Knubbelige Rötung im rechten Auge
Der Fall. „Ich habe seit 2 Tagen diese knubbelige Rötung neben der rechten Iris“ beschreibt Herr F. (28 J.) sein aktuelles Problem. „Meine Kontaktlinsen habe ich länger nicht getragen. Ich dachte, das vergeht sicher wieder, aber jetzt bin ich doch etwas nervös. Nicht, dass es sich negativ auf die Sehkraft auswirkt, obwohl ich momentan noch normal sehe. Nicht verschwommen, auch keine Flecken oder so. Was ist das? Ist das gefährlich?“ Es bestanden zu keiner Zeit Schmerzen, auch kein Druck- oder Fremdkörpergefühl. Herr F. verneint auch einen Schlag auf den Kopf, ein Anschlagen des Kopfes oder Kopfschmerzen. Allerdings habe er in den letzten Tagen sehr viel mit vorgeneigtem Kopf gearbeitet. Keine Vorerkrankungen. Keine Dauermedikation. RR 130/80 mmHg, P 75. Können Sie Ihren Patienten beruhigen? Welche Differenzialdiagnosen sind zu beachten? (ärztemagazin 02/17)
„Am ehesten kann man von einer subkonjunktivalen Blutung ausgehen“
Assoc.-Prof. Birgit Lackner, MD,
Univ.-Klinik für Augenheilkunde, AKH Wien
Wenn die Rötung plötzlich und ohne Schmerzen auftritt, kann man am ehesten von einer subkonjunktivalen Blutung (also einer Blutung unter der Bindehaut) ausgehen, einem sogenannten Hyposphagma. Die flächenhafte rote Verfärbung der Bindehaut ist gut abgrenzbar und ohne sichtbare Gefäße. Das Hyposphagma entsteht bei starkem Husten, Pressen, Valsalva- Manöver beim Heben schwerer Lasten etc. Häufiger tritt es bei Patienten auf die antikoaguliert sind, sowie bei Hypertonikern. Innerhalb einer bis zwei Wochen kommt es zu einer kompletten Rückbildung mit gelblichem Farbton.
Man sollte den Patienten in erster Linie beruhigen und über die Harmlosigkeit aufklären. Allerdingst wäre bei wiederholtem Auftreten eine internistische Durchuntersuchung und Abklärung (Hypertonie, Antikoagulatien, Gefäßsklerose, hämorrhagische Diathese?) angezeigt. Wenn die Rückbildung nicht innerhalb kürzerer Zeit erfolgt, ist auch an ein Lymphom oder z.B. bei HIV positiven Patienten an ein Kaposi Sarkom zu denken.
Eine routinemäßige Augendruckmessung sowie der Ausschluss einer Bulbusverletzung sollte durchgeführt werden. Daher ist eine genaue Anamnese von großer Bedeutung. Die Spaltlampenuntersuchung zeigt eine Abgrenzung zur Episkleritis, wie auch Pinguecula oder eingebluteter Dermoide. Zur Patientenaufklärung ist zu sagen, dass eine zielführende Therapie mit rascherem Verschwinden der Rötung nicht wirklich angeboten werden kann. Befeuchtungstropfen führen aber bei den meisten Patienten zu einem verbesserten Wohlbefinden.
„Anamnestisch muss immer ein Trauma ausgeschlossen werden“
Dr. Beatrix Neumaier-Ammerer,
Wahlärztin Wien und Payerbach, OÄ an der Augenabt. Kepler Univ.-Klinikum Linz
Der vorliegende Befund spricht typischerweise für ein Hyposphagma, eine subkonjunctivale Blutung. Die häufigste Ursache ist eine venöse Druckerhöhung im Kopf, die zum Beispiel durch größere körperliche Anstrengung wie starkes Pressen, Husten, Spielen eines Blasinstrumentes oder wie in dem vorliegenden Fall durch langes Arbeiten mit vorgeneigtem Kopf ausgelöst werden kann.
Anamnestisch muss immer ein Trauma ausgeschlossen werden, da es beispielsweise bei einer Hammer-Meisel-Verletzung um die Eintrittsstelle eines Fremdkörpers handeln könnte. Hier müsste in jedem Fall eine Exploration der darunterliegenden Sklera erfolgen, um sicherzustellen, dass keine Skleraperforation vorliegt. Prädisponierend für das spontane Auftreten eines Hyposphagmas ist neben einem höheren Lebensalter und einer Arteriosklerose eine systemische Antikoagulation sowie eine arterielle Hypertonie. Bei Rezidiven ist deshalb auf jeden Fall eine Kontrolle des Blutdrucks und der Blutgerinnung durchzuführen.
