16. Sep. 2019Preview

ESMO 2019: PARP-Inhibitoren im Rampenlicht, Langzeiterfahrungen mit Immuntherapie

Luftaufnahme der Sagrada familia mit der Skyline von Barcelona bei Sonnenuntergang. Spanien
(c) Gettyimages/Eloi Omella

Wir berichten exklusiv vor Ort beim Jahreskongress der European Society for Medical Oncology (ESMO) in Barcelona vom 27. September bis 1. Oktober 2019.

Unter dem Motto „Translating science into better cancer patient care“ findet der diesjährige ESMO Ende September in der katalonischen Hauptstadt Barcelona statt. Auch heuer erwarten die onkologische Fachgemeinde zukunftsweisende Studien, diesmal mit den Schwerpunkten Brustkrebs, Gynäkologie, Lungenkrebs sowie urologische und gastrointestinale Krebserkrankungen. Mehr als 2.200 Abstracts wurden eingereicht – darunter insgesamt 99 Late-Breaking Abstracts sowie 154 Proffered Papers und 220 Poster, die in Barcelona diskutiert werden.

Wir werden umfassend und zeitnah über die relevantesten Studien berichten und Ihre österreichischen Kollegen aus allen Fachrichtungen befragen, wie die am ESMO präsentierten Neuerungen die klinische Praxis beeinflussen werden.

Presidential Symposia

Ein absolutes Highlight werden die drei Presidential Symposia sein, in denen die wichtigsten Studienendpunkte präsentiert werden. Ein Schwerpunkt liegt dieses Jahr auf den PARP-Inhibitoren Niraparib, Olaparib und Veliparib beim Ovarialkarzinom sowie auf CDK4/6-Inhibitoren bei Brustkrebs. Nachdem am ASCO 2019 erstmals eine Gesamtüberlebens (OS)-Verlängerung durch Palbociclib gezeigt wurde (wir haben berichtet), wird nun eine OS-Verlängerung auch für die beiden anderen Substanzen Abemaciclib und Ribociclib präsentiert. Ein verlängertes OS konnte auch bei Osimertinib in der Erstlinienbehandlung des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) gezeigt werden.

Außerdem legen die Presidential Symposia einen Fokus auf Immuntherapien, bei denen Langzeitdaten bei Lungenkrebs sowie erste Analysen zu den eher neuen Indikationen Brustkrebs, Plattenepithelkarzinom des Ösophagus und Urothelkarzinom erwartet werden.

Gynäkologische Tumore (Presidential Symposium I, Samstag, 28.9.2019, 16:30–18:20)

  • Die Phase-III-Studie PRIMA untersuchte Niraparib in der Erstlinientherapie bei Patientinnen mit platinsensitivem Ovarialkarzinom. Bereits im Juli dieses Jahres wurde in einer Pressemeldung von einer signifikanten Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS) berichtet, und zwar unabhängig vom Biomarkerstatus (z.B. BRCA oder die Homologe Rekombinationsdefizienz HRD1; González Martín A et al. #LBA1).
  • Die Phase-III-Studie PAOLA-1/ENGOT-ov25 testete die Zugabe von Olaparib zur Standard-Erhaltungstherapie der Erstlinie mit Bevacizumab bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom, die mit platinbasierter Chemotherapie und Bevacizumab vorbehandelt waren. Laut einer Pressemeldung im August erreichte die Studie ihren primären Endpunkt einer Verlängerung des PFS2 (Ray-Coquard I et al. #LBA2_PR).
  • Die Phase-III-Studie VELIA untersuchte Veliparib während der Erstlinien-Chemo und Erhaltungstherapie beim hochgradig serösen Karzinom des Ovars, Eileiters oder peritonealen Primums. Hier werden laut Meldung des Patentinhabers im Juli positive Resultate beim PFS – unabhängig vom Biomarkerstatus – erwartet (Coleman R et al. #LBA3).

