27. März 2014

Fall der Woche: Schmerz beim Urinieren und Fieber

Ihr nächster Patient, ein 48-jähriger Elektriker, kommt wegen starker Schmerzen beim Urinieren. „Seit gestern habe ich diese Schmerzen beim Wasserlassen, die durch den häufigen Harndrang fast unerträglich werden. Nun hab ich auch noch Schüttelfrost und Fieber dazubekommen“, erläutert Herr S. sein aktuelles Problem. „Außerdem hab ich so ein Ziehen in der Leiste.“ Beim weiteren Gespräch erfahren Sie, dass Herr S. bis jetzt immer gesund und fit war und keinerlei Medikamente nimmt. RR 125/85, HF 90, Temp: 39,8°C. Bei der klinischen Untersuchung zeigt sich eine leichte Druckdolenz im suprapubischen Abdomen, und auch die Leisten sind sehr druckempfindlich. DRU: etwas vergrößerte und übewärmte Prostata, extrem druckschmerzhaft. Im Blutbild sind die Leukozytenwerte sowie das CRP deutlich erhöht. Auch im Harn finden sich Erythrozyten, Leukozyten und Bakterien. Welche Ursache liegt hier zugrunde, und wie können Sie Ihrem Patienten am schnellsten helfen?

„Unabdinglich ist nach dem Abfiebern eine antibiotische Langzeittherapie“

Univ.-Doz. Dr. Karl Höbarth
FA f. Urologie, Waidhofen/Ybbs
Die Symptome sprechen für eine akute bakterielle Prostatitis. Rektal findet sich eine vergrößerte, druckdolente und konsistenzverminderte Prostata. Assoziierte Leistenschmerzen könnten auf eine beginnende Deferentitis bei kanalikulärer Keimausbreitung hinweisen.
Als Basisuntersuchung werden eine Sonografie des Unterbauchs (Restharn?), der Nieren und eine transrektale Sonografie (Prostataabszess?), eine Inspektion des äußeren Genitales (Nebenhodenaffektion?) und ev. eine scrotale Sonografie durchgeführt. Der Harnbefund ist meist pathologisch (Leukozyturie, Mikrohämaturie, ev. Nitrit pos. sowie Bakteriurie im Sediment). Obligatorisch sind eine Harnkultur zur Erstellung eines Antibiogramms bzw., bei septischen Fieberzacken, eine Blutkultur, eine Serumkontrolle inkl. CRP und PSA sowie eine Blutbildkontrolle. Ein meist massiv erhöhter PSA-Wert (- 100ng/ml) bestätigt die Diagnose. Eine Prostatamassage zur Sekretgewinnung ist hier kontraindiziert.
Bei Fieber von 39,8°C und entsprechenden Entzündungsparametern ist wegen der latenten Gefahr einer Urosepsis eine stationäre Aufnahme und parenterale Antibiose angezeigt. Erreger sind in erster Linie gramnegative Bakterien (E. coli (80%), Klebsiella, Proteus, Pseudomonas , Enterobacter), Enterokokken, selten Streptokokken oder Staph. aureus.
In der Regel beginnt man die Therapie, zumindest bis zum Einlangen des Antibiogramms , mit einem parenteralen Chinolon (Ciprofloxacin, Ofloxacin, Levofloxacin).
Bei Bedarf Gabe von Analgetika bzw. Antiphlogistika bzw. eines Alphablockers (z.B. Tamsulosin) bei obstruktiven Miktionsbeschwerden. Im Falle einer Harnretention muss unter Umständen eine passagere suprapubische Zystostomie angelegt werden, eine transurethrale Katheterableitung ist hier kontraindiziert.
Unumgänglich ist nach dem Abfiebern eine orale antibiotische Langzeittherapie über etwa drei Wochen, um eine Chronifizierung der Prostatitis zu verhindern.

