Die Ergänzung des Arztbesuchs im Internet
„Kevin oder Katze?“ An dieser Frage machte Ralf Blumenthal, Pressesprecher des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen (BVDD), bei der Pressekonferenz „Der Patient im Web“ das Informationsverhalten von Krankenversicherten deutlich. Eine Mutter rief nach dem Besuch des Hautarztes bei der Geschäftsstelle des Berufsverbandes an und wollte wissen, was sie nun tun sollte: Der Arzt hatte bei ihrem Sohn („Kevin“) eine Katzenhaarallergie festgestellt – muss sie also jetzt die Hauskatze abschaffen?
Viele Patientenkontakte – von kurzer Dauer
Das lange Telefonat machte dem Journalisten klar: Patienten suchen individuelle Beratung. Der Aufenthalt beim Arzt ist (zu) kurz. Die Informationen im weltweiten Netz werden selektiv wahrgenommen, sind widersprüchlich und manchmal von zweifelhafter Güte. „Was bedeutet das alles für mich?“ lautet die Frage, die auch an Selbsthilfegruppen, selbst ernannte Experten oder andere Dritte gestellt wird.
Dass die (Haut-)Ärzte für die Beratung nicht mehr Zeit aufwenden können, verteidigt der BVDD-Sprecher mit der „Flut“ an Patientenkontakten; beim Dermatologen reichten die Anlässe vom Fußpilz bis zum Hautkrebs. Natürlich versucht auch der Berufsverband mit Internetangeboten die Nachfrage zu kanalisieren, z.B. mit Seiten wie http://www.hautgesund-im-beruf.de, http://www.euromelanoma.de oder http://www.uv-check.de. Aber Mittel und Möglichkeiten bleiben begrenzt.
Liste mit geprüften Internetangeboten wünschenswert
Wäre nicht eine indikationsspezifische Bündelung der diversen Internetangebote zu großen Portalen eine Lösung? Alexander Schachinger, Berater für digitale Strategien in der Gesundheitswirtschaft, erwartet das nicht; die Anbieter und ihre Interessen seien zu verschieden. Er schlägt vor, dass Ärztekammern und/oder Berufsverbände Listen von geprüften und für gut befundenen Internetangeboten zusammenstellen, die Ärzte guten Gewissens ihren Patienten mitgeben könnten.
Weil viel zu wenig über das Verhalten der hiesigen „Gesundheits-Surfer“ bekannt ist, möchte Schachinger dazu sponsorenfinanziert eine reichweitenstarke Online-Befragung durchführen. Anekdotisch erzählte er von einer Medizintechnikfirma, die zu neuen Patenten gelangt ist, nachdem sie Stomapatienten in einem geschlossenen Forum dazu befragte, was diese bei der Nutzung von Stomabeuteln für schwierig und verbesserungswürdig hielten.
Wer meldet sich hier aus welchem Interesse zu Wort?
Wie wichtig für einen Patienten ein engagierter Arzt ist, der sich Zeit für Patienten und Therapie nimmt, machten Christine Schüller und Reinhard Funk von der Selbsthilfegemeinschaft Haut deutlich. Es gebe Internetforen, die Besucher mit Information erschlagen, und Foren, in denen sich Leute mit zweifelhaftem Hintergrund gerne selbst präsentierten. Was nutze das dem Ratsuchenden? Ohne Experten und Lotsen, die dem Patienten individuell helfen, gehe es nicht. Auch die Selbsthilfeorganisation muss bei Anfragen immer wieder sagen: „Wir können den Arzt nicht ersetzen.“
Pressekonferenz Leo Pharma, Frankfurt/M., 2013