Symptome des Schütteltraumas erkennen
Viele junge Erwachsene wissen gar nicht, wie gefährlich es ist, ein Baby zu schütteln. Wenn sie die Nerven verlieren und z.B. einem schreienden Baby aus Wut und Frust ein Schütteltrauma zufügen, endet das in etwa 25 % der Fälle tödlich – oder mit schweren körperlichen und geistigen Behinderungen. Denn Säuglinge haben eine schwache Nackenmuskulatur und die Kopfhaltungskontrolle fehlt in den ersten Lebensmonaten noch, sodass der überproportional große Babykopf beim Schütteln unkontrolliert und forciert umherschwingt.
Durch die Akzelerations- und Dezelerationskräfte kommt es zu einem Einreißen der durch den Subduralraum laufenden Brückenvenen sowie zu retinalen Einblutungen und diffusen Hirnschäden, schreiben Professor Dr. Wolfgang Reith vom Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar, und Kollegen.
Diffuse Hirnschäden führen unmittelbar zu Beschwerden
Das Einreißen der Brückenvenen führt zu subduralen Blutungen, die aber für das Ausmaß der Hirnschädigung – wenn überhaupt – nur von geringer Bedeutung sind. Auch die retinalen Blutungen führen per se fast nie zu Sehstörungen. Doch beide zusammen sind forensisch wichtig, da sie bei einer typischen klinischen Symptomkonstellation den Verdacht auf Kindesmisshandlung erhärten können.
Der wirklich gravierende Faktor beim Shaken-Baby-Syndrom sind die durch das Schütteln entstandenen diffusen Hirnschäden, die immer zu sofortigen neurologischen Symptomen führen. Die betroffenen Kinder fallen durch Trinkschwäche, Irritabilität, Schläfrigkeit, Apathie, zerebrale Krampfanfälle, Atemstörungen, Temperaturregulationsstörungen sowie durch Erbrechen durch den Hirndruck auf.
Die anamnestischen Angaben der Eltern sind oft nicht richtungsweisend. Daher ist es wichtig, bei einer entsprechenden klinischen Konstellation differenzialdiagnostisch an ein Schütteltrauma zu denken und die entsprechende Diagnostik zu veranlassen. Subdurale Hämatome lassen sich sowohl im zerebralen MRT als auch im CT gut nachweisen. Aus logistischen Gründen wird häufig das kraniale CT bevorzugt (CCT), das mit kürzeren Untersuchungszeiten verbunden ist. Aufgrund der höheren Sensitivität sollte jedoch möglichst bald ein MRT folgen (oder primär durchgeführt werden).
Labor- und Funktionstests mit begrenztem Stellenwert
Bei ca. 90 % der Säuglinge mit SBS können subdurale Blutungen nachgewiesen werden. Grundsätzlich sollte bei Verdacht auf SBS oder Misshandlung immer ein radiologisches Knochen-Screening durchgeführt werden, empfehlen die Autoren. Zusätzlich sollten Kinder mit SBS-Verdacht dem Augenarzt vorgestellt werden, der u.a. überprüft, ob retinale Blutungen vorliegen. Labor- und Funktionsuntersuchungen haben nur einen begrenzten Stellenwert.
Sie dienen dem Ausschluss einer Gerinnungsstörung und der Einschätzung der Ausprägung der vorhandenen Verletzungen bzw. dem Screening auf eventuell vorliegende abdominelle Begleitverletzungen.
Solange die diagnostische Abklärung läuft, sollte der betroffene Säugling unbedingt stationär bleiben. Erhärtet sich der Verdacht auf ein SBS, müssen der behandelnde Kinderarzt und das Jugendamt rasch informiert werden. Babys, die ein Schütteltrauma überleben, tragen in etwa 75 % der Fälle Langzeitschäden davon. Es kann zu körperlicher Behinderung, Hör- und Sehstörungen bis hin zur Blindheit, zu Epilepsie und geistiger Behinderung kommen. Daher sind Aufklärung und Prävention enorm wichtig.
Die Kollegen aus Homburg plädieren dafür, häusliche Besuchs- und Beratungsprogramme für Risikofamilien einzurichten, Schrei-Kinder frühzeitig zu identifizieren und zu behandeln und in öffentlichen Kampagnen sowie im Rahmen von Vorsorgemaßnahmen über das Schütteltrauma und seine schwerwiegenden Folgen zu informieren.