3. Aug. 2022

Nervenstark mit Pflanzenkraft!

Blühendes Hypericum perforatum, bekannt als Johanniskraut – aromatisches mehrjähriges Kraut, das in der Volksmedizin verwendet wird.
Yuliia Bilousova/GettyImages

Hypericum perforatum L. ist seit der Antike als mystisches Heilkraut zum Schutz gegen jedweden Unbill bekannt und wird auch als Wundheilmittel eingesetzt. Aufschwung erlebte das Johanniskraut im Mittelalter. Der volkstümliche, religiös bedingte Name Johannisblut leitet sich von der tiefroten Farbe des öligen Krautauszugs und dem Beginn der Blüte zu „Johanni“ am 24.6. ab. Naturforscher Paracelsus erkannte die Wirkung des Krauts gegen psychische Verstimmungen und empfahl Hypericum offiziell zur innerlichen Einnahme. Den Durchbruch als Arzneimittel schaffte das Johanniskraut um 1985 nach positivem klinischen Nachweis der antidepressiven Wirkung von Extrakten.

Der Wirkstoffkomplex des Johanniskrauts ist sehr komplex und besteht aus unterschiedlichsten Naturstoffgruppen phenolischer Struktur, die je nach Erntezeitpunkt in ihren Gehalten variieren.

Hauptinhaltsstoffe sind zum einen bis zu 0,3 % Naphtodianthronderivate, Hypericine (vorw. Hypericin und Pseudohypericin), die zur Standardisierung mit mind. 0,08 % lt. Arzneibuch herangezogen werden. Weiters finden sich bis 0,4 % Hyperforine (Phloroglucinderivate), Flavonoidglycoside des Quercetintyps (Hypericin), Biflavone (II8-Biapigenin), Procyanidine und Phenolcarbonsäuren. Interessant ist die Wirkung der Flavonoidfraktion. Diese Wirkstoffgruppe erhöht die Löslichkeit der Hypericine bei wässriger Extraktion. Ein Effekt, der für „sekundäre“ Pflanzenstoffe bereits nachgewiesen wurde.

Als antidepressives Wirkprinzip wurde Hypericin durch Hemmung der Monoaminooxidase A vermutet. Analysen der Einzelkomponenten aus Hypericum konnten keine Wirksubstanz als hauptverantwortlich verifizieren. Anwendungsstudien mit ethanolisch-wässrigen Extrakten zeigen im Vergleich mit synthetischen Antidepressiva signifikante Besserung depressiver Verstimmungen1. Die Synergie der Inhaltsstoffe ist offensichtlich. Eine Dysfunktion der Corticoidrezeptoren im Bereich der HPA-Achse (Hypophysen-Hypothalamus-Nebennierenrinde) ist mögliche Ursache von Depressionen. Hier zeigt die Behandlung mit Johanniskrautex­trakten Regulation auf zellulärer Ebene im Bereich der Glucocorticoidrezeptoren GRα und GRβ2.

Gründe genug, unseren Patienten Hypericum innerlich als Tee sowie Extraktspezialitäten zu empfehlen. Einsatzbereich sind jahreszeitlich bedingte Verstimmungen (Winter- und Frühjahrsdepression), Antriebslosigkeit, Schlafprobleme und leichte Angststörungen in der Menopause, die durch Verlust des körpereigenen Antidepressivums Östrogen entstehen. Bitte Medikation prüfen.

Hypericum ist ein Gewinn für unsere Patienten und mit einem Lächeln werden wir belohnt!

CAVE! Johanniskraut reduziert über Cytochrom P450 den Abbau anderer Therapeutika, wie Immunsuppressiva, Digoxin, Statinen, Omeprazol, Benzodiazepinen und oraler Kontrazeptiva! Und es erhöht die Lichtempfindlichkeit (Sonnenschutz SPF50)!

Quellen:
1 Schulz V et al. (2006), Phytomed: 199–204,
2 Malenfant D et al. (2011), J Psychiatr Res: 1170–7

Stimmungsaufhellender Tee
Hyperici herba 30,0 g
Lavandulae flos 20,0 g
Menthae pip. folium 10,0 g

DS: 2 TL heiß übergießen, nach 10 min abseihen, 3x tgl.

Steckbrief

Familie:

Hypericaceae

Herkunft:

Nordeuropa

Droge:

getrocknete, zur Blütezeit geerntete Zweigspitzen

Anwendungsbereiche:

innerlich: HMPC: leichte Depressionen, Erschöpfungszustände, Nervosität, nervös bedingte intestinale Beschwerden; äußerlich: oberflächliche Wunden, Nachbehandlung stumpfer Verletzungen und Verbrennungen (ölige Auszüge)

Monographien:

PhEur, HMPC, ESCOP, Kommisin E

Produktbeispiele

Tee

  • Johanniskraut Tee Dr. Kottas/Sidroga®

Spezialitäten:

  • Dr. Böhm® Johanniskraut Kapseln (425 mg; forte 600 mg)
  • Remifemin® plus (Kombination mit Traubensilberkerze)
  • Orthomol Mental (Multinährstoffpräparat)