Kreatin: dieser Stoff lässt die Muskeln spielen

Mann gießt Proteinpulver in Shaker-Becher, flache Vektordarstellung isoliert auf weißem Hintergrund.
Kudryavtsev Pavel/GettyImages

Kreatin (Methylguanidinessigsäure) ist eine Substanz, die sowohl endogen gebildet als auch über Lebensmittel aufgenommen wird. Die körpereigene Synthese erfolgt aus den Aminosäuren Glycin, Arginin und Methionin in den Nieren und der Leber. Als Kreatinphosphat spielt Kreatin eine wichtige Rolle im Energiestoffwechsel von Zellen mit hohem Energiebedarf, etwa in den Skelettmuskeln, im Herzmuskel oder im Gehirn. 95 Prozent des körpereigenen Kreatinpools befinden sich in unserer Skelettmuskulatur. Speziell bei hochintensiven Belastungen dient Kreatinphosphat dem Muskel als schnell verfügbare Energiereserve. Es stellt Phosphatgruppen für die rasche Regeneration von ATP zur Verfügung, die unter Mitwirkung des Enzyms Kreatinkinase auf ADP übertragen werden (anaerob-alaktazide Energiebereitstellung durch Resynthese von ATP). Dieser Prozess spielt vor allem bei kurzfristigen, explosiven sowie intervallartigen Leistungsanforderungen eine Rolle und erstreckt sich auf einen begrenzten Zeitraum von Sekunden bis maximal wenige Minuten. Die Erhöhung der Kreatinspeicher durch Supplementierung wird daher besonders in Sportarten mit kurzzeitigen, hochintensiven und ggf. repetitiven Kraft- und Schnellkraftleistungen angestrebt (z.B. Sprint, Kraftsport, Spielsportarten). Kreatinsupplementierung kann positive Effekte auf Muskelkraft, Muskelmasse und sportliche Leistung erzielen, insbesondere bei jungen Menschen mit regelmäßigem Training.² Die Wirkung von Kreatin auf die Muskelregeneration/belastungsinduzierte Muskelschäden ist umstritten, ebenfalls die Auswirkungen von Kreatin während Immobilisierungsphasen.² Der potenzielle Einsatz von Kreatin bei Muskelkrankheiten und neurodegenerativen Erkrankungen ist Gegenstand der Forschung.

Health Claims

  • Kreatin erhöht die körperliche Leistung bei Schnellkrafttraining im Rahmen kurzzeitiger intensiver körperlicher Betätigung
    Der Claim darf nur für Produkte verwendet werden, deren Zielgruppe Erwachsene mit hochintensivem Training sind. Weiters muss der Konsument informiert werden, dass die positive Wirkung nur erreicht wird, wenn täglich 3g Kreatin aufgenommen werden.
  • Die tägliche Einnahme von Kreatin kann in Verbindung mit Krafttraining die Wirkung von Krafttraining auf die Muskelkraft von Erwachsenen über 55 Jahre steigern.“

Dieser Claim gilt nur für Erwachsene über 55 Jahre, die täglich 3g Kreatin aufnehmen und regelmäßiges Krafttraining durchführen (Krafttraining, das steigende Belastung erlaubt und das mindestens 3 x pro Woche für einige Wochen mit mindestens 65–75% der Maximalkraft durchgeführt wird).¹

Steckbrief

Enthalten in

Kreatin wird hauptsächlich über Fleisch und Fisch aufgenommen. Milchprodukte und pflanzliche Kost enthalten Kreatin nur in Spuren. Eine weitere Quelle sind Kreatin-haltige Nahrungsergänzungsmittel. Eine orale Dosis von 5g Kreatin-Monohydrat entspricht dabei etwa dem Kreatingehalt von 1,1kg rohem Rindfleisch.²

Im menschlichen Körper findet sich Kreatin zu etwa 95% im Skelettmuskel, der Rest in anderen Geweben mit hohem Energiebedarf wie Herzmuskel oder Gehirn.³ Der Körper eines 70kg schweren Mannes enthält etwa 120–140g Kreatin.⁴ Der tägliche Kreatinbedarf eines 70kg schweren Erwachsenen wird mit etwa 2–4g beziffert.3,4 Etwa die Hälfte davon stammt aus Lebensmitteln (abhängig von der Ernährungsform), die andere Hälfte aus der Eigensynthese des Körpers.