Lungenkrebs (Presidential Symposium I, Samstag, 28.9.2019, 16:30–18:20)

  • Die finale Auswertung von Teil 1 der Phase-III-Studie Checkmate 227 zeigt die Ergebnisse der Checkpoint-Inhibitor-Kombination Nivolumab und Ipilimumab (in Niedrigdosis) gegenüber der platinbasierten Zweifach-Chemotherapie in der Erstlinie bei Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC. Bereits im Vorfeld berichtete der Patentinhaber, dass die Immuntherapie-Kombi eine OS-Verbesserung bei Patienten mit PD-L1 ≥1% im Tumor erzielte3 (Peters S et al. #LBA4_PR).
  • Die finale Analyse der Phase-III-Studie FLAURA bezieht sich auf das OS von Patienten mit EGFR-mutiertem fortgeschrittenem NSCLC, die in der Erstlinie entweder mit Osimertinib oder einem EGFR-TKI behandelt wurden. Laut einer Pressemeldung erreichten Patienten mit Osimertinib ein längeres OS, bei Patienten mit Hirnmetastasen wurde ein verlängertes PFS festgestellt4 (Ramalingam S et al. #LBA5_PR).

Brustkrebs (Presidential Symposium II, Sonntag, 29.9.2019, 16:30–18:00)

  • Die Phase-III-Studie MONARCH 2 untersuchte Abemaciclib in Kombination mit Fulvestrant gegenüber Placebo/Fulvestrant bei prä-, peri- oder postmenopausalen Patientinnen mit fortgeschrittenem oder metastasiertem HR-positivem, HER2-negativem Brustkrebs nach endokriner Therapie. Nun werden Daten zum OS vorgestellt, die laut einer Pressemeldung im Juli positiv sind5 (Sledge G et al. #LBA6_PR).
  • Die Phase-III-Studie MONALEESA-3 untersuchte Ribociclib in Kombination mit Fulvestrant bei postmenopausalen Patientinnen mit fortgeschrittenem oder metastasiertem HR-positivem, HER2-negativem Brustkrebs entweder in der Erstlinie oder nach maximal einer vorhergehenden endokrinen Therapie im fortgeschrittenen Stadium. Am ASCO 2019 hatte die MONALEESA-7-Studie bereits gezeigt, dass das OS von peri- und prämenopausalen Patientinnen durch Ribociclib verbessert werden konnte; nun wird laut einer Pressemeldung im Juli ein verbessertes OS auch bei postmenopausalen Frauen erwartet6 (Slamon D et al. #LBA7_PR).
  • Die Phase-III-Studie KEYNOTE-522 testete die Zugabe von Pembrolizumab zur Chemotherapie in der neoadjuvanten Therapie sowie adjuvanten Erhaltungstherapie bei triple-negativem Brustkrebs im Frühstadium. Am ESMO werden Daten zum primären Endpunkt der pathologischen Komplettremission vorgestellt, die laut einer Pressemeldung positiv sein dürften7 (Schmid P et al. #LBA8_PR).
  • Die Phase-III-Studie Brocade-3 untersuchte die Zugabe des PARP-Inhibitors Veliparib zur Chemotherapie aus Carboplatin und Paclitaxel bei Patientinnen mit HER2-negativem, metastasiertem oder lokal fortgeschrittenem nicht resektablem Brustkrebs mit BRCA-Mutation (Dieras V et al. #LBA9).

Gastrointestinale Tumore (Presidential Symposium III, Montag, 30.9.2019, 16:30–18:15)

  • Die Phase-III-Studie ClarIDHy untersuchte den IDH1-Inhibitor Ivosidenib gegenüber Placebo bei Patienten mit fortgeschrittenem, nicht resektablem, vorbehandeltem Gallengangskrebs mit IDH1-Mutationen. Im Mai wurde bereits verkündet, dass die Studie ihren primären Endpunkt PFS erreicht hat8 (Abou-Alfa G et al. #LBA10_PR).
  • Die Phase-III-Studie ATTRACTION-3 verglich Nivolumab mit einer Chemotherapie aus Docetaxel oder Paclitaxel bei Patienten mit fortgeschrittenem Plattenepithelkarzinom des Ösophagus (Esophageal Squamous Cell Carcinoma, ESCC), die entweder einen Rezidiv unter einer fluoropyrimidin- oder platinhaltige Chemotherapie entwickelt hatten oder diese Behandlung nicht vertrugen. Eine Pressemeldung im Jänner wies bereits auf eine OS-Verlängerung hin9 (Cho BC et al. #LBA11).