„Klinisch muss man von einer Prostataentzündung ausgehen“

Dr. Christian Fürst
FA f. Urologie, Arzt f. Allgemeinmedizin, OA Urologie, LK Krems
Klinisch muss man von einer Prostataentzündung ausgehen. Aufgrund der vorliegenden Befunde empfiehlt sich nach sonografischer Abklärung einer Restharnbildung mit Hydronephrose eine stationäre Aufnahme zur Gabe von Flüssigkeit und intravenöser Antibiotika, entweder ein Cephalosporin der 3. Generation, z.B. Ceftriaxon 2-4g (oder Aminopenizillin, z.B. Amxizillin +/-Clavulansäure) in Kombination mit einem Aminoglycosid, z.B. Gentamycin 3mg/kg- KG, alternativ ein Gyrasehemmer wie Ciprofloxacin. Aufgrund der derzeitigen Resistenzlage sollte ein Gyrasehemmer nur nach Kultur eingesetzt werden.
Als weiterer Schritt ist eine Harnableitung notwendig, um den weiteren Reflux von Harn in die Samenwege zu verhindern, idealerweise Anlage eines suprapubischen Katheters (je nach Blutgerinnung, OAK), alternativ ein dünner transurethraler Katheter. Einsenden einer Harnkultur, bestimmen bzw. nachfordern des PSA-Wertes zur besseren Verlaufskontrolle. Ehestmögliche Umstellung auf resistenzgerechte antibiotische Therapie laut Antibiogramm. Entzündungshemmende Schmerztherapie mit z.B. Diclofenac bis 150mg pro Tag.
Sollte der Verdacht auf ein Prostataabszess bestehen (fluktuierender Prozess beim Tastbefund) und eine enterovesikale Fistel (Divertikulitis) mittels CT Abdomen ausgeschlossen sein, sollte transurethral in Allgemeinnarkose das Abszess geöffnet und ein Abstrich abgenommen werden (Gonokokken?), um einen prolongierten Krankheitsverlauf zu verhindern.

„Vor eingeleiteter Therapie sollte eine Harnkultur angefertigt werden“

Dr. Silvia Meier-Drioli
FÄ f. Urologie, FEBU, Stationsleitung Urologische Abteilung LK Korneuburg
Bei den Beschwerden des Patienten handelt es sich um eine akute Prostataentzündung.
Diagnose: Eine dolente, teigig-weiche Prostata ist ein typischer rektaler Tastbefund, die Schmerzen suprapubisch und in den Leisten sind Ausdruck einer Mitbeteiligung der Blase und der Samenleiter.
Zunächst sollte vor eingeleiteter Therapie eine Harnkultur angefertigt werden. Weiters ist eine Sonografie des Unterbauches zum Ausschluss einer Restharnbildung notwendig.
Die Beurteilung der äußeren Genitale zur Klärung einer begleitenden Epididymitis/ Epididymorchitis ist sinnvoll, ein Nierenultraschall ist zu empfehlen.
Therapie: Eine hochdosierte antibiotische Therapie beispielsweise mittels Chinolone (beispielsweise Ciprofloxacin 500mg: 2x tgl.) oder auch Aminopenicilline (beispielsweise Amoxicillin und Clavulansäure 2-3x tgl.: 1g) ist notwendig.
Weiters sollte diese Therapie durch einen β-Blocker (zum Beispiel Tamsulosin 0,4 mg, 1x tgl. ) sowie NSAR (3x tgl.) unter Magenschutz ergänzt werden, wobei meiner Erfahrung nach die rektale Applikation der entzündungshemmenden Medikation in Form von Suppositorien eine schnellere und effizientere „vor Ort“- Wirkung zeigt.
Bei höherer Restharnmenge muss eine Harnableitung, vorzugsweise suprapubisch, erfolgen. Bettruhe und viel Flüssigkeit sind dringend zu empfehlen.
Sollte dieser orale Therapieversuch innerhalb von 24 Stunden keine Wirkung zeigen, ist eine stationäre Behandlung indiziert.
Bei vielen unserer Patienten ist eine ambulante Therapie möglich, jedoch halte ich bei älteren, multimorbiden Männern eine großzügige stationäre Aufnahme für sinnvoll, da es sich bei der akuten Prostatitis um eine schwere bakterielle Entzündung eines parenchymatösen Organes mit hohem Krankheitswert handelt, der keinesfalls zu unterschätzen ist.
Im Intervall ist immer eine urologische Abklärung der Ursache indiziert, um ein Wiederauftreten dieser ernst zu nehmenden Erkrankung zu vermeiden.