Erhöhter Bedarf/Mögliche Anwendungsgebiete

  • Fleisch- und fischarme Ernährung führt zu einer geringen Kreatinzufuhr über die Nahrung.
  • Veganer haben typischerweise niedrigere Muskelkreatinspiegel.⁵ Personen mit niedrigen Ausgangswerten profitieren von einer Supplementierung besonders.⁶
  • Schwere körperliche Arbeit, Kraftsport, Stress³
  • Genetische Störungen: Guanidinoacetat-Methyltransferase (GAMT-Mangel)³
  • Neuromuskuläre Erkrankungen (Duchenne-Muskeldystrophie, ALS, mitochondriale Zytopathien)³

Symptome bei Mangel

Als mögliche Folgen einer Unterversorgung werden Stressanfälligkeit, verminderte Regenerationsfähigkeit, eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit sowie Störungen des mitochondrialen und kardialen Energiestoffwechsels angesehen.³

Praxistipps

  • Viel trinken: Aufgrund der wasserbindenden Eigenschaften von Kreatin ist es unerlässlich, dem Körper während einer Kreatinkur ausreichend Flüssigkeit zuzuführen (2–3l Wasser/Tag³ oder etwa 100–150ml Wasser pro Gramm Kreatin).
  • Es wird empfohlen, die Tagesdosis in mehrere Einzeldosen aufzuteilen (üblicherweise drei).
  • Die mit Kreatin verbundene Wassereinlagerung und Gewichtszunahme kann bei Ausdauersportleren kontraproduktiv sein (z.B. Langstreckenläufer).
  • Kreatin lässt die Muskelmasse durch Wassereinlagerung kurzfristig vergrößert erscheinen. Diesen optischen Effekt nutzen Bodybuilder aus.
  • Kreatin-Monohydrat ist die Kreatinform, die am längsten bekannt ist und zu der die meisten Studien durchgeführt wurden. In Pulverform ist es eine sehr stabile Verbindung, weswegen es hauptsächlich in dieser Form im Handel ist. In Lösung wird es teilweise zu Kreatinin umgewandelt, und zwar umso schneller, je niedriger der pH-Wert und je höher die Temperatur ist.⁵
  • Kreatin-Monohydrat ist in warmem Wasser besser löslich als in kaltem.
  • Andere im Handel befindliche Kreatinformen sind diverse Kreatinsalze (z.B. Kreatincitrat, Kreatinpyruvat, Kretainhydrochlorid), gepuffertes Kreatin-Monohydrat (Kre-Alkalyn) u.v.m.
  • Es wird angenommen, dass es Kreatin-Nonresponder gibt, die unter Kreatineinnahme keine Leistungssteigerung und Gewichtszunahme erfahren.⁶