Klinisch zeigt sich eine scharf begrenzte subkonjunctivale Blutung unterschiedlicher Größe, ohne Entzündungszeichen. Bei stärkeren Blutungen, z.B. bei antikoagulierten Patienten, kann diese auch erhaben sein. Eine Beeinträchtigung der Sehschärfe besteht nie. Ein Hyposphagma ist fast immer schmerzlos und kann in jedem Alter auftreten. Manchmal verspüren die Patienten ein leichtes Fremdkörpergefühl. In der Regel resorbiert sich die Blutung innerhalb von 1–2 Wochen.
Da v.a. bei größeren Blutungen die Patienten sehr beängstigt sind, ist eine Aufklärung über die Harmlosigkeit des vorliegenden Befundes notwendig. Eine Therapie ist fast nie erforderlich. Zur Behandlung eines bestehenden Fremdkörpergefühls verordne ich Tränenersatzmittel. Mögliche Differenzialdiagnosen sind eine bakterielle Conjunctivitis, aber auch eine Iridozyklitis oder Skleritis. Die Untersuchung an der Spaltlampe bestätigt die Diagnose jedoch zweifelsfrei.
„Die in Frage kommenden Läsionen sind mehr oder weniger harmlos“
Assoc.-Prof. PD Dr. Christina Leydolt,
OÄ an der Univ.-Klinik für Augenheilkunde, AKH Wien
Eine lokalisierte, erhabene, schmerzlose Hyperämie im Bereich der an die Hornhaut grenzenden äußeren Bulbuswand kann mehrere Ursachen haben. Eine noduläre Episkleritis z.B. imponiert als umschriebene Rötung und Schwellung der Bindehaut und der darunterliegenden Episklera, die mit leichtem Fremdkörpergefühl einhergehen kann. Die Erkrankung ist gutartig und selbstlimitierend, ist evtl. mit einer systemischen Grunderkrankung oder Stress assoziiert und häufig rezidivierend. Ein lokales Corticosteroid (z.B. Prednisolonacetat-Augentropfen) oder ein nichtsteroidales Antiphlogistikum (z.B. Keterolac- Augentropfen) verkürzen meistens die Episode.
Es könnte auch eine Bindehautzyste vorliegen, durch die mechanische Irritation des Lidschlags oder Kontaktlinsen inflammiert. Diese konjunktivalen Retentionszysten verschwinden oft von alleine, gegebenenfalls können sie mit der Nadel punktiert oder bei häufigen Rezidiven chirurgisch entfernt werden. Weiters wäre ein Pingueculum (Lidspaltenfleck) möglich. Diese harmlosen, asymptomatischen, meist bilateralen Läsionen imponieren als gelbweiße lipidhaltige Ablagerungen auf der Bindehaut und entzünden sich gelegentlich.
An derselben Lokalisation, im Bereich der Lidspalte an den Hornhautlimbus angrenzend, kann auch ein incipientes Pterygium (Flügelfell) einer „knubbeligen Rötung“ entsprechen. Durch UV-Strahlen veränderte Bindehautepithelzellen wachsen langsam über den Limbus auf die Hornhaut und können zunehmend chronische Reizung, Probleme mit dem Tränenfilm und, bei Erreichen der optischen Achse, Beeinträchtigen des Sehens verursachen. Es können z.B. Hyaluronsäure-hältige Tränenersatzmittel bei Fremdkörpergefühl oder Tränenfilminstabilität angewandt werden.
Bei intermittierenden Entzündungen kann eine Kurzzeit-Therapie mit lokalen Steroiden erfolgen. Eine chirurgische Entfernung eines Pterygiums ist erst bei Problemen mit dem Sehen indiziert – die Rezidivrate ist meist hoch, trotz autologem Bindehauttransplantat. All diese Läsionen sind mehr oder weniger harmlos, rein oberflächlich, und wirken sich (bis auf ein sehr fortgeschrittenes Pterygium) keinesfalls auf die Sehkraft aus – dahingehend kann der Patient beruhigt werden. Zu den seltenen malignen Neoplasien der Bindehaut, die ophthalmologisch ausgeschlossen werden müssen, zählen Lymphom, intraepitheliale Neoplasie, Plattenepithelkarzinom und (amelanotisches) Melanom.