Rosenwurz: den Stress mit der Wurzel ausrotten

Rhodiola rosea Pflanzen im Freien grüner Hintergrund. Nahaufnahme
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Wenn der Stress an den Nerven nagt, ist es Zeit für Rosenwurz. Die widerstandsfähige Hochgebirgspflanze sagt Erschöpfung und Schwäche den Kampf an.

Rosenwurz (Rhodiola rosea) ist eine altbekannte Arzneipflanze, die auch als Arctic root, Roseroot, King’s Crown oder Goldene Wurzel bezeichnet wird.1 Sie zählt zu den Adaptogenen, wie etwa auch Ginseng oder Ashwagandha. Adaptogene erhöhen die Widerstandsfähigkeit des Organismus gegenüber verschieden Stressoren – auch gegen umweltbedingte und emotionale Einflüsse.2

In Studien mit Rosenwurzextrakten wurden unter anderem folgende Wirkungen beobachtet: verringerte Müdigkeit, eine verbesserte geistige Leistungsfähigkeit auf unterschiedlichen Ebenen (z.B. bei Aufmerksamkeit, Konzentration, Reaktionsgeschwindigkeit, Kurzzeitgedächtnis) sowie ein Rückgang typischer Burnout-Symptome wie Erschöpfung, Depression oder Schlafstörungen. Probanden gaben auch eine stabilere Stimmung und verbessertes Wohlbefinden an. Es gibt Hinweise, dass Rosenwurz bei der generalisierten Angststörung und bei leichter bis mittelschwerer Depression hilfreich sein kann. Einige Studien fanden positive Effekte auf die Kraft- und Ausdauerleistung von Sportlern. Des Weiteren gilt die „Goldene Wurzel“ als kardioprotektiv und antioxidativ.2

Die stressadaptive Wirkung wird dadurch erklärt, dass Rosenwurz diverse Komponenten des Stressreaktionssystems modulieren kann. Effekte auf monoamine Neurotransmittersysteme (Serotonin, Noradrenalin, Dopamin) sind genauso beschrieben wie auf Opioidpeptide (β-Endorphine) und die HPA-Achse. Besonders angenehm für Stressgeplagte: Die Wirkung wird nicht nur als kognitiv stimulierend wahrgenommen, sondern auch als emotional beruhigend.2

Über 140 Inhaltsstoffe des Rosenwurz sind bekannt. Die positiven Wirkungen werden größtenteils auf das Phenylethanoid Tyrosol und dessen Glykosid Salidrosid in Kombination mit Phenylpropanoiden (Rosin, Rosavin, Rosarin) zurückgeführt.3

Health Claims

Bislang wurde kein Health Claim für Rhodiola-rosea-Extrakte genehmigt.

Steckbrief

Enthalten in …

Rhodiola rosea ist eine Hochgebirgspflanze mit zirkumpolarer Verbreitung. Sie wächst überwiegend in arktischen Regionen und in den Gebirgsregionen Zentral- und Nordeuropas und Asiens.4,5 In vielen Ländern seit Jahrhunderten Bestandteil der Volksheilkunde – etwa in Sibirien, Russland, Skandinavien oder der Mongolei. Verwendet werden die im Herbst geernteten, getrockneten Rhizome und Wurzeln 5–6 Jahre alter Pflanzen (Rhodiola rosea L., rhizoma et radix).1 Der Name „Rosenwurz“ geht auf den rosenartigen Duft der Wurzeln zurück. Rhodiola rosea unterliegt in vielen österreichischen Bundesländern dem gesetzlichen Naturschutz.3

Mögliche Anwendungsgebiete

  • Laut der Monografie des Herbal Medicines Product Committee der EMA (HMPC) kann Rhodiola rosea zur vorübergehenden Linderung von Stresssymptomen wie Erschöpfung und Schwächegefühlen verwendet werden (basierend auf der langjährigen traditionellen Anwendung).6

Des Weiteren wird Rhodiola rosea auch für folgende Anwendungsgebiete vorgeschlagen:2

  • Prüfungs- und Lernstress
  • Erschöpfungszustände, Burnout, Fatigue
  • Leichte bis moderate Depression
  • Generalisierte Angststörung
  • Arbeiten unter hohen mentalen und körperlichen Anforderungen (z.B. ermüdende Nachtdienste)
  • Zur Vermeidung von stressbedingten Komplikationen wie Müdigkeit, Konzentrations- und Leistungsabfall, Stimmungsproblemen
  • Unterstützung der sportlichen Leistungsfähigkeit

Die Absicherung mittels großer Studien mit hohem Evidenzgrad wird noch gefordert.

