ECCO: Ernährungssituation bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen optimieren
Ernährungstherapie spielt im Management der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) eine wichtige Rolle. Dies allein schon aus dem Grund, dass CED-Betroffene nicht selten von Mangel- oder Fehlernährung bedroht sind. Darüber hinaus kann mittels enteraler Ernährung Remission induziert werden.
Die nicht selten suboptimale Ernährungssituation von Menschen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) führt potenziell zu einer Reihe von Komplikationen. Dr. Emma Halmos von der Monash University in Melbourne, Australien, nennt Fatigue, reduzierte Lebensqualität und Depression. Ungünstige Ernährung erhöht das Infektionsrisiko und verschlechtert das Ansprechen auf Kortikosteroide ebenso wie die Wundheilung. Dies alles führt letztlich im schlimmsten Fall auch zu erhöhter Mortalität. Auch chirurgische Outcomes werden durch Mangelernährung beeinträchtigt.
Auftreten von Sarkopenie/Myopenie im Auge behalten
Um Mangelernährung im klinischen Kontext zu diagnostizieren und zu quantifizieren, empfiehlt Halmos, auf das Auftreten von Sarkopenie/Myopenie, also eines verstärkten Abbaus fettfreier Körpermasse, zu achten. Diese wird durch den Body Mass Index („a rubbish marker for malnutrition“) nicht erfasst. Der Goldstandard in der Diagnose von Sarkopenie ist DXA (Dual Energy X‑Ray Absorptiometry). Darüber hinaus eignen sich Bioimpedanz und Ultraschall. Mittels Ultraschall kann auch eine viszerale Adipositas festgestellt werden. Halmos betont in diesem Zusammenhang, dass in der CED-Population Adipositas nicht selten ist und durchaus mit Myopenie vergesellschaftet sein kann. Eine Longitudinal-Studie zeigte, dass bei CED-Patientinnen und CED-Patienten mit den Jahren gleichzeitig Übergewicht und Myopenie/Sarkopenie häufiger werden. Reduzierte Knochendichte wurde bei mehr als einem Drittel der Probandinnen und Probanden gefunden, blieb in dieser Kohorte jedoch über die Jahre stabil.1 Halmos: „CED-Patienten und -Patientinnen werden schwerer, mit mehr Fett, weniger Muskelmasse und weniger Kraft“. Als einfache Tests für den klinischen Alltag empfiehlt Halmos die Messung des Taillenumfangs, Bioimpedanz und eine Bestimmung der Hand-Griffstärke: „Das ist einfach billig und überall durchführbar.“
Enterale Ernährung reduziert Inflammation und hilft, Operationen zu vermeiden
Besondere Bedeutung kommt der Ernährung im Zusammenhang mit CED-Operationen zu, zumal ein unbeabsichtigter Gewichtsverlust von mindestens 5% bereits mit erhöhter Mortalität assoziiert ist. Halmos betont jedoch, dass dieses Risiko mehr als ausgeglichen werden kann, wenn präoperativ eine diätetische Unterstützung erfolgt. In den meisten Studien zu diesem Fragenkomplex wurden über 5–7 Tage 2–4 Supplemente gegeben, was zu einer Reduktion anastomotischer Leaks, abdominaler Abszesse, von Wundinfektionen und Pneumonien führte.2,3 Dementsprechend besteht in den ERAS (Enhanced Recovery After Surgery) Guidelines eine starke Empfehlung für präoperativen Ernährungs-Support.4
Die Maximalvariante der unterstützen Ernährung ist die exklusiv enterale Ernährung mit einer medizinischen Trinknahrung. In einer retrospektiven Fallkontroll-Studie wurde für den perioperativen Einsatz nicht nur eine dramatische Reduktion postoperativer Komplikationen nachgewiesen. Vielmehr zeigte diese Ernährungsform eine so günstige Wirkung auf die Krankheitsaktivität, dass bei rund 25% der Patientinnen und Patienten die geplante Operation wieder abgesagt werden konnte. Die enterale Ernährung reduzierte auch den Entzündungsmarker CRP signifikant.5
Exklusiv enterale Ernährung so wirksam wie Kortikosteroide
Daraus ergibt sich die Konsequenz, so Halmos, dass ausnahmslos jede CED-Patientin und jeder CED-Patient vor einer geplanten Operation Ernährungsunterstützung bekommen sollte. Dies bedeutet jeweils mindestens 2 orale Supplemente an den 7 Tagen vor dem Eingriff. Dabei sollte diätologische Expertise herangezogen werden. Dies gilt insbesondere bei Patientinnen und Patienten mit besonderen Ernährungsbedürfnissen infolge laufender restriktiver Diäten, Unterernährung oder Adipositas. Halmos: „Diese Chance wird derzeit viel zu wenig genützt. Eine exklusive enterale Ernährung sollte in Betracht gezogen werden, mit dem Ziel, die Entzündungslast zu reduzieren und die postoperativen Ergebnisse zu verbessern.
Bei Kindern mit Morbus Crohn ist die exklusive enterale Ernährung bereits seit Längerem eine Standard-Methode zur Induktion von Remission. Der Effekt ist im Hinblick auf das Erreichen klinischer Remission vergleichbar mit Kortikosteroiden, hinsichtlich des Endpunkts Mukosa-Heilung jedoch überlegen im Vergleich zu den mit deutlich schwereren Nebenwirkungen behafteten Steroiden. Damit stellt die exklusive enterale Ernährung eine First-Line-Therapie des pädiatrischen Morbus Crohn dar. Halmos betont, dass die Effektgröße bei Erwachsenen zwar nicht so groß ist wie bei Kindern, bei denen zu rund 80% eine Remission erreicht werden kann. Exklusive enterale Ernährung stelle jedoch auch bei erwachsenen Patientinnen und Patienten eine Option dar. Eine Voraussetzung ist jedoch gute Adhärenz, die durch entsprechende Betreuung gewährleistet und verbessert werden kann.
Quelle: „Crossing borders in IBD: Session 10 – Nutritional therapy – from paediatric to adult care“, ECCO 2024, Stockholm, 24.2.2024