Mutters Handgelenk schmerzt sehr
Frau W. (35 J.) sitzt mit ihrem kleinen Sohn (13 Monate) auf dem Schoß bereits in Ihrem Sprechzimmer. „Mir tut mein linkes Handgelenk seit einiger Zeit so weh“, begrüßt sie Sie. „Leider wird es immer schlimmer. Max ist seit einiger Zeit recht anhänglich und will ständig getragen werden. Normalerweise trage ich ihn auf der linken Hüfte, um etwas tun zu können, das geht jetzt gar nicht mehr. Dann bekomme ich diese einschießenden Schmerzen im Daumen und dem Handgelenk. Sie müssen mir unbedingt schnell helfen. Wenn ich Max rechts trage, kann ich nichts arbeiten und im Haushalt bleibt alles liegen. Das geht nicht.“ Das linke Handgelenk zeigt daumenseitig eine leichte Schwellung und ist sehr druckempfindlich. Finkelsteinzeichen: positiv. Keine Vorerkrankungen bekannt, keine Dauermedikation. Frau W. stillt nachts noch. Woran leidet die junge Mutter und können Sie ihr rasch helfen?
“Lokale und systemische antiphlogistische Maßnahmen sind meist erfolgreich“
Univ.-Doz. Dr. Max Böhler,
Evangelisches Krankenhaus Wien Währing
Die geschilderten Schmerzen der jungen Mutter und besonders der positive Finkelstein-Test sind pathognomonisch für die Tendovaginitis stenosans de Quervain, ein Engpasssyndrom des ersten Strecksehnenfachs am Handgelenk. Das durch Überbeanspruchung mit wiederholten Abduktions-Extensions-Bewegungen des Daumens sowie Seitwärtsbewegungen des Handgelenks verursachte Schmerzsymptom umfasst dabei zwei Sehnen des Daumens, die auf Grund einer Verdickung der Sehnenscheide ohne Hinweis für einen inflammatorischen Prozess in ihrer Funktion schmerzhaft eingeschränkt sind.
Differenzialdiagnostisch würden aber auch eine Rhizarthrose, eine Styloiditis radii oder das Wartenbergsyndrom – ein distales N.radialis-Kompressionssyndrom – in Frage kommen und müssen durch entsprechende Untersuchungen ausgeschlossen werden. Die Behandlung der Tendovaginitis stenosans de Quervain ist primär konservativ. Lokale und systemische antiphlogistische Maßnahmen (cave Stillen) sowie eine kurzzeitige Ruhigstellung in einer palmaren Gipsschiene und additiv lokale Kortikoidinfiltrationsbehandlungen sind in manchen Fällen erfolgreich. Bei anhaltenden Beschwerden ist aber die operative Sanierung mit einer Spaltung des ersten Strechsehnenfachs unter Schonung der Endäste des N.radialis angezeigt.
„Hier liegt eine Tendovaginitis stenosans de Quervain vor“
OA Priv.-Doz. Dr. Markus Figl,
Handchirurgie Zentrum Wien Döbling
Eine Tendovaginitis stenosans de Quervain liegt vor. Es handelt sich dabei um eine einengende Schwellung der Sehnenscheiden im 1. Strecksehnenfach. Dazu kann es durch Überbelastung, Sehnenscheidenreizung und bei einer gewissen individuellen Neigung kommen. Die landläufige Bezeichnung „Hausfrauendaumen“ trägt der Tatsache Rechnung, dass Frauen deutlich häufiger betroffen sind als Männer. Ein gehäuftes Auftreten wird bei Müttern beobachtet, die häufig ein Baby mit kraftvoller Daumenbeugung halten, sowie neuerdings bei extrem häufigem Tippen von Nachrichten am Smartphone.
