Prix Galien Suisse 2020 in der Kategorie «Orphan Diseases» für Revestive®
BASEL – Der diesjährige Prix Galien Suisse in der Kategorie «Orphan Diseases» wurde dem GLP-2-Analogon Revestive® (Teduglutid) der Firma Takeda zuerkannt. Es handelt sich bei Teduglutid um die erste und einzige in der Schweiz zugelassene Pharmakotherapie für Erwachsene und Kinder ab einem Jahr mit Kurzdarm-Syndrom und chronischem intestinalem Versagen (SBS-IF).
Beim SBS-IF handelt es sich um eine extrem seltene Erkrankung, von der lediglich vier von 1 Mio. Einwohner betroffen sind, was 32 Patienten in der Schweiz entsprechen würde. Als Ursachen kommen vor allem mesenteriale Ischämien, Strahlen-Enteritiden, ein Morbus Crohn, abdominale Traumata und/oder abdominale chirurgische Eingriffe in Frage. Die Betroffenen sind parenteral substitutionspflichtig, da sie nicht (mehr) in der Lage sind, Makro- und Mikronährstoffe, Elektrolyte und Wasser in ausreichender Menge aufzunehmen und zu verwerten.
Parenterale Ernährung schränkt Lebensqualität ein
Patienten mit SBS-IF sind auf eine parenterale Ernährung und intravenösen Support (Hydratation und Elektrolytzufuhr) angewiesen (pE/i.v.). Das heute empfohlene Management des SBS-IF umfasst eine suffiziente pE/i.v., die den individuellen Bedarf an Nährstoffen und Flüssigkeit abdeckt, meist in Verbindung mit einer Pharmakotherapie, welche die potenziell lebensbedrohlichen Komplikationen wie Dehydratation, Diarrhö, Gewichtsverlust oder auch die Fatigue bessert. Benötigen Patienten mit SBS-IF nach der Adaptations- und Stabilisierungsphase dauerhaft eine pE/i.v. , bedeutet das, dass sie in ihrer Lebensführung, ihren Aktivitäten und ihrer Lebensqualität durch das aufwendige Ernährungs-Konzept extrem beeinträchtigt sind. Ziel der therapeutischen Massnahmen ist es, weniger Stunden am Tag resp. weniger Tage pro Woche von der pE/i.v. abhängig zu sein und im Idealfall ganz darauf verzichten zu können.
Teduglutid fördert die intestinale Adaptation
Bei Revestive® (Teduglutid) handelt es sich um ein Analogon des natürlich vorkommenden humanen Glucagon-like peptide-2 (GLP-2), das von L-Zellen des distalen Darmabschnitts sezerniert wird. Durch Austausch von nur einer Aminosäure konnte die Halbwertszeit von Teduglutid – gegenüber GLP-2 – von sieben Minuten auf zwei Stunden verlängert werden. GLP-2 verstärkt den intestinalen und portalen Blutfluss, hemmt die Magensäuresekretion und vermindert die intestinale Motilität.¹ Teduglutid ist seit 2016 in der Schweiz zugelassen. Teduglutid fördert die intestinale Adaptation beim SBS-IF über eine Zunahme von Villushöhe und Kryptentiefe. Dadurch kommt es zur verbesserten absorptiven Kapazität des Rest-Dünndarms, mit vermindertem pE/i.v.-Bedarf, bis hin zur vollkommenen Entwöhnung und Umstellung auf enterale/orale Kost.¹
Wirksamkeit in Studien gut belegt
«Das Kurzdarm-Syndrom ist eine schwere und invalidisierende Erkrankung. Patienten mit Mesenterialischämie, Strahlenenteritis, M. Crohn und Status nach abdominalem Trauma resp Chirurgie haben eine hohe Morbidität und Mortalität. Fortschritte zur relevanten klinischen Verbesserung sind in den letzten Jahren nicht zu verzeichnen gewesen. Mit dem glucagon-like peptide-2 Teduglutid steht nun eine wirksame Substanz mit interessantem Wirkungsmechanismus zur Verfügung», sagt Professor Dr. Jürg Hans Beer, Chefarzt und Direktor, Departement Medizin, Kantonsspital Baden, und Mitglied der Jury. «Das Medikament erhöht die absorptive Oberfläche mit Villushöhe und Kryptentiefe. Die Wirkung ist gut studiert. So reduzierte Revestive® in einer doppelblinden Studie² die Menge sowie Notwendigkeit der parenteralen Ernährung signifikant. Damit stellt es für die betroffenen Patienten eine echte Verbesserung der Therapie und der Lebensqualität dar», so Prof. Beer. Daten einer offenen Verlängerungsstudie über 24 Monate zeigen die anhaltende Wirksamkeit der Teduglutid-Behandlung hinsichtlich kontinuierlicher Reduktion des pE-Volumens. Einige Patienten benötigten am Ende keine pE mehr.³
Teduglutid überzeugt bei SBS-IF im Real-World-Setting und bei pädiatrischen Patienten
Über den Prix Galien
Der national und international renommierte Prix Galien wird seit über 40 Jahren jährlich für besonders innovative Forschungsleistungen der Pharmaindustrie verliehen. Stifterin in der Schweiz ist die Medical Tribune. Bewerben können sich Pharmafirmen mit Präparaten, die mindestens seit einem Jahr auf dem Schweizer Markt zugelassen sind. Die Bewerbungen werden von einer nationalen Jury beurteilt, die aus Experten verschiedener Fachrichtungen besteht. Seit 2018 wird der Prix Galien Suisse in drei Kategorien ausgeschrieben: 1. Primary & Speciality, 2. Cancer, 3. Orphan Diseases.
Jury Prix Galien Suisse 2020
- Prof. Dr. Christoph Renner, Zürich, Präsident der Jury
- Prof. Dr. Dr. h. c. Walter F. Riesen, Diessenhofen, stellvertretender Jury-Präsident
- Prof. Dr. Jürg Hans Beer, Baden
- Prof. Dr. Reto W. Kressig, Basel
- Prof. Dr. Jörg D. Leuppi, Liestal
- Prof. Dr. Christian Ludwig, Basel
- Prof. Dr. Georg Noll, Zürich
- Prof. Dr. Thomas Szucs, Basel/Zürich
1. Fachinformation Revestive® auf www.swissmedicinfo.ch
2. Jeppesen PB et al. Teduglutide reduces need for parenteral support among patients with short bowel syndrome with intestinal failure. Gastroenterology 2012 Dec; 143(6): 1473–1481.e3.
3. Schwartz LK et al. Long-term teduglutide for the treatment of patients with intestinal failure associated with short bowel syndrome. Clin Transl Gastroenterol 2016 Feb; 7(2): e142