OPC – Pflanzengeheimnisse in Hülle und Fülle
Oligomere Proanthocyanidine (OPC) kommen in den verschiedensten Pflanzenarten vor. Viele Wirkungen werden diesen sekundären Pflanzenstoffen zugeschrieben.
Oligomere Proanthocyanidine gehören zu den sekundäre Pflanzenstoffen. Ihre Entdeckung wird dem französischen Mediziner und Mikrobiologen Jack Masquelier zugeordnet, er soll im Jahre 1948 während einer Studie zur Verfütterungsfähigkeit von Erdnusshäutchen auf Verbindungen aus dieser Stoffgruppe gestoßen sein.¹
Oligomere Proanthocyanidine werden zu den Flavonoiden gezählt.² Flavonoide sind sauerstoffhältige Ringsysteme, die sich vom Flavan ableiten³ und nach dem Oxidationsgrad am sauerstoffreichen Ring in Flavanone, Flavone und Flavanole (Flavan-3-ole) eingeteilt werden.³ Proanthocyanidine sind Polymere von Flavan-3-olen,⁴ oligomere Proanthocyanidine (OPC) bestehen aus 2–7 dieser Einheiten. In der Pflanze unterstützen sie unter anderem den Schutz gegen Umwelteinflüsse, Temperaturschwankungen oder Parasitenbefall. Sie sind besonders in Wurzeln, Blättern, Rinde und Früchten von Holzgewächsen enthalten.² Sie können zu deren adstringierenden Geschmack beitragen bzw. gerbend wirken.
Oligomere Proanthocyanidine gelten als potente Antioxidanzien (Radikalfänger). Außerdem besitzen sie eine adstringierende Wirkung (Bestandteile einiger Gerbstoffdrogen).² Des Weiteren haben sie Effekte aufs Gefäßsystem: Hier wirken sie kapillarabdichtend und antiödematös, koronardilatatorisch und in höheren Dosen peripher gefäßerweiternd.⁴ Die Adhäsionshemmung Typ-1-Fimbrien-dominierter Stämme von E. coli an die Schleimhaut der Harnblase durch Cranberries wurde mit den enthaltenen OPC in Verbindung gebracht. Laut EFSA⁶ ist dieser Ursache-Wirkung-Zusammenhang aber nicht erwiesen. Obwohl die antiadhäsiven Wirkstoffe nicht zweifelsfrei bekannt sind, werden viele Cranberryextrakte (und Preiselbeerextrakte) auf OPC standardisiert.
Health Claims
Für oligomere Proanthocyanidine liegen keine Health Claims vor.
Steckbrief
Oligomere Proanthocyanidine kommen in sehr vielen arzneilich genutzten Pflanzen bzw. Arzneidrogen vor, beispielsweise in Eichenrinde, Erdbeerblättern, Frauenmantelkraut, Ginkgoblättern, Heidelbeeren, Preiselbeeren, Cranberries, Hopfenzapfen, Ginkgoblätter, Lindenblüten, Rathaniawurzeln, Rosenblütenblättern, Grünteeblättern, Tormentillwurzelstock, Weißdornblättern,- blüten und -früchten. Aber auch Nahrungs- und Genussmittel enthalten OPC, so etwa Kakao (bzw. Schokolade), Tee, Rotwein, Weintrauben und Weintraubenkerne und Äpfel.²
Bedarf
Bislang wurde keine tägliche Bedarfsmenge an OPC definiert. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) ist es aufgrund der aktuellen wissenschaftlichen Datenlage zwar generell möglich, die präventive Wirkung von sekundären Pflanzenstoffen zu bewerten, Empfehlungen für die Zufuhr einzelner sekundärer Pflanzenstoffe können jedoch weiterhin nicht gegeben werden.⁵ Die geschätzte tägliche Flavonoidzufuhr beträgt laut DGE-Ernährungsbericht 2008 50–200mg pro Tag.⁵
Mögliche Anwendungsgebiete
Aufgrund des vielfältigen Wirkungsspektrums der oligomeren Proanthocyanidine werden viele Anwendungsgebiete vorgeschlagen:
- Aufgrund der antioxidativen Eigenschaften: Einsatz bei Entzündungen, Well-Aging, Einsatz in Anti-Aging-Kosmetikprodukten, Schutz des Auges und der Haut, Einsatz gegen M. Alzheimer und verschiedene Krebsarten
- Aufgrund der kapillarabdichtenden Wirkung: Einsatz bei Venenleiden, Ödemen, Neigung zu blauen Flecken, Zahnfleischentzündung und -bluten