Zunächst sollte man die schmerz-auslösenden Bewegungen und Haltungen vermeiden. Zusätzlich können Ruhigstellung, lokale Eisanwendung, entzün-dungshemmende Salben oder Tabletten sowie gezielte Kortisoninjektionen helfen. Falls die konservativen Maßnahmen nicht zum Erfolg führen, ist die operative Therapie angezeigt. Der Eingriff wird tagesklinisch in Regionalanästhesie vorgenommen. Über einen 2-3cm langen Schnitt wird das 1. Strecksehnenfach gespalten und die Sehnen des Abductor pollicis longus (APL) und des Extensor pollicis brevis (EPB) tenolysiert. Die APL-Sehne ist häufig mehrfach in sich längsgeteilt.
Die EPB-Sehne läuft oft streckenweise oder ganz in einem gesonderten Fach. Bei unzureichender OP-Technik kann eine unvollständige Spaltung des 1. Strecksehnenfaches resultieren. Der sensible Nervenast für das Hautgefühl an der Daumenstreckseite ist unbedingt zu schonen, der Eingriff ist mit Lupenbrillenvergrößerung durchzuführen. Eine ambulante Spaltung ohne Anlegen einer Blutleere ist obsolet. Die typische Schmerzsymptomatik verschwindet nach der Operation, die ausstrahlenden Schmerzen bessern sich nach einigen Tagen. Narbenbeschwerden können noch bis zu acht Wochen nach dem Eingriff auftreten. Ihren endgültigen Zustand erreicht die Narbe etwa zwölf Monate nach der Operation. Unabhängig davon sollte die Hand zwei bis drei Wochen nach dem Eingriff im Alltag wieder voll einsetzbar sein.
„Pathognomisch ist der positive Finkelstein-Test“
Dr. Magdalena Materzok-Weinstabl,
FÄ f. Unfallchirurgie, Wahlärztin Wiener Privatklinik, Lorenz Böhler Unfallkrankenhaus, Wien
Bei Frau W. handelt es sich klinisch eindeutig um eine Tendovaginitis stenosans de Quervain. Dabei kommt es durch Überbeanspruchung zu einer Einengung des 1. Strecksehnenfaches am Handgelenk radialseitig, in welchem die Sehnen des M. abductor pollicis longus und extensor pollicis brevis verlaufen. Bei der schmerzhaften Entzündung der Sehnen und ihres Gleitgewebes führt die entzündliche Verdickung zur Einengung des Sehnenfaches und zum schmerzhaften Gleiten bis hin zu deutlich fühlbarem Krepitieren.
Pathognomisch ist der positive Finkelstein-Test: Bei über dem Daumen geschlossener Faust wird das Handgelenk schnell und kräftig nach ellenseitig geführt. Die Patienten geben einen starken, teilweise auch elektrisierenden Schmerz im Bereich des 1. Strecksehnenfaches an. Aufgrund der typischen Anamnese und Klinik würde ich auf weitere Untersuchungen verzichten. Ein Handgelenksröntgen in 2 Ebenen sollte zum Ausschluss knöcherner Ursachen jedoch durchgeführt werden.
Zur Linderung der akuten Beschwerden erhält Frau W. eine abnehmbare Unterarmschiene mit Ruhigstellung des Daumengrundgelenkes, sodass sie ihren Sohn weiter tragen kann. Eisanwendungen und lokale abschwellende, entzündungshemmende Maßnahmen werden empfohlen. An Analgetika würde ich Frau W. maximal Mexalen 500mg 2mal täglich über 5 Tage verordnen, da sie ihren Sohn noch stillt. Auch von einer Kortisoninfiltration würde ich Abstand nehmen. Maßnahmen wie physikalische Therapie, Osteopathie, Faszienbehandlung der wahrscheinlich verhärteten Unterarmstreckmuskulatur sowie Stoßwellenbehandlung können gute Erfolge bringen.
Bei anhaltenden therapieresistenten Beschwerden mit chronischer Verdickung stellt sich die Indikation zur operativen Spaltung des 1. Strecksehnenfaches. Dabei wird ein ca.3cm langer Hautschnitt über dem Speichengriffel gesetzt und das Sehnenfach längs durchtrennt. Häufig verläuft die EPB-Sehne ganz oder streckenhaft in einem gesonderten Fach, welches genau inspiziert und gegebenenfalls ebenso gespalten werden muss. Die Nachbehandlung erfolgt funktionell ohne Ruhigstellung.