Seit dem Unfall schmerzt das Knie

„Ich habe immer noch Beschwerden mit meinem linken Knie“, begrüßt Sie Frau D., eine rüstige 63-jährige Pensionistin. „Vor 4 Monaten bin ich gestolpert und ganz blöd auf mein linkes Knie und das Gesicht gestürzt. Ich war damals im Krankenhaus, da die Innenseite der Lippe genäht werden musste. Auch ein Röntgen vom Knie wurde gemacht, aber es war alles in Ordnung, nichts gebrochen. Nur habe ich seitdem immer wieder Schmerzen, die dann bis in die Kniekehle ausstrahlen.Hinhocken oder hinknien geht gar nicht mehr richtig und auch beim Autofahren, vor allem wenn ich länger im Stau stehe, oder beim Treppensteigen schmerzt es ordentlich, manchmal so stark, dass ich direkt einknicke. Was ist da nur los?“ Inspektion unauffällig, keine Schwellung, Schubladen-Test negativ, Lachmann-Test negativ, keine vermehrte Aufklappbarkeit, völlige Flexion nur unter Schmerzen möglich. Was antworten Sie Frau D. und wie können Sie ihr helfen? (ärztemagazin 20/2016)

„Es besteht der hochgradige Verdacht auf eine Meniskusverletzung“

Univ.-Doz. Dr. Max Böhler,
FA f. Orthopädie und ­orthopädische Chirurgie, Wien und Baden
Bei der Patientin besteht der hochgradige Verdacht auf eine Verletzung von Binnenstrukturen des Kniegelenks, wahrscheinlich einer Meniskusverletzung. Neben den – laut Bericht – schon durchgeführten klinischen Untersuchungen müssen auch noch die sogenannten Untersuchungen der Meniskuszeichen zusätzlich angewandt werden. Tests wie die Überprüfung des Payr-Zeichens, Steinmann-I- und -II-Zeichen sowie der Apley-Grinding-Test sind an sich schon pathognomonisch für die Verletzung des Meniskus.

Zum Ausschluss anderer möglicher Schmerzursachen ist aber noch zusätzlich die Durchführung einer MRT-Untersuchung des Kniegelenks erforderlich, die in Fällen mit Verdacht auf Meniskusläsion an sich schon zu einer Routineuntersuchung avanciert ist. Bestätigt sich die Meniskusruptur, so ist bei einem radiologisch unauffälligen Gelenksbefund die Arthroskopie und arthroskopische Teilmeniscektomie die Therapie der Wahl, mit der die schmerzfreie Mobilität für die Patientin gewährleistet werden kann.

„Prinzipiell muss nicht jeder Meniskusriss operiert werden“

OA Dr. Andreas Gfrerrer,
FA f. Orthopädie und ­orthopädische Chirurgie, Wien
Aufgrund der Klinik ist das Knie nochmals genau auf einen vorliegenden Meniskusschaden zu untersuchen. Hierzu gibt es verschiedene Tests, mit denen man auch die Lokalisation des Risses beurteilen kann. Ebenso ist bei der Untersuchung auf einen Gelenkserguss zu achten. Bei positiven Meniskuszeichen ist als nächster Schritt die Durchführung eines MRTs angezeigt, um die klinische Diagnose zu bestätigen. Knieschmerzen können die Folge von natürlichen Alterserscheinungen und altersbedingtem Verschleiß sein. Sie können jedoch auch durch übermäßige Beanspruchung oder durch akute Verletzungen bei einem Sturz oder falschem Auftreten entstehen.

Das Kniegelenk ist das größte Gelenk des Körpers, erkläre ich der Patientin zur Information. Mit gesunden Kniegelenken können wir ohne Schmerzen gehen, uns drehen und in die Hocke gehen. Dabei ist das Kniegelenk in der Lage, ein Mehrfaches unseres Körpergewichtes in den verschiedenen Belastungssituationen zu tragen. Das Zusammenspiel zwischen Knochen, Menisken, Muskeln, Bändern, Knorpeln und anderen Weichteilen im Kniegelenk gibt unserem Körper nicht nur Stabilität, sondern auch Beweglichkeit.

Jedes Kniegelenk hat einen Innen- und Außenmeniskus, der als „Stoßdämpfer“ dient, indem er Belastungen abfedert, verteilt und eine koordinierte Bewegung zwischen Unter- und Oberschenkel ermöglicht. Prinzipiell muss nicht jeder Meniskusriss operiert werden. Degenerative Risse bei älteren Patienten können konservativ behandelt werden. Bestehen ebenfalls altersbedingte Begleiterscheinungen wie Muskelschwäche oder Arthrose, sind physiotherapeutische Übungen sinnvoll. Unterstützend kann eine Bandage oder Orthese auf Dauer verordnet werden.

Da im Fall von Frau D. jedoch eindeutig rezidivierende meniskale Beschwerden bestehen und auch ein adäquates Trauma vorliegt, würde eine Kniegelenksarthroskopie, auch bei sicherlich bereits vorliegenden arthrotischen Veränderungen, Sinn machen und der Patientin helfen. Hierbei wird nur der geschädigte Teil des Meniskus entfernt, um möglichst viel Meniskus zu erhalten.

„Wegen der Schmerzen in der Kniekehle denke ich auch an eine ,Bakerzyste‘“

MR Dr. Bernhard Gisinger,
FA f. Orthopädie und orthopädische Chirurgie, Orthopädie Donau Zentrum, Wien
So wie die Schilderung klingt, handelt es sich sehr wahrscheinlich um eine Verletzung des Meniskus im Hinterhornbereich, was den Beugeschmerz erklärt. Weitere klinische Tests können den Verdacht erhärten (allein im „Buckup“ sind 16 derartige Tests mit klingenden Namen beschrieben). Weiters kann eine MRT-Untersuchung das Ausmaß einer derartigen Verletzung zeigen. Durch die Limitations-Politik unserer kranken Kassen ist eine solche MRT aber selten zeitnah zu erreichen!

Neben der Meniskusschädigung können auch kleinere – und damit im Röntgen nicht erkennbare – Knorpelschäden, ein posttraumatisches Knochenmarködem sowie Zerrungen der Weichteile (Kapsel, Sehnen, Bänder) derartige Schmerzen verursachen. Was die Schmerzen in der Kniekehle betrifft, denke ich auch an die Möglichkeit einer „Bakerzyste“, welche auch bei nur geringem Gelenkserguss beobachtet wird. Die Kniekehle ist ja oft „der Mistkübel“ bei Erkrankungen des Kniegelenkes.

Als Therapie empfehle ich Frau D. Schonung, kalte Umschläge oder Topfenwickel, die Anwendung von entzündungshemmenden und schmerzlindernden Einreibungen und allenfalls eine Knieorthese. Darüber hinaus können physikalische Therapien und Physiotherapie bzw. Heilgymnastik helfen. Sollte Frau D. unter stärkeren oder starken Schmerzen leiden, ist sicher auch die eine oder andere intraartikuläre Infiltration mit einer Mischung aus Lokalanästhetikum und kristallinem Kortison indiziert.

In vielen Fällen ist die konservative Therapie erfolgreich. Selbst für den Fall, dass in einer MRT ein Meniskuseinriss dargestellt ist, gilt aber selbstverständlich, dass eine allfällige OP-Indikation nicht durch einen Befund, sondern nur wegen der schlechten Befindlichkeit (Leidensdruck) des Patienten gegeben ist.