- Aufgrund der Gefäßwirkung: Unterstützung des Blutflusses, Blutdrucksenkung
- Unterstützung der Anpassung des Auges an wechselnde Lichtverhältnisse
- Hemmung des Wachstums von Pilzen, Bakterien, Viren
Das Service „Medizin Transparent“, das dem Department für evidenzbasierte Medizin und Evaluation an der Donau-Universität Krems und Cochrane Österreich untersteht, widmete sich 2016 dem wissenschaftlichen Stand zur Wirksamkeit von Traubenkernextrakt (für dessen Wirkung OPC verantwortlich gemacht werden). Es kritisierte, dass viele Studien, die zur Wirksamkeit bzw. vorbeugenden Wirkung von Traubenkernextrakt qualitativ mangelhaft sind und keine Aussage über die Wirkung von OPC erlauben. Die Frage nach einer klinisch relevanten Wirkung von OPC auf das Herzkreislaufsystem könne daher nicht schlüssig beantwortet werden.⁹ In einer systematischen Übersichtsarbeit und Meta-Analyse der Cochrane Collaboration zum Einfluss der Flavonoide auf die Entstehung von Dickdarmkrebs, welche auch eine Fall-Kontrollstudie zu Proanthocyanidin beinhaltete, beurteilte auch diesen Zusammenhang als unklar.⁹
Praxistipps
Für die richtige Dosierung ist bei OPC-haltigen Arzneimitteln (Tees, Tropfen etc.) die Fachinformation zu beachten. Bei Nahrungsergänzungsmitteln mit OPC-haltigen Extrakten sollte die vom Hersteller empfohlene tägliche Verzehrmenge nicht überschritten werden. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) rät von Nahrungsergänzungsmitteln mit isolierten sekundären Pflanzenstoffen ab.⁷ Die Verbraucherzentrale hält die Sicherheit dieser isolierten Stoffe, gerade in hoher Dosierung über eine längeren Zeitraum, für nicht ausreichend untersucht.⁸ Da für die gesundheitsfördernde Wirkung möglicherweise die Zufuhr von verschiedenen Pflanzenstoffen im Verbund eines Lebensmittels notwendig sein kann⁷, rät die DGE, durch abwechslungsreiche Ernährung ein möglichst großes Spektrum an sekundären Pflanzenstoffen aus verschiedenen Lebensmitteln zu sich zu nehmen – also abwechslungsreich, bunt und saisonal zu essen.⁷
Im Wechselspiel
Bei der Verwendung OPC-haltiger Extrakte oder Teedrogen ist das jeweilige Interaktionspotenzial der Pflanze zu beachten.
¹ Wikipedia, Die freie Enzyklopädie, https://de.wikipedia.org/wiki/Oligomere_Proanthocyanidine
² Sticher O., Heilmann J., Zündorf I., Hänsel/Sticher Pharmakognosie Phytopharmazie, 10. AFL 2015
³ Herbst V., Holm G., Botanik und Drogenkunde für PTA, 11. AFL 2019
⁴ Teuscher E., Lindequist U., Biogene Arzneimittel, 8. AFL 2020
⁵ Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Sekundäre Pflanzenstoffe und ihre Wirkung auf die Gesundheit, https://www.dge.de/wissenschaft/weitere-publikationen/fachinformationen/sekundaere-pflanzenstoffe-und-ihre-wirkung/
⁶ EFSA, Scientific opinion on the substantiation of health claims related to proanthocyanidins from cranberry (Vaccinium macrocarpon Aiton) fruit and defence against bacterial pathogens in the lower urinary tract 2006
⁷ Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Sekundäre Pflanzenstoffe und ihre Wirkungen auf die Gesundheit: farbenfrohe Vielfalt mit Potenzial, https://www.dge.de/presse/pm/sekundaere-pflanzenstoffe-und-ihre-wirkungen-auf-die-gesundheit-farbenfrohe-vielfalt-mit-potenzial/
⁸ https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/nahrungsergaenzungsmittel/fuer-immer-jung-mit-resveratrol-oder-opc-13389
⁹ Medizin transparent, Traubenkernextrakt als Jungbrunnen? https://www.medizin-transparent.at/traubenkernextrakt-opc/