Lecithin – ein Wirk- und Hilfsstoff mit vielen Gesichtern

Eine Draufsicht auf frische Sojabohnenschoten, Edamame-Sojabohnen mit granuliertem Sojalecithin und Sojamilch
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Die Bezeichnung „Lecithin“ kann auf zwei verschiedene Arten verstanden werden. In der Chemie versteht man unter „Lecithin“ zumeist das Phospholipid „Phosphatidylcholin“. In der Ernährung bzw. Lebensmittelchemie hingegen versteht man unter Lecithinen komplexe Gemische aus Phospholipiden und anderen Lipiden, welche aus verschiedenen Ausgangsprodukten gewonnen werden, häufig aus Soja.¹ Neben Phosphatidylcholin enthalten diese Extrakte auch andere Phospholipide wie Phosphatidylserin oder Phosphatidylinositol sowie verschiedene Fettsäuren, die je nach Ausgangsprodukt differieren.² Da der prozentuelle Anteil an Phosphatidylcholin von Extrakt zu Extrakt unterschiedlich ist, schlüsseln einige Hersteller die Zusammensetzung ihres Lecithins detailliert in den Produktbeschreibungen auf.

Phosphatidylcholin ist ein amphiphiles Molekül, das auf einem Glycerinrest beruht. Dieses Glycerin ist mit zwei Fettsäuren verestert. An der dritten Hydroxylgruppe hängt ein Phosphatrest, der wiederum mit Cholin verestert ist. Mit etwa 40% ist Phosphatidylcholin das häufigste Phospholipid der Zellmembranen und ist essenziell für deren Integrität, Elastizität und deren Funktionen wie die Signalübertragung. Gehirn, Herz und Leber sind besonders reich an Phosphatidylcholin.³

In pharmazeutischen Produkten kann Lecithin einerseits als Hilfsstoff eingesetzt werden, andererseits als Wirksubstanz. Als Hilfsstoff hat es emulgierende, stabilisierende und texturverbessernde Eigenschaften, es dient vor allem als Emulgator. Als Wirksubstanz wird es vor allem zur Unterstützung von Gedächtnis, Konzentration, Lebergesundheit und Cholesterinstoffwechsel eingesetzt, ferner bei Müdigkeit und Schwäche und neurodegenerativen Zuständen.

Im Körper wird aus Phosphatidylcholin das Cholin abgespalten. Aus Cholin kann Acetylcholin aufgebaut werden, ein wichtiger Neurotransmitter, der neben vielen anderen Funktionen eine große Rolle für das Gedächtnis und andere kognitive Funktionen hat.³ Cholin und Phosphatidylcholin sind weiters essenziell für die Lebergesundheit und den Fettstoffwechsel (Emulgierung der Nahrungsfette, Gallenflüssigkeit, Bildung von VLDL, Triglyceridtransport aus der Leber).³ Dadurch kann Cholin einer Fettakkumulation in der Leber (Fettleber) entgegenwirken. Cholin unterstützt außerdem einen normalen Homocystein-Stoffwechsel.⁴

Health Claims

Für Lecithin wurde noch kein Health Claim definiert. Verschiedene Health Claims, die für Lecithin beantragt wurden, wurden abgelehnt, u.a. zu seiner Wirkung auf das Nervensystem, mentaler und kognitiver Leistung, Gedächtnis und Konzentration, Fettmetabolismus und Hypercholesterinämie.

Für Cholin, das in Lecithin enthalten ist und aus diesem hervorgeht, hat die EFSA jedoch folgende Health Claims zugelassen:

  • Cholin trägt zu einem normalen Homocystein-Stoffwechsel bei.
  • Cholin trägt zu einem normalen Fettstoffwechsel bei.
  • Cholin trägt zur Unterstützung einer normalen Leberfunktion bei.

(gültig für eine Mindestmenge von 82,5mg Choline pro Portion, pro 100g oder pro 100ml)

Auch für Linolsäure, die mit 60–65 Gewichtsprozenten die häufigste Fettsäure in Sojalecithin darstellt, existiert ein Health Claim:

  • Linolsäure trägt zur Aufrechterhaltung eines normalen Cholesterinspiegels im Blut bei.

(gültig für Lebensmittel, die mindestens 1,5g Linolsäure je 100g und je 100kcal bereitstellen)

Steckbrief

Enthalten in …

Lecithin findet sich in vielen Lebensmitteln, insbesondere in Eiern, Leber und anderen Innereien, Fleisch, Nüssen, Sojabohnen, Mais, Sonnenblumenkernen, Rapssaat, Milch und verschiedenen Gemüsesorten.⁵

Für die industrielle Gewinnung werden aus Kostengründen meistens pflanzliche Ausgangsstoffe wie Soja, Raps, Mais, Erdnüsse oder Sonnenblumen verwendet.