Urologische Tumore (Presidential Symposium III, Montag, 30.9.2019, 16:30–18:15)

  • Die Phase-III-Studie PROfound untersuchte Olaparib gegenüber der Standardbehandlung Enzalutamid oder Abirateron bei Patienten mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom (mCRPC) mit nachgewiesenen Defekten der homologen Rekombinationsreparatur, deren Erkrankung unter einer hormonellen Therapie fortgeschritten war. Laut Pressemeldung erreichten die Patienten im Experimentarm nun ein verlängertes PFS10 (Hussain M et al. #LBA12_PR).
  • Die Phase-IV-Studie CARD verglich Cabazitaxel mit einem Therapiewechsel auf einen alternativen Androgenrezeptor-Inhibitor (Enzalutamid oder Abirateron) bei mit Docetaxel vorbehandelten mCRPC-Patienten, die rasch ein Therapieversagen auf eine Androgenrezeptor-Inhibitor-Therapie der ersten Generation erlitten hatten (DeWit R et al. #LBA13).
  • Die dreiarmige Phase-III-Studie IMvigor130 untersuchte Atezolizumab als Monotherapie oder kombiniert mit platinhältiger Chemotherapie gegenüber Placebo plus platinhältiger Chemotherapie in der Erstlinie bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom. Eine Pressemeldung Anfang August wies bereits auf eine PFS-Verlängerung bei Patienten mit der Atezolizumab/Platin-Kombi hin11 (Grande E et al. #LBA14_PR).

Was sagen die Experten?

Wir werden auch dieses Mal mit Experten aus den einzelnen Fachbereichen darüber diskutieren, ob und wie die am ESMO 2018 vorgestellten Studien künftig die medizinische Praxis verändern werden. Wir freuen uns auf ein Interview, unter anderem mit:

Spezialformate am Kongress

Abgesehen vom klinisch-wissenschaftlichen Publikum sind in das Kongressprogramm auch spezielle Tracks für die Förderung des onkologischen Nachwuchses sowie für Weiterbildung von Patientenanwälten und Krankenpflegern integriert:

  • ESMO Young Oncologists Track:In diesen Sessions präsentiert der sehr aktive ESMO-Nachwuchs Neueinsteigern Infos und Trainings zu Karriereplanung in Klinik und Forschung. Eine „Boxing Session“ bietet anhand von Debatten über medizinische Kontroversen Jungen die Möglichkeit, ihre Diskussionsfähigkeit zu trainieren. Diese sowie weitere ESMO YO Veranstaltungen, wie Brunch Sessions und das YO Forum, bieten außerdem die Gelegenheit, sich mit anderen Onkologen zu vernetzen.12
  • ESMO Public Policy Track und Special Sessions: Gesundheitskompetenz und Gesetzgebung beeinflussen die Arbeit von Onkologen nachhaltig. Im Public Policy Track wird ein breites Themenspektrum von Krankenhausorganisation und Artificial Intelligence bis Weltgesundheitspolitik in Kurzvorträgen abgehandelt und abschließend im Podium diskutiert.13
  • ESMO Patient Advocacy Track: Seit 2016 am ESMO abgehalten, sollen sich Patientenanwälte in diesen wissenschaftlichen Sessions weiterbilden können, um Entscheidungsprozessen im Gesundheitswesen besser gewachsen zu sein und Patienten bei gesundheitsbezogenen Entscheidungen optimal unterstützen zu können.14
  • EONS12: Auch der jährliche Kongress der Europäischen Gesellschaft für onkologische Krankenpflege (European Oncology Nursing Society) ist in den ESMO eingegliedert. An den drei Tagen vom 28. bis zum 30. September werden hier Themen wie Symptommanagement, Patientensicherheit für eine bessere ganzheitliche Patientenverpflegung diskutiert.15

Über die European Society for Medical Oncology

ESMO ist die führende Fachorganisation für medizinische Onkologie. Mit 18.000 Mitgliedern bestehend aus Onkologie-Spezialisten von über 150 Ländern weltweit ist die ESMO die Referenzgesellschaft für onkologische Weiterbildung und Information. ESMO widmet sich der optimalen Pflege der Menschen mit Krebs, indem sie die integrierte Krebspflege fördern, Onkologen in ihrem professionellen Umfeld fördern und sich für eine nachhaltige weltweite Krebsbehandlung einsetzen.

