Schwangere von Juckreiz gequält

Der Fall: „Ich halte dieses Jucken einfach nicht mehr aus,“ begrüßt Sie Frau L. (29 J.). „Es fing vor einigen Tagen mit so einem Ausschlag an Brust und Bauch an, jetzt ist sogar mein Gesicht betroffen. Es juckt einfach furchtbar. Vor allem nachts halte ich es fast nicht mehr aus! Ich habe schon sämtliche Hausmittel ausprobiert wie Topfen oder kalten Schwarztee auftupfen, aber das hilft alles nur kurzfristig. Sie müssen mir unbedingt helfen.“ Die junge Frau ist in der 34. SSW, und bisher verlief die SS komplikationslos. Klinisch zeigen sich unzählige rötliche Plaques und Papeln abdominell, thorakal und im Gesicht. Fieber, Unwohlsein sowie Gewichtsabnahme werden verneint. Cor: rein, rhythmisch, Pulmo: VA bds, RR 150/90 mmHg, P 80/min, Temp. 36,4°C. Woran leidet die junge Patientin, und wie können Sie ihr helfen? (ärztemagazin 10/2017)

„Die Patientin leidet möglicherweise an einer sogenannten PEP“

Dr. Cora Schneidinger, Bsc, Semmelweis
Frauenklinik Wien
Juckreiz in der Schwangerschaft ist mit einer Prävalenz von bis zu 18 Prozent ein häufiges Problem. Dem Juckreiz können unterschiedliche Hauterkrankungen zugrunde liegen. Auch wenn die meisten Hautveränderungen für das ungeborene Kind ungefährlich sind, sind eine genaue Anamnese und Diagnostik essenziell, um eine potenzielle Gefährdung ausschließen zu können.

Die im Fallbericht beschriebene Patientin leidet möglicherweise an einer sogenannten PEP (polymorphic eruption of pregnancy). Dieses ist eine häufige Hauterkrankung (1/200 Schwangerschaften), welche vor allem im 3. Trimenon auftritt. Typisch sind erythematöse oder ödematöse Papeln und Plaques und ein quälender Juckreiz. Am Bauch beginnend, breitet sich der juckende Ausschlag häufig auf Stamm, Gesäß, Oberschenkel und Arme aus. Um andere mögliche Erkrankungen auszuschließen, muss eine genaue Anamnese und eine Blutabnahme zur Leberparameter- und Gallensäurenbestimmung erfolgen.

Falls es sich bei der Patientin um eine Allergikerin handelt, muss differenzialdiagnostisch an den Prurigo gestationis und die pruriginöse Follikulitis gedacht werden. Wichtig ist hier die genaue Familien- und Eigenanamnese hinsichtlich Atopie. In der Schwangerschaft ebenfalls häufig ist der Pruritus gravidarum sine materia, wo ein Juckreiz, allerdings ohne offensichtliche Dermatose, im Vordergrund steht. Da hier eine intrahepatische Cholestase mit Erhöhung der Leberparameter vorliegt, muss eine Blutabnahme erfolgen. Bei der intrahepatischen Cholestase ist das Risiko für eine Frühgeburt (20%) sowie für eine Totgeburt (1–2%) erhöht, daher muss das Kind engmaschig überwacht werden. Die Therapie besteht aus einer Senkung der Gallensäuren mittels Ursodesoxycholsäure (Ursofalk).

Eine weitere, jedoch seltene Haut­erkrankung, bei der ein erhöhtes Risiko für eine Frühgeburt oder Totgeburt besteht, ist das Pemphigoid gestationis. Es handelt sich dabei um eine Autoimmunerkrankung, bei der ebenfalls ein Juckreiz im Vordergrund steht. Hier entstehen jedoch nach einigen Tagen auch pralle Bläschen und Bullae. Bei fehlender Atopieanamnese sowie blanden Laborbefunden kann man die Patientin beruhigen, das PEP früher auch PUPPP – Pruritic Urticarial Papules and Plaques of Pregnancy – genannt) birgt kein Risiko für das ungeborene Kind. Wichtig ist die richtige Therapie, damit die Nachtruhe der Patientin wieder gewährleistet ist.

