Dr. Pichlbauer: 1400 Seiten London School of Economics

1400 Seiten: 671 von der LSE in Englisch, 50 davon Anhang und Referenzen (634 Zitate). Dazu kommen 219 Seiten rechtliche Beurteilung durch Professoren, die der SPÖ nahe stehen, auf Deutsch. Dann 244 Seiten Stellungnahmen aller Akteure, ebenfalls deutsch. Und schließlich 259 Seiten eines Beratungsunternehmens, auf Englisch. Zusätzlich ein 12 Seiten langer persönlicher Brief des Abteilungsleiters für Sozialpolitik der LSE Prof. E. Mossialos an Minister A. Stöger –deutsch (!) –, und dessen Präsentation mit 42 Folien – englisch (!). Eine Übersetzung, die für die Verzögerung verantwortlich gemacht wurde, gibt es nicht. Da ich erst einen Bruchteil durchhabe (es gleicht der Vorbereitung auf die Anatomie-Prüfung), kann ich noch nicht abschließend berichten – doch was ich kenne, ist – na ja. Bis jetzt ist es eine Zusammenschau von bekannten Theorien, Lehrmeinungen und Untersuchungen – eben ein Lehrbuch.

500 Euro pro Seite

Selbst dort, wo es Vorschläge gibt, ist es einfach eine Aufzählung von dem, was die Lehre der Gesundheitssystemforschung anzubieten hat. Eine Bewertung der Vorschläge fehlt, womit beliebig gewählt werden kann. Dazu finden sich Layoutfehler, Rechtschreibfehler, Zahlendreher, aber auch Schätzungen für Zahlen, die es gäbe und dann richtig weit danebenliegen; und, und, und … andererseits, bei der Dicke kann schon was passieren – bei über 500 Euro pro Seite sollte aber ein Lektorat drinnen sein. Macht nichts, denn: Kaum jemand kann so gut Englisch, als dass er gesundheitsökonomische Fachliteratur lesen kann. Und selbst die, die es könnten, werden nicht monatelange darüber brüten. Vielleicht bleiben 50 bis 100 Leser übrig, die allermeisten nur, um für die eigene Institution Passendes rauszuholen, etwa: „die LSE-Studie hat der bestehenden Struktur der Sozialversicherungen ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt“. Und weil niemand nachlesen kann/will/wird, ist es für die Öffentlichkeit unmöglich, festzustellen, ob das so stimmt – es bleibt wie es ist: Wir haben das beste Gesundheitssystem der Welt, wie Politiker immer schon wussten und die LSE jetzt bestätigt hat.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune