Finanzexperte Dolzer: „Ich warne vor hohen Erwartungen“

Auch wenn es ein absolutes Luxusproblem ist, ist es doch eines, das viele Ärzte in Zeiten  historisch tiefer Zinsen belastet: Wohin mit dem Ersparten? Medical Tribune traf den Finanzexperten Hannes Dolzer. (Medical Tribune 17/2017)

Im Gegensatz zu den amerikanischen Währungshütern denken Europas Notenbanker derzeit nicht daran, an der Zinsschraube zu drehen. Erst kürzlich hat die Europäische Zentral­bank (EZB) wieder das historische tiefe Zinsniveau bestätigt. Damit haben Anleger einen schweren Stand. Schulden machen ist dagegen attraktiv wie nie. Genug Gesprächsstoff für ein Interview mit dem obersten Standesvertreter der Finanzdienstleister.

MT: Durch das historisch tiefe Zinsniveau hat jeder ein Problem, der etwas erspart hat. Am Sparbuch macht man unter Berücksichtigung der Inflation ja schon Verluste. Was raten Sie Anlegern derzeit ganz allgemein?

Hannes Dolzer: Wenn man bereit ist, auf 100-prozentige Sicherheit zu verzichten, dann gibt es Varianten, die einen Ertrag über der Inflation bringen, etwa höher verzinste Anleihen (zum Beispiel Unternehmensanleihen) oder Anleihenfonds, die eine breitere Streuung gewährleisten. Eine weitere Alternative – allerdings mit stärkeren Wertschwankungen – sind Aktien oder Aktienfonds. Auch außerhalb des Wertpapierbereichs lassen sich Anlageformen finden, wie z.B. direkte Beteiligung an einem Unternehmen oder (Nachrang-)Darlehen. Und sollte es die eine oder andere Anlegerwohnung zu vernünftigen Konditionen geben, ist das natürlich auch eine Alternative.

An Aktien führt in der Geldanlage kein Weg vorbei, erst recht in Zeiten derart niedriger Zinsen. Worauf sollten Anleger dabei achten?

Im Vergleich zu Einzelpapieren, deren Beurteilung oft schwierig ist, ermöglichen Fonds eine breitere Risikostreuung. Aber Achtung: Auch Fonds sind kein Allheilmittel, bei Weltwirtschaftskrisen können auch Fonds von Wertverlusten betroffen sein. Eine weitere Möglichkeit ist, auf Value-Aktien zu setzen, also Aktien von Firmen, die Güter produzieren, die auch in Krisen verkauft werden, wie etwa Nahrungsmittel.

Warren Buffett, legendärer US-Investor und einer der reichsten Menschen der Welt, kauft sich nur bei Unternehmen ein, deren Geschäftsmodell er auf Anhieb versteht. Spinnt man den Gedanken weiter, würde es für Ärzte doch Sinn machen, beispielsweise in Firmen aus dem Gesundheitssektor zu investieren …

Grundsätzlich ist dies ein guter Gedankenansatz. Aber zu verstehen, was das Unternehmen macht, ist die eine Sache. Die zweite wesentliche Sache, die Warren Buffett sicher auch berücksichtigt, sind die Geschäftspotenziale. Nur weil eine Idee gut bzw. ein Geschäftsmodell nachvollziehbar ist, heißt das noch nicht, dass damit entsprechende Gewinne lukriert werden können. Hier ist also Vorsicht geboten. Ich warne vor hohen, übertriebenen Erwartungen.

Kommen wir zu einem anderen Thema, nämlich Immobilien. Da erhält man für 100.000 Euro in Wien mittlerweile gar nichts mehr, selbst kleine Wohnungen kosten locker 150.000 Euro oder mehr. Ist der Markt bereits überhitzt und besteht nicht schon die Gefahr einer Spekulationsblase? Oder raten Sie auch jetzt noch zu Investments, etwa in Vorsorgewohnungen?

Laut den aktuellen OeNB-Informationen besteht zwar die Gefahr einer Spekulationsblase, persönlich würde ich diese im Augenblick nicht als akut sehen. Vorsorgewohnungen sind grundsätzlich eine Überlegung wert, man muss sich aber anschauen wie viel Kapital man selbst aufbringen kann und welcher Anteil fremdfinanziert werden muss. Auch wenn die Wohnung leer steht, müssen die Raten bezahlt werden können. Möglich sind auch Modelle mit Miteigentumsanteil, bei denen das Miet­risiko auf mehrere Personen aufgeteilt wird. Eine wesentliche Rolle spielt der Standort der Immobilie, der großen Einfluss darauf hat, ob eine längerfristige Vermietung gewährleistet ist.