Die erste Stufe der Therapie ist die Anwendung von kühlenden, mentholhaltigen Lotionen und Schüttelmixturen sowie lokale oder sys­temische Antihistaminika. Bei fehlender Wirkung können schwache und mittelstarke kortikoidhaltige Cremen sowie Polidocanol-haltige Externa verwendet werden. Falls auch diese Therapie keine Linderung des Juckreizes bringt, kann die Patientin für einige Tage systemisch Kortikosteroide einnehmen. Eine gute Nachricht an die Patientin ist, dass die Symptome postpartal meist innerhalb weniger Tage regredient sind.

„Nicht selten besteht bereits eine Dermatose vor der Schwangerschaft“

OÄ Priv.-Doz. Dr. Gunda Pristauz,
Univ.-Frauenklinik Graz/Brustzentrum LKH Graz
Die Patientin leidet unter dem typischen Bild einer Schwangerschaftsdermatose. Unter diesem Begriff werden zumeist vier Erkrankungen zusammengefasst: Pemphigoid gestationes, Polymorphe Schwangerschaftsdermatose, früher PUPPP, pruritic urticarial papulkes and plaques of pregnancy), intrahepatische Schwangerschaftscholestase und atopische Schwangerschaftsdermatose. Nicht selten besteht anamnestisch bereits eine Dermatose vor der Schwangerschaft. Die potenziell gefährlichste Dermatose stellt die Schwangerschaftscholestase dar, welche eine erhöhte Frühgeburtlichkeitsrate zeigt. Laborchemisch sollten die Gallensäuren bestimmt werden.

Therapeutisch stehen Lokaltherapien (Kortisonhaltige Externa oder topische Antihistaminika) im Vordergrund, bei sehr ausgeprägtem Juckreiz kann v.a. in der späteren Schwangerschaft auch ein orales Kortison (bevorzugt Prednisolon) eingesetzt werden. Meist klingen die Dermatosen nach ein paar Wochen ohne Rezidive ab.

„Der Juckreiz bei Pruritus urticaria gravidarum ist besonders lästig“

Univ.-Prof. Dr. Christian Dadak,
Univ.-Klinik f. Frauenheilkunde, MedUni Wien
Sehr selten (1–2%) kommt es in der Schwangerschaft zu einem flächenhaften Exanthem mit Papeln und Plaques über das Abdomen und den Thoraxbereich, die einen sehr unangenehmen Juckreiz verursachen. Im Gesicht habe ich selbst diese Veränderungen allerdings noch nicht gesehen. Es gibt im Wesentlichen drei Dermatosen, die im Kontext zu Schwangerschaften auftreten: Pruritus gravidarum, Pruritus urticaria gravidarum mit Papeln und Plaques und Herpes gestationes (in Europa gibt es dafür auch die Bezeichnung: bullöses Schwangerschafts-Pemphigoid).

Im gegenständlichen Fall dürfte es sich um die zweite Form, nämlich den Pruritus urticaria gravidarum handeln. Dieses Krankheitsbild tritt zumeist erst im letzten Schwangerschaftsdrittel auf und betrifft üblicherweise das Abdomen, die Oberschenkel, Arme und Gesäß. Histologisch würde man perivasculäre lymphozytäre Infiltrate sehen. Zumeist betrifft es Erstschwangere und Frauen mit Mehrlingen. Ein Rezidiv ist selten. Der Juckreiz bei Pruritus urticaria gravidarum ist besonders lästig und beeinträchtigt die Lebensqualität ganz besonders.

Um eine Leberbeteiligung in Form einer Cholestase abzugrenzen, empfiehlt es sich, die Leberparameter zu bestimmen. Denn in ­diesem Fall könnte es auch zu Beeinträchtigungen beim Fetus kommen. Da der Blutdruck leicht erhöht ist, wäre auch ein Blutbild mit Thrombozyten und die Bestimmung der Nierenparameter angezeigt. Die Erkrankung sollte keine Auswirkung auf den Feten haben.

Als Therapie wird eine Cortisonsalbe empfohlen, in schweren Fällen kann sich auch eine orale Cortisontherapie mit Prednisolon 40mg als notwendig erweisen. Da der Schorf, der sich bildet, von der Kleidung immer wieder abge­rieben wird und blutet, hat mir eine betroffene Patientin berichtet, dass sie die betroffenen ­
Stellen mit einer Folie abdeckt und es damit besser geht und ­besser abheilt und der Juckreiz erträglicher wird.