8. Juni 2013Die Prostatakarzinom-Diagnosen

PSA-Test gefährdet die Männer-Gesundheit

„Epidemie Prostatakrebs“: Mit der Früherkennung per Bluttest hat sich die Rate der Prostatakarzinom-Diagnosen drastisch erhöht, schreiben Dr. Klaus Koch und seine Kollegen vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in Köln. Um Patienten optimal beraten zu können, muss sich die Aufklärung um Vor- und Nachteile, Wertigkeit von Befunden und eventuell notwendige Konsequenzen, wie etwa die Biopsie, drehen, fordern die Experten.

Bluttest röhrchen im Labor
iStock/erdikocak

PSA-Test: Statt Mortalitätsenkung Ängste geschürt

Hilfreich ist die Kenntnis der biologischen Vielfalt des Prostatakarzinoms. Die Kollegen haben hierfür vier Modelle unterschiedlicher „Krebstypen“ herausgearbeitet (s. Infobox). Die Diskrepanz signalisiert, dass die bereits im Frühstadium erfassten Neoplasien der Gruppe 1 zu einem hohen Anteil kurabel sind.

Dagegen verbessert sich die Heilungsrate der Patienten in Gruppe 2 nicht, doch hat man ihren Informationsstand deutlich nach vorne verlegt, was die Ängste der Betroffenen und ihrer Angehörigen verlängert. Eine wesentliche Rolle spielen die Patienten der Gruppe 4, denn die Entdeckung der sogenannten latenten Tumoren senkt keineswegs die Mortalität. Aber die Behandelten leiden an den zum Teil schweren Folgen der Übertherapie. Mittlerweile gibt es erste Abschätzungen dazu, wie groß der jeweilige Anteil der einzelnen Typen am Prostatakarzinom insgesamt ist.

Nutzen und Schaden der aktuellen Vorsorge-Strategie wurden in randomisierten kontrollierten Studien untersucht. Laut der jüngsten Erhebung aus Europa (ERSPC1-Studie) kann man bei Männern im Alter zwischen 55 und 69 Jahren einen gewissen Nutzen des PSA-Tests – zweimal im Abstand von vier Jahren durchgeführt, Biopsie ab PSA-Wert 3 ng/ml – feststellen.

Problem der Prostata-Ca Überdiagnostik bleibt

Das Risiko, innerhalb von elf Jahren an Prostatakrebs zu sterben, lag in der Screeninggruppe bei vier von 1000, ohne Früherkennung bei fünf von 1000 Männern. In der zweiten wichtigen Screeningstudie aus den USA reduzierte der Test die Prostatakrebs-Sterblichkeit dagegen nicht.

Auch bleibt das Problem der Überdiagnostik. Es ist autoptisch nachgewiesen, dass etwa die Hälfte der Männer im Alter von 50 bis 60 Jahren und zwei Drittel der 60- bis 70-Jährigen ein latentes Karzinom in ihrer Vorsteherdrüse „beherbergen“. Dabei sterben die meisten nach einem relativ langen Leben an einer anderen Ursache.

Prostata-Ca: Hausärzte warten, Urologen drängen zur Operation

In der ERSPC-Studie lag die Rate der Niedrig-Risiko-Tumoren bei 60 %. Dennoch: Fällt der PSA-Test eindeutig positiv aus, schließt sich fast zwangsläufig eine umfassendere weitere Diagnostik an und sei es nur „zur Sicherheit“. Neben aktiver Überwachung (active surveillance) bzw. beobachtendem Abwarten (watchful waiting) werden  die radikale Prostatektomie, externe Strahlentherapie und Brachytherapie eingesetzt.

Welche Konsequenzen ein positiver PSA-Test nach sich zieht, hängt u.a. davon ab, in wessen Hände ein Mann fällt. Urologische Spezialisten raten eher zur Operation, während Hausärzte oft ein abwartendes Verhalten bevorzugen. Auch gibt es Patienten, die auf die Prostatektomie bestehen, um den Tumor sicher „loszuwerden“, diese Männer setzen sich eventuell unnötigerweise einer Reihe von Nebenwirkungen aus. Die Ergebnisse der sog. PREFERE2-Studie der Deutschen Krebsgesellschaft sollen künftig Klarheit schaffen, ob – im Vergleich zum „aktiven Beobachten“ – die radikale Methode beim Low-Risk-Karzinom Vorteile bringt.

Gerade im Hinblick auf die Vor- und Nachteile des PSA-Tests müssen dessen diagnostische Eigenschaften betrachtet werden, fordern die Autoren. Von den deutschen Fachgesellschaften wird eine Prostatabiopsie empfohlen, wenn der PSA-Wert 4 ng/ml übersteigt. Andere Ärzteorganisationen raten schon bei niedrigeren Messwerten zur Kontrolle, wieder andere sogar zur weiterführenden Diagnostik. Dies beschwört die Gefahr herauf, dass man Gesunde bei erhöhten Werten unnötig beunruhigt und sie evtl. gefährdet.

PSA-Spiegel unter dem Schwellenwert - keine Sicherheit

Auch wer gehofft hatte, dass ein negativer Test „Gesundheit“ attestiert, liegt falsch, ein PSA-Spiegel unterhalb des Schwellenwertes schließt den Prostatakrebs keineswegs aus. Man kann derzeit keine generelle Empfehlung für oder gegen den PSA-Test geben, unterstreichen die Kollegen. Der Nutzen muss individuell abgeschätzt werden und ein Test sollte nach sorgfältiger Aufklärung über Nutzen, Risiken und Konsequenzen erfolgen.

1 European Randomized Study of Screening for Prostate Cancer
2 Präferenzbasierte randomisierte Studie zur Evaluation von vier Behandlungsmodalitäten bei Prostatakarzinom mit niedrigem und frühem intermediärem Risiko

 Quelle: Klaus Koch et al., Therapeutische Umschau 2013; 70: 214-222