur bei sehr einseitigen Diäten zum Tragen kommen.

Referenzen

1 Otoo RA, Allen AR, Sulforaphane’s Multifaceted Potential: From Neuroprotection to Anticancer Action. Molecules 2023; 28:6902

2 Huterer G, Sekundäre Pflanzenstoffe in der menschlichen Ernährung und ihr Einfluss auf die Karzinogenese, Diplomarbeit KFU Graz 2017

3 Herr I, Die Kreuzblütler auf dem Kreuzzug gegen Krebs, Passion Chirurgie 06/2014

4 Annika S. Axelsson et al., Sulforaphane reduces hepatic glucose production and improves glucose control in patients with type 2 diabetes. Sci Transl Med 2017; 9(394):eaah4477

5 Bielenberg J, Kropfbildende Naturstoffe, EHK 2020; 69: 320–326