Mögliche Anwendungsgebiete³

  • Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen
  • Lebererkrankungen und Leberschäden (z.B. durch Alkohol, Arzneimittel, Chemikalien, Viren)
  • Hypercholesterinämie
  • Neurodegenerative Erkrankungen wie Morbus Alzheimer, Demenz, Multiple Sklerose
  • Müdigkeit und Schwäche6

Mögliche Ursachen eines Mangels/Risikogruppen

Ältere Menschen, Schwangere und Stillende sowie Alkoholiker:innen zählen zur den Risikogruppen für eine Lecithin/Cholin-Unterversorgung. Eine streng vegane/vegetarische Diät kann die Versorgung  einschränken, ebenso Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse oder Störungen der Fettverdauung.³

Mögliche Mangelerscheinungen

Als mögliche Folgeerscheinungen bei einer Unterversorgung mit Lecithin bzw. Cholin werden angesehen: Fettleber, Leberschäden, Anstieg der Lebertransaminasen und Störungen des Nervensystems (Lernen, Gedächtnis).³

Praxistipps

  • Lecithin sollte zu den Mahlzeiten eingenommen werden.
  • Die Tagesdosis sollte über den Tag verteilt werden (z.B. 3x tgl.)
  • Verschiedene Lecithinquellen unterscheiden sich in ihrer Fettsäurezusammensetzung.
    • Sojalecithin weist besonders hohe Anteile an ungesättigten Fettsäuren auf.
  • Als Zusatzstoff mit der Nummer E 322 ist Lecithin aus unterschiedlichen Quellen (Soja, Ei) einer der meistverzehrten Lebensmittelzusatzstoffe. Es dient z.B. als Emulgator in fetthaltigen Produkten (z.B. Margarine, Salatdressings, Mayonnaise, Kakao, Eiscreme, Desserts, Nuss-Nougat-Cremes).
  • Nach einer Re-Evaluation bestätigte die EFSA im Jahr 2017, dass es keinerlei Sicherheitsbedenken gegen Lecithin als Zusatzstoff in Lebensmitteln gibt. Die Behörde sah auch keine Notwendigkeit, eine tolerierbare Tagesdosis festzulegen.⁷ Lecithin gilt als sehr untoxisch.
  • Für Cholin, das früher als Vitamin B4 und heute als vitaminähnlicher Stoff bezeichnet wird, hat die EFSA eine angemessene tägliche Aufnahmemenge von 400mg für Erwachsene definiert.6 Aus reinem Phosphatidylcholin können theoretisch 13,2% Cholin hervorgehen.⁷
  • Übliche Lecithin-Dosierungen in Supplementen liegen etwa zwischen 1,5–8g pro Tag. Bei langfristig hoher Dosierung über 20g pro Tag kann in seltenen Fällen Übelkeit auftreten.³
  • Die häufigste Form der Sojaallergie ist die pollenassoziierte Sojaallergie. Betroffene vertragen eiweißarme Sojaprodukte wie Sojalecithine oft gut. Menschen mit einer primären Nahrungsmittelallergie auf Soja können auch auf eiweißarme Sojaprodukte reagieren (meistens Kinder).⁹

CAVE

  • Nahrungsergänzungsmittel mit Sojalecithin als Wirkstoff sollten vermieden werden von Menschen mit Allergien auf Soja, Erdnuss, andere Leguminosae und Birkenpollen.8
  • Gemäß HMPC-Monographie sollen Produkte mit dem Wirkstoff Sojalecithin nur bei Erwachsenen und bei Jugendlichen ab 12 Jahren angewendet werden.8

 Im Wechselspiel

  • Es sind keine Wechselwirkungen zu berücksichtigen.¹⁰

Referenzen

  1. Burgersteins Handbuch der Nährstoffe, 11. Auflage 2007
  2. Scientific opinion on the substantiation of health claims related to soy phosphatidyl choline, EFSA Journal 2010; 8(10):1741
  3. Gröber U., Mikronährstoffe, Metabolic Tuning-Prävention-Therapie, WVG Stuttgart 2011
  4. EU Register on nutrition and health claims, abgerufen am 18.5.2023
  5. Verbraucherzentrale NRW, Klüger mit Lecithin?, verbraucherzentrale.de, abgerufen am 18.5.2032
  6. EFSA, Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr: EFSA veröffentlicht Empfehlungen zu Cholin, efsa.europa.eu/de/press/news/160817, abgerufen am 18.5.2023
  7. EFSA, Re‐evaluation of lecithins (E 322) as a food additive, EFSA Journal 2017; 15(4):4742
  8. EMA, Herbal medicine: summary for the public, Soya-bean lecithin, ema.europa.eu, abgerufen am 18.5.2023
  9. Stiftung ECARF, Sojaallergie, ecarf.org, abgerufen am 18.5.2023
  10. Austria Codex Fachinformation Buerlecithin flüssig