Dosierungsempfehlungen

  • Für Kreatin existieren viele unterschiedliche Dosierempfehlungen. Nach wie vor unterscheiden Sportler häufig zwischen einer fünf- bis siebentägigen Ladephase, in der eine erhöhte Dosierung zugeführt wird, und einer anschließenden Erhaltungsphase.
  • Übliche Dosierungen in der Ladephase sind z.B. 4 x 5g Kreatin für sechs Tage. In einer Untersuchung von Hultman et al. steigerte dies den Kreatingehalt der Muskulatur um etwa 20%. Dieser erhöhte Wert konnte durch eine Erhaltungsdosis von 2g pro Tag für weitere 30 Tage gehalten werden. Fehlte diese Erhaltungsdosis, so sank der Kreatingehalt allmählich ab und unterschied sich nach 30 Tagen nicht mehr vom Ausgangswert.⁷
  • In der Erhaltungsphase sind 2–5g Kreatin pro Tag gebräuchlich.
  • Eine Alternative ist die Einnahme ohne Ladephase (Niedrigdosis-Supplementierungsstrategie). Nach Hultman et al. führen 3g Kreatin zu einem allmählichen Anstieg des Muskelkreatins um etwa 20% innerhalb von 28 Tagen.⁷
  • Auch körpergewichtsbezogene Dosierungen sind üblich: etwa 0,3g/kg KG in der Ladephase, 0,03 g/kg KG in der Erhaltungsphase.⁶,
  • In der Sportmedizin wird immer häufiger die Einnahme ohne Ladephase empfohlen. Dies wird damit begründet, dass bei hohen Dosierungen die Resorption schlechter wird und die endogene Kreatinsynthese sinkt. Der Trend geht zur Niedrigdosis-Supplementierung (z.B. 3–5g pro Tag) ohne Einnahmepausen.
  • Für die kurzfristige Anwendung vor Bodybuilding-Wettkämpfen werden auch höhere Dosen (bis 30g) verwendet. Die Kreatinaufnahme in den Muskel ist in den ersten Tagen am größten.
  • Einige Experten empfehlen regelmäßige Einnahmepausen³, etwa wegen fehlender Langzeitstudien, möglicher negativer Auswirkungen auf die endogene Kreatinsynthese oder einer befürchteten erhöhten Nierenbelastung bei längerer Einnahme und höherer Dosierung.

CAVE

  • Kreatin wird zu Kreatinin abgebaut und als solches über die Nieren ausgeschieden. Nierenfunktionsstörungen stellen eine Kontraindikation für die Einnahme dar.³
  • Als mögliche Nebenwirkungen von Kreatin (insbesondere bei dauerhafter Einnahme) werden angesehen: sinkende endogene Synthese, Krampfanfälligkeit, Magendarmbeschwerden bei höheren Dosen.³
  • Kreatin steht nicht auf der Dopingliste. Wie bei anderen Nahrungsergänzungsmitteln im Sport sollte aber auf qualitativ hochwertige Produkte ohne Verunreinigungen geachtet werden. Nahrungsergänzungsmittel und Sportlernahrung mit minimiertem Dopingrisiko führt z.B. die Kölner Liste®.

Im Wechselspiel

  • Die zusätzliche Einnahme von Magnesium ist empfehlenswert, um die Neigung zu Muskelkrämpfen unter Kreatinsupplementierung zu reduzieren.³,
  • Einige Autoren sind der Ansicht, dass Coffein die ergogenen Effekte von Kreatin verringern kann.³
  • Die Aufnahme von Kreatin aus Supplementen in den Muskel wird verbessert, wenn gleichzeitig Kohlenhydrate oder Kohlenhydrate und Proteine eingenommen werden.⁵
  • Aufgrund der wasserbindenden Eigenschaften von Kreatin muss auf eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme geachtet werden.

Quellen

  1. EU Register on nutrition and health claims, Stand 11.3.2022
  2. Shih-Hao Wu et al., Creatine Supplementation for Muscle Growth: A Scoping review of randomized clinical trials from 2012 to 2021, Nutrients 2022, 14 (6)
  3. Gröber U., Mikronährstoffe, Metabolic Tuning-Prävention-Therapie, WVG Stuttgart 2011
  4. Clasing D. (Hrsg).:Doping und seine Wirkstoffe, Spitta Verlag 2004
  5. Kreider R.B., Jäger, R., Purpura, M. Bioavailability, Efficacy, Safety, and Regulatory Status of Creatine and Related Compounds: A Critical Review. Nutrients 2022, 14, 1035
  6. Raschka C., Ruf S., Sport und Ernährung, Georg Thieme Verlag 2012
  7. Hultman E. et al., Muscle creatine loading in men, J. of applied physiology 1996 81:1, 232-237