Gold erlebte im Zuge der Finanzkrise vor etwa zehn Jahren eine Renaissance, kam dann unter Druck und hat sich zuletzt wieder erholt. Was raten Sie Anlegern diesbezüglich und was müssen sie dabei beachten?

Das ist logisch, weil Gold eine „Krisenwährung“ ist. Bei Unsicherheit in den Währungsmärkten steigt die Nachfrage nach Gold. Der Gold-Anteil am Gesamtvermögen sollte zehn bis 15 Prozent aber dennoch nicht übersteigen, da Gold keine Zinsen zahlt. Bei Gold setzt man einzig und allein auf einen Kursanstieg, d.h. Gold ist ein spekulatives Instru­ment und dessen sollte man sich bewusst sein.

Wie lange wird das tiefe Zinsniveau Ihrer Einschätzung nach noch anhalten?

Volkswirten zufolge sollte es noch zwei bis drei Jahre andauern. In Amerika hat die Notenbank Fed die Zinsen allerdings schon leicht erhöht und auch in Österreich sind die langfristigen Zinsen im Steigen. Die eine oder andere Bank hat Ende letzten Jahres bei Krediten bereits die langfristigen Zinsen erhöht. Mittelfristig rechne ich auch im Bereich der kurzfristigen Zinsen mit einem spürbaren Anstieg in den nächsten Jahren.

Für all jene, die Geld brauchen, sind die derzeit noch tiefen Zinsen ja erfreulich. Als junger Arzt etwa, wenn ich mir eine Praxis aufbaue, komme ich so günstig wie vielleicht noch nie zuvor zu Krediten. Was sollte man dabei beachten, etwa bei der Laufzeit?

Langfristiges Anlagevermögen wie Inventar und medizinische Geräte sollten auch langfristig finanziert sein. Ein häufiger Fehler ist, dass man zu kurzfristig finanziert und sich dann mit den Raten schwer tut. Man benötigt ein finanzielles Polster, vor allem wenn man als junger Arzt mit einer Ordination startet, da zu Beginn eher keine volle Auslastung gegeben sein wird. Deshalb empfiehlt es sich auch, das erste halbe Jahr mitzufinanzieren. Die langfristigen Zinsen sind momentan noch günstig, da bietet sich eine Fixzinsvereinbarung für zehn bis 20 Jahre an.

Ärzte sind in der Regel auf ihre Fachgebiete fokussiert und zeitlich ausgelastet. Viele haben weder Zeit noch Lust, sich intensiv mit Anlagethemen auseinanderzusetzen, was sie – in Kombination mit ihrer gleichzeitig oft guten finanziellen Situation – zu beliebten Objekten von Abzockern macht. Wie kann man sich dagegen wehren? Und was muss ich bei der Auswahl meines Vermögensberaters beachten?

Meines Erachtens nach ergibt sich das schon aus der Bezeichnung Vermögensberater. Wichtig ist also, dass wirklich die Beratung im Fokus steht. Ein guter Vermögensberater nimmt sich Zeit, führt zumindest zwei Gespräche – ein erstes Analyse­gespräch und dann ein weiteres, in dem konkrete Vorschläge besprochen werden. Der Berater sollte jedenfalls die Vor- und Nachteile seiner einzelnen Empfehlungen darlegen, damit sich der Arzt ein gutes Bild machen kann. Eine gesunde Portion kritisches Hinterfragen als Kunde schadet grundsätzlich nie und hilft auch dem Berater dabei abzuschätzen, ob seine Empfehlungen wirklich zu den Präferenzen des Kunden passen. Zur Unterstützung hat der Fachverband Finanzdienstleister für Konsumenten eine Checkliste zu Anlageprodukten erstellt und auf der Homepage www.wko.at/pro-kunden veröffentlicht. Dort werden die Fragen, die sich Anleger vor dem Kauf eines Anlageproduktes stellen sollten, erläutert.

Zur Person
Hannes Dolzer ist Fachverbandsobmann der Finanzdienstleister. Der gebürtige Kärntner ist seit 1999 Gewerblicher Vermögensberater und seit Jahren in der Steiermark tätig, wo er ab 2010 Obmann der Fachgruppe der Finanzdienstleister war. Ende 2015 übernahm er die Verbandsspitze.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune