27. Mai 2016

Retschitzegger: Absurditäten im System

Wir haben zu wenig Personal und zu wenig Zeit. Ja. Und: Es wird manchmal – oder vielleicht öfter? – viel Zeit vergeudet. Zwei Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit, an einem „normalen“ Arbeitstag passiert.

Beispiel 1: Ein geriatrischer Patient wird vom Krankenhaus ins Pflegeheim transferiert. Mehr als einen Monat zuvor war bei diesem Patienten eine Oberschenkelamputation durchgeführt worden. Es gab Komplikationen. Nach mehr als 30 Tagen der in situ befindlichen Nähte werden diese am Tag der Verlegung kurz vor dem Transport entfernt! Gleich nach der Ankunft im Pflegeheim beginnt bei dem antikoagulierten Patienten eine Blutung im Stumpf. Der Rück­transport ins Krankenhaus wird nötig. Dort Wiederanlegen von Nähten, da die Blutung ansonsten nicht sistiert. Rücktransport ins Pflegeheim.

Frage 1: Abgesehen von der zusätzlichen Belastung für den Patienten: Wie viele MitarbeiterInnen hätten wie viel Zeit sinnvoller für andere PatientInnen einsetzen können – wenn man die Nahtentfernung geplant und nicht nur anlassbezogen am Tag der Verlegung durchgeführt hätte?

Beispiel 2: Bei einer Bewohnerin mit einer vorbehandelten Clostridienenteritis wird bei einem Labor zur Erhebung des aktuellen Infektionsstatus eine „Stuhlkultur“ angefordert, mit der Diagnose: Verdacht auf Clostridienenteritis. Wenige Tage später kommt der Befund. Auf viele Keime hin wurde untersucht – nicht aber auf Clostridien. In langwieriger Nachfrage im Labor bekommt man als Antwort: „Wenn Sie eine Stuhlkultur auch auf Clostridien untersuchen lassen wollen, dann müssen Sie das extra dazu schreiben!“ Meine Frage, ob die Diagnosemitteilung „Verdacht auf Clostridienenteritis“ denn nicht logisch inkludiere, dass dann genau auch diese untersucht werden, folgt die Antwort: „Nein, nur wegen der Diagnose ,Verdacht auf Clostridien‘ werden bei einer angeforderten Stuhlkultur Clostridien nicht untersucht!“

Frage 2: Wie viele Menschen haben an diesem Arbeitsgang und der Nachverfolgung wie lange gearbeitet – und: Wie viel Zeit wurde da vergeudet und eine wie viel schnellere Diagnoseklärung wäre da möglich gewesen?

Fazit: Mit „Einsparen“ ist insgesamt nicht das Mitdenken gemeint.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune