Mundpflege im Alter darf nicht vernachlässigt werden
Die Zähne der multimorbiden geriatrischen Patienten verdienen mehr Aufmerksamkeit in der hausärztlichen Praxis, sagte Zahnarzt Dr. Roger Naef, Zürich, an einem Workshop anlässlich des 59. Ärztekongresses. Als die Betagten von heute jung waren, war die Zahnprophylaxe – wie wir sie heute kennen und praktizieren – noch nicht erfunden. Entsprechend desolat sieht es daher mit der oralen Gesundheit aus.
Chronische Entzündungen im Mund, sei es im Kieferknochen, an den Zähnen oder am Zahnfleisch, können zu schwerwiegenden medizinischen Komplikationen führen. Als Beispiele erwähnte der Referent Herz-Kreislauf-Probleme, Endo-
karditis, Rheuma sowie Entzündungen im Verdauungstrakt. Solche Herde sollten unbedingt eliminiert werden.
Nach wie vor hat die «Herd-Abklärung» vor dem Herzklappenersatz, vor der Radio- resp. Chemotherapie, vor einer Immunsuppression, einer Organtransplantation oder einem prothetischen Gelenkersatz absolute Priorität, sagte Dr. Naef. Als potenzielle Herde kommen beispielsweise grossflächige Füllungen, kariöse Zähne, retinierte asymptomatische Zähne, Fremdkörper, Zähne mit Wurzelbehandlung, Zahntaschen > 3–5 mm, dentogene Zysten oder auch Speichelsteine in Frage.
Mund- und allgemeine Gesundheit im Alter
Die heutigen Betagten, also die Generation 80+, kannte die Selbstverständlichkeit von Mundhygiene und Zahnprophylaxe ab dem Kindergartenalter, wie sie heute selbstverständlich ist, nicht. Entsprechend desolat sehen manche Gebisse bzw. die Relikte auch aus (s. Abbildung). Solche Erkrankungen/Veränderungen im Mundbereich beeinträchtigen die Fähigkeit zu sprechen und zu kauen, und haben negative Auswirkungen auf das gesamte Wohlbefinden. Ausserdem vergrössert eine vernachlässigte Mundhygiene im Alter das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder auch eine Pneumonie, so Dr. Naef.
Die Schweizerische Zahnärzte-Gesellschaft SSO – Dr. Naef ist Präsident der SSO-Sektion Zürich – hat zum Thema Alterszahnmedizin ein umfassendes Positionspapier erarbeitet. Folgende Ziele wurden darin definiert:
- Beim Pflegeheimeintritt sollte eine standardisierte zahnärztliche Eintrittsuntersuchung durch einen (Heim-)Zahnarzt durchgeführt werden. Die Forderung einer öffentlichen Finanzierung dieser Eintrittsuntersuchung wurde 2019 allerdings durch das BAG abgelehnt.
- Heimbewohner sollen zahnmedizinisch betreut werden.
- Notwendig ist eine Sensibilisierung bzw. Aus- und Weiterbildung zum Thema «Alterszahnmedizin» aller in die Betreuung von Senioren und Betagten involvierten Personen – von den Zahnärzten, über die Hausärzte bis zur Heimleitung und den Heimbewohnern. Mundpflege im Alter darf nicht vernachlässigt und entsprechendes Know-how muss den Pflegepersonen vermittelt werden.
Trotz gewissen Initiativen sind regelmässige Kontakte zwischen Hausärzten und Zahnärzten eher eine Ausnahme. Ein Thema, das immer wieder zum Telefonhörer greifen lässt, ist die orale Antikoagulation. Vor zahnchirurgischen Interventionen muss sichergestellt werden, dass es nicht zu Blutungskomplikationen kommt.
Gemeinsames Interesse ist die Bisphophonat-Therapie
Darüber hinaus haben die Berichte über das Risiko von Osteonekrosen unter einer Bisphosphonat-Therapie für ein neues gemeinsames Interessengebiet von Hausärzten und Zahnärzten gesorgt. Im Sinne einer Risikominimierung sollte vor einer antiresorptiven Therapie eine weitestgehende orale Sanierung durchgeführt werden, mit Beseitigung vorhandener und Vermeidung neuer Foki. Unter der Bisphosphonat-Therapie sollten regelmässige Kontrollen beim Zahnarzt selbstverständlich sein, um allenfalls früh intervenieren zu können, erklärte Dr. Naef.