Praxistipps

  • Rosenwurzpräparate sind überwiegend in fester Form im Handel. Zur Anwendung gelangen Trockenextrakte, die durch wässrig-ethanolische Extraktion des Rosenwurz-Wurzelstocks gewonnen werden.6 Die Anwendung als Tee wird nicht empfohlen.
  • Salidrosid und Rosavine (Rosavin, Rosarin, Rosin) werden zur Charakterisierung der Rohware und der Extrakte herangezogen. Extrakte in Humanstudien sind zumeist auf >3% Rosavine und 0,8–1% Salidrosid standardisiert.7 Bekannte standardisierte Extrakte sind etwa WS®1375 oder SHR-5.
  • Die Einnahme von Rosenwurz-Tabletten oder -Kapseln wird im Allgemeinen 1–2x täglich, morgens und mittags, empfohlen. Mit dem Wirkeintritt kann schon nach den ersten Dosen gerechnet werden.
  • Schwangeren, Stillenden und Personen unter 18 Jahren wird aufgrund mangelnder Daten von der Anwendung von Rosenwurzextrakten abgeraten.6
  • Einige Hersteller raten auch von der Anwendung bei Leber- und Nierenfunktionsstörung wegen mangelnder Daten ab.
  • Rosenwurzextrakte sind im Allgemeinen gut verträglich. Zu den möglichen Nebenwirkungen zählen Kopfschmerzen, Übelkeit und Durchfall sowie Bauchschmerzen und Hautausschläge.6
  • Aus Mangel an belastbarer Evidenz gibt die World Federation of Societies of Biological Psychiatry in ihren Leitlinien derzeit noch keine Empfehlung für Rosenwurz bei unipolarer Depression. Empfohlen werden in dieser Indikation hingegen Johanniskraut, Curcumin, Safran und Lavendel.8
  • Der Bedarf an Rosenwurz wird zu einem großen Teil aus Wildsammlungen gedeckt, wodurch Wildpopulationen zunehmend bedroht sind.5 Einige Hersteller werben daher mit der Herkunft aus kontrolliertem europäischem Anbau.
  • Laut HMPC-Monografie wurden keine klinisch relevanten Interaktionen beobachtet.6

Referenzen:

1 BfR, Risikobewertung von Pflanzen und pflanzlichen Zubereitunge, 01/2012 auf www.bfr.bund.de, abgerufen am 18.9.2024

2 Ivanova Stojcheva E, Quintela JC. The Effectiveness of Rhodiola rosea L. Preparations in Alleviating Various Aspects of Life-Stress Symptoms and Stress-Induced Conditions-Encouraging Clinical Evidence. Molecules. 2022; 27(12):3902. doi: 10.3390/molecules27123902.

3 Weiß S.M., Phytochemische Untersuchungen an Rhodiola rosea, Diplomarbeit am IPW der Uni Graz 2016

4 Gensthaler G., Ein Adaptogen aus Sibirien, Pharmazeutische Zeitung 21/2005

5 Brinckmann JA et al. Running out of time to smell the roseroots: Reviewing threats and trade in wild Rhodiola rosea L, J Ethnopharmacol. 2021; 269:113710. doi: 10.1016/j.jep.2020.113710.

6 EMA, European Union herbal monograph on Rhodiola rosea L., rhizoma et radix, Revision 1, EMA/HMPC/24177/2023, abgerufen am 18.9.2024

7 www.verbraucherzentrale.de, abgerufen am 18.9.2024

8 Sarris J et al. Clinical guidelines for the treatment of psychiatric disorders with nutraceuticals and phytoceuticals, The World Journal of Biological Psychiatry 2021; 23(6):424–455. https://doi.org/10.1080/15622975.2021.2013041