Krebs bei Frauen: Therapeutische Fortschritte und einiges an Nachholbedarf
Der unterschiedlichen Anatomie der Geschlechter geschuldet, gibt es einige Krebsarten, die spezifisch bei Frauen auftreten. Hierzu zählt neben Brust- und Zervixkarzinom auch das seltener auftretende Ovarialkarzinom. Obwohl die Forschung ständig neue Therapieansätze liefert und die Überlebenschancen der Betroffenen steigen, besteht großer Nachholbedarf bei der Prävention und Versorgung der Patientinnen.

Brustkrebs ist die häufigste Tumorerkrankung weltweit. Dank Screening- und Awareness-Kampagnen werden allerdings 95% aller Brustkrebserkrankungen bereits im Frühstadium diagnostiziert. Laufende Fortschritte in der Entwicklung von Therapien führen außerdem dazu, dass die Überlebenschancen in allen Subgruppen des Mammakarzinoms steigen. Besonders der Einsatz von Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten (ADC), die die Chemotherapie direkt zur Zielzelle dirigieren, hat bei HER2-exprimierenden Brusttumoren eine dramatische Steigerung des Gesamtüberlebens bewirkt. Diese Medikamente werden inzwischen auch für andere Tumorerkrankungen eingesetzt.
Spezialisierte Behandlungszentren und standardisierte Gentests gefordert
Trotz der neuen Therapieoptionen gibt es in Österreich bei der Behandlung von Brustkrebs noch viel Luft nach oben, wie Assoc.-Prof. PD Dr. Rupert Bartsch, Programmdirektor für Brustkrebs an der MedUni Wien, betont. Denn allen Brustkrebspatientinnen sollte die Möglichkeit geboten werden, in spezialisierten Brustkrebszentren behandelt zu werden. Nur so kann die bestmögliche Behandlung garantiert werden.
Zudem fordert Bartsch, dass nicht nur triple-negative Brusttumoren standardmäßig auf BRCA-Mutationen getestet werden. Auch HER2-negative Tumoren weisen häufig Mutationen in den BRCA-Genen auf. „Wenn wir wissen, dass eine BRCA-Mutation vorliegt, haben wir zusätzliche Behandlungsmöglichkeiten. Die Testung hat somit klinische Konsequenzen.“ Bei fortgeschrittener Erkrankung sollte daher unbedingt getestet werden, so Bartsch.
Ovarialkarzinom – Früherkennungsprogramme fehlen
Das Ovarialkarzinom zählt mit rund 650 Neuerkrankungen in Österreich zu den seltenen Erkrankungen. Trotz intensiver Bemühungen fehlt bis heute die Möglichkeit für Vorsorge- oder Früherkennungsprogramme. Somit werden 60–70% aller Ovarialkarzinome erst in einem fortgeschrittenen, metastasierten Stadium entdeckt. Die chirurgische Entfernung des Tumors ist sehr aufwendig. „Nur wenn nach der Operation kein Resttumor bleibt, haben die Patientinnen eine Chance auf ein längeres Überleben“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Alexander Reinthaller, em. stv. Leiter der Abteilung für Allgemeine Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie an der MedUni Wien.
Immuntherapien potenzieren
Neue medikamentöse Ansätze geben dennoch Hoffnung auf ein längeres Überleben von Patientinnen mit Ovarialkarzinom. PARP-Inhibitoren stellten einen Gamechanger in diesem Behandlungsfeld dar. In der SOLO-1-Studie konnte der PARP-Inhibitor Olaparib einen signifikanten Vorteil für Patientinnen beweisen. Nach 7 Jahren war das mediane Gesamtüberleben noch nicht erreicht.
Auch Ansätze, um Immuntherapien bei immunologisch kalten Tumoren, wie dem Ovarialkarzinom, wirksamer zu machen, zeigen Wirkung. Eine Triplekombination aus einem PARP-Inhibitor, einem VEGF-Inhibitor und einer Immuntherapie zeigte eine signifikante Verbesserung des progressionsfreien Überlebens. „Die Nebenwirkungen der drei Medikamente potenzieren sich nicht und sind somit gut managebar“, erklärt Reinthaller. Für den Einsatz von Immuntherapien beim Ovarialkarzinom sieht er weiteren Spielraum nach oben.
Zervixkarzinom – Durchimpfungsrate muss höher werden
Dass eine Infektion mit dem Humanen Papilloma-Virus (HPV) zu Gebärmutterhalskrebs führen kann, ist allgemein bekannt. Die HPV-Impfung steht seit Jahren zur Verfügung. Seit 1. Februar dieses 2023 ist die Impfung nun für alle Geschlechter bis zum 21. Lebensjahr kostenlos erhältlich. Vor 5 Jahren hat die WHO dazu aufgerufen, das Zervixkarzinom weltweit zu eliminieren. Das Ziel ist eine Durchimpfungsrate von >90% bis 2050. In Österreich sind wir davon bisher weit entfernt. Im Durchschnitt sind 50% der Zielgruppe der 9- bis 14-Jährigen geimpft.
HPV-Impfung schützt gegen 6 Krebsarten
„Doch eine Impfung ist in jedem Alter sinnvoll“, erklärt Ao. Univ.-Prof. Dr. Elmar Armin Joura, Leiter der Ambulanz für Cervix- und Vulvapathologie an der MedUni Wien. Denn die Impfung schützt nicht nur vor dem Gebärmutterhalskrebs. Insgesamt können 6 Karzinome durch die Impfung verhindert werden. Hierzu zählen unter anderem das Vulvakarzinom, das Anal- und das Peniskarzinom. Auch das Rachenkarzinom kann durch eine HPV-Infektion ausgelöst werden. In den USA gibt es inzwischen mehr Fälle an HPV-induziertem Rachenkarzinom bei Männern als Zervixkarzinome bei Frauen, berichtet Joura.
Der Experte fordert zudem eine kostenlose Testung auf HPV alle 3 Jahre für Frauen von 30–65, unabhängig davon, ob ein Verdacht besteht. Denn ein HPV-Test hat eine höhere Sensitivität als der derzeit standardmäßige PAP-Abstrich. „So könnten Zervixkarzinome künftig früher erkannt werden“, betont Joura.
Pressekonferenz „Krebs bei Frauen: Neue Therapien erhöhen die Heilungschancen“, Wien, 26.9.23