Referenzen

1 GSK announces positive headline results in Phase 3 PRIMA study of ZEJULA (niraparib) for patients with ovarian cancer in the first line maintenance setting [press release]. London, UK: GlaxoSmithKline plc; July 15, 2019. https://bit.ly/2YTFO6h. Accessed September 12, 2019.

2 LYNPARZA® (olaparib) Phase III Paola-1 Trial Met Primary Endpoint as 1st-line Maintenance Treatment With Bevacizumab for Advanced Ovarian Cancer [press release]. Wilmington, DE: AstraZeneca Company; August 14, 2019. https://bit.ly/2lVqjw8. Accessed September 12, 2019.

3 Bristol-Myers Squibb Announces CheckMate -227 Part 1a Meets Co-Primary Endpoint of Overall Survival [press release]. Princeton, NJ: Bristol-Myers Squibb Company; July 24, 2019. https://bit.ly/2M5VxeW. Accessed September 12, 2019.

4 Tagrisso significantly improves overall survival in the Phase III FLAURA trial for 1st-line EGFR-mutated non-small cell lung cancer [press release]. AstraZeneca Company; August 9, 2019. https://bit.ly/2kBwcON. Accessed September 12, 2019.

5 Lilly’s Verzenio® (abemaciclib) Significantly Extended Life in Women with HR+, HER2- Advanced Breast Cancer in MONARCH 2 [news release]. Indianapolis, IN: Eli Lilly and Company; July 30, 2019. https://bit.ly/2Zkj9jJ. Accessed September 12, 2019.

6 Novartis Kisqali significantly prolongs life in women with HR+/HER2- advanced breast cancer now in two distinct phase III trials [press release]. Basel: Novartis; July 31, 2019. https://bit.ly/2GEKYvQ. Accessed September 12, 2019.

7 Merck’s KEYTRUDA® (pembrolizumab) in Combination with Chemotherapy Met Primary Endpoint of Pathological Complete Response (pCR) in Pivotal Phase 3 KEYNOTE-522 Trial in Patients with Triple-Negative Breast Cancer (TNBC) [press release]. Kenilworth, NJ: Merck; July 29, 2019. https://bit.ly/330fv0I. Accessed September 12, 2019.

8 Agios Announces the Randomized Phase 3 ClarIDHy Trial of TIBSOVO® (ivosidenib) Achieved its Primary Endpoint in Previously Treated IDH1 Mutant Cholangiocarcinoma Patients [press release]. Cambridge, MA: Agios Pharmaceuticals, Inc.; May 15, 2019. https://bit.ly/2YA7PyX. Accessed September 16, 2019

9 Opdivo (Nivolumab®) Demonstrates a Significant Extension in Overall Survival Versus Chemotherapy in Patients with Unresectable Advanced or Recurrent Esophageal Cancer in Phase III Clinical Study [press release]. Osaka, Japan: ONO Pharmaceutical Co., Ltd.; January 9, 2019. https://bit.ly/2D2P3bX. Accessed September 16, 2019

10 Lynparza Phase III PROfound trial in HRR* mutation-selected metastatic castration-resistant prostate cancer met primary endpoint [press release]. Kenilworth, NJ: AstraZeneca and MSD Inc.; August 7, 2019. https://bit.ly/2Ysn95a. Accessed September 16, 2019

11 Roche’s Tecentriq plus platinum-based chemotherapy reduced the risk of disease worsening or death in people with previously untreated advanced bladder cancer [press release]. Basel, SUI: AstraZeneca Company; August 5, 2019. https://bit.ly/2M2xnTs. Accessed September 16, 2019

12 https://www.esmo.org/Conferences/ESMO-Congress-2019/Programme/Young-Oncologists-Track

13 https://www.esmo.org/Policy/ESMO-Public-Policy-Track-and-Special-Sessions

14 https://www.esmo.org/Patients/Patient-Advocacy-Track

15 http://www.cancernurse.eu/