Was dürfen Medikamente kosten?
„Ärzte ohne Grenzen“ lud zu einer Diskussion zum Thema „Luxus Medikamente“. Dort hagelte es Kritik an der Pharmaindustrie – diese wusste sich zu wehren. (Pharmaceutical Tribune 19/18)
„Das war ein Weckruf. So etwas darf nie wieder passieren“, fordert Dr. Clemens Martin Auer, Sektionschef im Gesundheitsministerium. Gemeint sind die Diskussionen um das 2014 in der EU zugelassene Medikament Sovaldi® (Sofosbuvir). Die Substanz, die von der Weltgesundheitsorganisation auf die Liste der unentbehrlichen Medikamente gesetzt wurde, ermöglicht – in Kombination mit anderen Wirkstoffen – mit Heilungsraten von bis zu 97 Prozent eine wirksame Therapie gegen Hepatitis C. In die Schlagzeilen kam das Medikament aber nicht wegen seiner Wirksamkeit, sondern wegen seines enormen Preises. Zu Beginn kostete eine zwölfwöchige Behandlung je nach Quelle 60.000 bis 80.000 Euro, laut der Pharmig, des Verbandes der pharmazeutischen Industrie Österreichs, waren es in Österreich 35.000 bis 45.000 Euro.
Mittlerweile liegt der Listenpreis in Österreich bei 24.000 Euro, der tatsächliche Preis dürfte aber aufgrund von Rabatten wohl unter 10.000 Euro liegen, wie zum Beispiel aus der Äußerung eines Experten bei der Wissenschaftlichen Fortbildungstagung der Österreichischen Apothekerkammer im März hervorgeht. In anderen europäischen Ländern, etwa in Belgien oder Zypern, kostet die Therapie aber noch immer über 40.000 Euro. In Ländern wie Ägypten, wo der Hersteller das Patent für die Produktion von Generika freigegeben hat, schlägt die Behandlung mit 300 Dollar zu Buche.
Kritik an Evergreening
Die Preisgestaltung auf dem Medikamentenmarkt – und damit auch verbunden der Zugang zu Medikamenten – war Thema in der von „Ärzte ohne Grenzen“ (MSF, Médicins Sans Frontières) veranstalteten Diskussion „Luxus Medikamente“, in der es Kritik an der Pharmabranche hagelte. Der Vertreter der NGO, Dimitri Eynikel, geißelte die Preispolitik vieler Medikamentenhersteller als unethisch. Von „unethischen Praktiken“ spricht auch Dr. Robert Sauermann, stellvertretender Leiter der Abteilung Vertragspartner Medikamente im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungen. Als Beispiel nennt er die Praxis, die als „Evergreening“ bekannt ist: Ein bewährtes Medikament wird vom Markt genommen und mit einer geringfügig veränderten Formulierung, einer anderen Dosierung oder einer neuen Indikation zu einem Vielfachen des bisherigen Preises auf den Markt gebracht.
Transparenz gefordert
„Im Jahr 2009 fielen 14 Prozent der Ausgaben für Arzneimittelspezialitäten in Österreich auf Produkte, bei denen eine Packung über 700 Euro kostet. Mittlerweile liegt der Anteil der Medikamente, bei denen eine Packung über 700 Euro kostet, bei 32 Prozent“, kritisiert Sauermann. „Der Preis hat oft nichts mit den Entstehungskosten zu tun“, bekräftigt der Hauptverbands- Vertreter und beklagt die mangelnde Transparenz der Pharmawirtschaft: „Die Entwicklungskosten für ein Medikament müssen nicht offengelegt werden. Es ist unklar, wie hoch dabei die Marketingkosten sind.“ MSF-Vertreter Eynikel legt nach: „Neun von zehn Pharmaunternehmen geben mehr Geld für Branding aus als für Forschung und Entwicklung.“ Pharmig-Generalsekretär Mag. Alexander Herzog weist die geballte Kritik zurück, insbesondere den Vorwurf des unethischen Verhaltens.
„Die Pharmabranche ist ein privatwirtschaftlich organisiertes System, in dem Gewinne erwirtschaftet werden müssen“, unterstreicht er: „Es geht darum, die Entwicklungskosten eines Medikaments wieder hereinzukriegen – und die betragen eineinhalb Milliarden Dollar.“ Dass die Marketingausgaben der Pharmaunternehmen höher liegen als die Entstehungskosten sei eine Unterstellung, „ein Märchen, das immer und immer wieder erzählt, aber dadurch nicht wahrer wird“. Dies lasse sich in den Geschäftsberichten der Unternehmen nachlesen. Herzog widerspricht auch dem entstehenden Eindruck, die Medikamentenausgaben würden durch die Preispolitik der Pharmaunternehmen explodieren: „Der Anteil der Medikamente an den österreichischen Gesundheitsausgaben beträgt konstant 13 Prozent.“