29. Aug. 2017

Sauerstoff für Infarktpatienten nicht besser als Raumluft

FOTO: SEANSHOT / ISTOCK
Patienten mit Symptomen eines Herzinfarktes erhalten routinemäßig Sauerstoff. Dies wurde, so Dr. Robin Hofmann vom schwedischen Karolinska Institut, im Wesentlichen so gemacht, weil es immer so gemacht wurde. Man nahm an, so Hofmann, dass die Sauerstoffgabe die Versorgung des Myokards verbessern und so den Myokardschaden begrenzen könne. Diese Annahme wurde zunehmend hinterfragt und die Studie AVOID1 fand schließlich sogar größere Infarktareale bei Patienten, die Sauerstoff erhalten hatten.

Keinerlei klinischer Vorteil durch Sauerstofftherapie

Evidenz aus randomisierten, klinischen Studien fehlte. Diese Lücke wurde nun mit der Studie DETO2X-AMI2 geschlossen. Mit negativem Ergebnis: Hinsichtlich des primären Endpunktes Mortalität innerhalb eines Jahres wurden keine Unterschiede zwischen den Gruppen (Sauerstoff vs. Raumluft) gefunden. Die Mortalität betrug 5,0 Prozent in der Sauerstoff- und 5,1 Prozent in der Raumluft-Gruppe. Auch hinsichtlich der sekundären Endpunkte (z.B. Reinfarkt-Rate) brachte die Sauerstofftherapie keinerlei Vorteile. Dieses Ergebnis war durch alle Subgruppen konstant. Auch bei Risikopatienten wie Rauchern und Diabetikern wurde durch Sauerstoffgabe kein Vorteil erreicht.

DETO2X-AMI ist bislang die erste und einzige randomisierte, kontrollierte Studie zur Sauerstofftherapie bei akutem Myokardinfarkt. Eingeschlossen waren 6.229 Patienten an 35 Zentren in Schweden. Damit erfasst diese Studien sechsmal mehr Patienten als alle bislang zu dieser Fragestellung publizierten Arbeiten zusammen. Es handelte sich um eine vollkommen praxisnahe Patientenpopulation, die den Alltag einer Notfallkardiologie bestmöglich widerspiegelt. Eine sofortige Wirkung auf die klinische Praxis in Europa wird erwartet.

Kein Nutzen – aber wenigstens auch kein Schaden

Die ESC-Guidelines für das Management des STEMI empfehlen Sauerstoff für Patienten mit Atemlosigkeit, Hypoxie oder Herzinsuffizienz und halten fest, dass die Rolle von Sauerstoff bei allen anderen Patienten „bestenfalls unsicher“ sei. „Während die Leitlinie in diesem Punkt lediglich auf Basis von Expertenmeinungen erstellt wurde, können wir nun belastbare Evidenz beitragen“, kommentierte Studienautor Prof. Dr. Stefan James von der Universität Uppsala und fügt hinzu, dass man angesichts der Ergebnisse von AVOID auch eine gewisse Entwarnung geben könne: „Sauerstoff wird ja nach wie vor bei vielen Herzinfarkt-Patienten gegeben. Unsere Daten legen nun nahe, dass man diesen Patienten damit wenigstens nicht geschadet hat.“

Referenzen:
1 Stub D, et al. Air versus oxygen in ST-segment-elevation myocardial infarction. Circulation. 2015;131:2143–2150.
2 DETermination of the role of OXygen in suspected Acute Myocardial Infarction, präsentiert von R. Hofmann im Rahmen des ESC 2017, Abstract 3067

DETO2X-AMI wurde simultan zur Präsentation im New England Journal of Medicine publiziert und ist kostenlos im Volltext verfügbar.