23. Sep. 2019Gynäkologie

Schwangerschaftsdiabetes: Kommt der oGTT zu spät?

Frau, die Blutzuckerspiegel mit Glukometer am Tisch prüft. Diabetes-Test
(c) GettyImages/belchonock

Ungeborene weisen oft schon vor dem oralen Glukosetoleranztest in der 24. bis 28. Schwangerschaftswoche diabetesbedingte Veränderungen auf. Das zeigt eine Studie, die am Jahreskongress der Europäischen Diabetesgesellschaft (EASD) in Barcelona präsentiert worden ist. Die Forscher sprechen sich für eine Vorverlegung des oGTT aus. 

Ein Gestationsdiabetes liegt in Europa bei etwa jeder zwanzigsten Schwangeren vor.1 Sowohl für werdende Mütter als auch für ihre Kinder kann diese Diabetesform ungünstige Auswirkungen haben: So steigt beispielsweise das Risiko für eine Präeklampsie, Frühgeburt oder Sectio bei der Frau, und Kinder von Schwangerschaftsdiabetikerinnen haben häufig ein erhöhtes Geburtsgewicht. Einige Studien zeigen auch, dass bei ihnen das Spätrisiko für Übergewicht und Diabetes erhöht sein könnte.

Durch rechtzeitige Lebensstil-Modifikationen, Blutzuckerkontrolle und gegebenenfalls eine Insulintherapie bei der Schwangeren lassen sich die Auswirkungen des Schwangerschaftsdiabetes auf das Ungeborene jedoch abmildern. In Österreich schreiben aktuelle Leitlinien daher vor, jeder Schwangeren zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche (SSW) den oralen Glukosetoleranztest (oGGT) anzubieten, mit dem ein Schwangerschaftsdiabetes diagnostiziert werden kann.2

Fötale Adipositas

Eine aktuelle Studie, die auf der Jahrestagung der Europäischen Diabetesgesellschaft (EASD) vorgestellt wurde, zeigt nun jedoch, dass die Auswirkungen eines Schwangerschaftsdiabetes auf das Ungeborene schon bis zu vier Wochen vor dem frühestmöglichen Zeitpunkt des oGGT sichtbar sein können.3

Somit stellt sich die Frage, ob dieser schon früher durchgeführt werden sollte, um Frauen eher die Chance zu geben, die Auswirkungen des Gestationsdiabetes einzudämmen. „Eine abdominale Hypertrophie des Ungeborenen weist nicht nur auf ein großes Baby hin, sondern auf eine fötale Adipositas“, erklärt Studienleiterin Dr. Yoo Lee Kim von der CHA Universität in Korea. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine frühere Erkennung und Behandlung von Gestationsdiabetes notwendig sind, um das Risiko für ein übermäßiges Wachstum im Mutterleib einzudämmen und damit Gefahren für Mütter und ihre Kinder zu verhindern.“

Abdominalumfang bereits rund um SSW 22 vergrößert

Im Zuge der Beobachtungsstudie analysierten die Forscher Krankenakten von fast 8.000 Frauen mit Einlings-Schwangerschaften, die in einem Ambulanzzentrum in Seoul betreut worden waren. Anhand der Ultraschallbilder bestimmten sie den Abdomen- und Kopfumfang sowie die Femurlänge mindestens vier Wochen vor der geplanten Screening-Untersuchung für Schwangerschaftsdiabetes, die in Korea ebenfalls zwischen der 24. und 28. SSW gemacht wird, sowie um den Zeitpunkt des Screenings und um den Geburtstermin.

Zum ersten Zeitpunkt, etwa in SSW 22, zeigten die Ultraschallbilder, dass die Föten von Müttern, die daraufhin die Diagnose Gestationsdiabetes erhielten, bereits signifikant größere Abdominalumfänge aufwiesen als die Babys von Frauen mit normaler Glukosetoleranz und dass sie außerdem abnormal groß bis über SSW 35 hinaus blieben. Kopfumfang und Femurlänge waren hingegen zwischen den beiden Gruppen nicht signifikant unterschiedlich.

Sogar bei Frauen ohne Diabetes, die aber adipös oder älter waren, hatten die Babys ein höheres Risiko für einen abnormal großen Abdominalumfang in SSW 22 als die Babys von normalgewichtigen und jüngeren Frauen.

Studienautorin Kim schließt daraus, dass ein früheres Screening und sorgfältige Kontrollen besonders adipösen und älteren Frauen helfen könnten. Als Hauptlimitation für die Studie führt sie an, dass sie in nur einem einzelnen Zentrum durchgeführt worden war. Auch da es sich lediglich um eine Beobachtungsstudie handelt, sollten keine vorschnellen Schlussfolgerungen gezogen werden.

Referenzen

1 Eades CE et al. Prevalence of gestational diabetes mellitus in Europe: A meta-analysis. Diabetes Res Clin Pract. 2017 Jul; 129: 173–181. doi: 10.1016/j.diabres.2017.03.030.

2 S3-Leitlinie Gestationsdiabetes mellitus (GDM), Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Schwangerschaft der DDG und Arbeitsgemeinschaft Geburtshilfe und Pränatalmedizin in der DGGG, 2018, 2. Auflage, abgerufen am 19. September 2019

3 Kim Y et al. Foetal abdominal overgrowth is already present at 20–24 weeks’ gestation, earlier than the time of gestational diabetes diagnosis. Abstract #926, 55th Annual Meeting of the European Association for the Study of Diabetes (EASD) in Barcelona, Spain, 16 – 20 September 2019

Quelle

Annual Meeting of the European Association for the Study of Diabetes (EASD) in Barcelona, Spain, 16 – 20 September 2019