16. Juli 2019Kongress-Highlights

ASCO 2019: Lungenkarzinom – Viele kleine Schritte voran, aber keine Meilensteine

ASCO Kongress
(c) Oliver Eberhardt

Neues vom ASCO 2019: OA Dr. Maximilian Hochmair fasst 15 Studien zum Lungenkarzinom zusammen.

NSCLC – frühes Stadium

Zwei Studien untersuchten die neoadjuvante Immuntherapie beim operablen nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC). In der Studie LCMC3 erhielten Patienten im Stadium IB–IIIB vor der geplanten Operation zwei Zyklen Atezolizumab (Kwiatkowski DJ et al., Abstract 8503). Nur fünf von 101 Patienten wurden anschließend nicht operiert – das ist ein hoher Anteil an Operierten für eine neoadjuvante Therapie. Die Rate an pathologischen Regressionen mit ≤10% lebensfähigen Tumorzellen im Resektat war sehr beeindruckend. Der Effekt war zudem unabhängig von der PD-L1-Expression.
Die Studie NEOSTAR war ähnlich konzipiert (Cascone T et al., Abstract 8504). Sie untersuchte Nivolumab bei Patienten im Stadium I–IIIA mit oder ohne Ipilimumab. Auch in dieser Studie wurden fast alle Patienten operiert, und im Waterfall-Plot gab es in beiden Armen gutes radiologisches Ansprechen (24% major pathological response), wobei die Kombination sich als noch effektiver erwies. Beide Studien sind aufgrund der niedrigen Progressionsraten und hohen Resektionsraten zukunftsweisend, es werden aber für den klinischen Einsatz noch mehr Daten benötigt.

Die japanische JIPANG-Studie zeigte, dass bei operierten Patienten mit Adenokarzinomen des Stadiums II–IIIA mit adjuvanter Gabe von Cisplatin/Pemetrexed und Cisplatin/Vinorelbin gleichwertige OS-Ergebnisse erzielt werden (Kenmotsu H et al., Abstract 8501). Bei EGFR-Wildtyp-Patienten gab es einen Trend zu einem längeren rezidivfreien Überleben mit Pemetrexed, bei EGFR-mutierten war Vinorelbin etwas besser. Für diese Patienten kommen beide Kombinationen infrage, aber für die Therapiewahl ist zu berücksichtigen, dass Pemetrexed besser verträglich ist, vor allem bezüglich Alopezie und febriler Neutropenien.

Fortgeschrittenes NSCLC

Immuntherapie

Zu den PD(L)1-Checkpoint-Inhibitoren gab es einige Studien-Updates. In der allerersten Studie mit Pembrolizumab – KEYNOTE 001 – waren nach fünf Jahren 20 Prozent der NSCLC-Patienten noch am Leben (Garon EB et al., Abstract 9015). Das ist ein beeindruckendes Ergebnis für Stadium-IV-Patienten im Vergleich mit den Überlebensraten vor der Immuntherapie-Ära. Festzuhalten ist, dass auch PD-L1-negative Patienten profitierten.

Eine retrospektive Analyse von Pembrolizumab in der Erstlinie bezüglich der PD-L1-Expression zeigte die besten Ergebnisse für ORR, PFS und OS bei sehr hoher PD-L1-Expression (Jimenez Aguilar E et al., Abstract 9111). Pembrolizumab-Monotherapie sollte deshalb Patienten mit TPS 90–100% vorbehalten sein, während jenen mit niedrigerer PD-L1-Expression die Tripletherapie (Cisplatin/Pemetrexed plus Pembrolizumab; CPP) angeboten werden sollte.

Ein Update der KEYNOTE-189-Studie mit fast 19 Monaten Follow-up zeigt weiterhin einen konsistenten Vorteil im OS und PFS für die Tripletherapie versus Chemotherapie allein (Gadgeel SM et al., Abstract 9013). Auch im PFS2 zeigte sich ein Vorteil für die Tripletherapie, der in allen PD-L1-Expressionsgruppen konsistent war. Deshalb sollte nicht mehr sequenziell behandelt werden, vielmehr ist die Tripletherapie als neuer Standard anzusehen, ausgenommen eben Patienten mit TPS 90–100%, die für Pembrolizumab-Monotherapie infrage kommen.

Hier ist auch eine Biomarkerstudie zu erwähnen, die für Patienten mit STK11– und/oder KEAP1-Alterationen eine schlechte Prognose für das Ansprechen auf Tripletherapie findet. TMB und PD-L1-Status waren in dieser Studie nicht relevant für ein Ansprechen auf Immunchemotherapie (Skoulidis F et al., Abstract 102).

Eine amerikanische Real-World-Studie untersuchte 531 Patienten mit einer Vorgeschichte einer Autoimmunerkrankung, die Immuncheckpoint-Inhibitoren erhielten (Khozin S et al., Abstract 110). Es gab keinen Wirksamkeitsunterschied zu den 1.800 Patienten ohne Autoimmunerkrankung. Allerdings traten etwas mehr immunmediierte Ereignisse auf.

Zielgerichtete Therapien  

EGFR. Die Phase-III-Studie RELAY untersuchte Erlotinib plus Ramucirumab oder Placebo bei therapienaiven EGFR-mutierten Patienten (Deletion Exon 19 oder L858R) ohne ZNS-Metastasierung (Nakagawa K et al., Abstract 9000). Die Studie erreichte ihren primären Endpunkt mit einem beeindruckenden PFS von 19,4 Monaten im experimentellen Arm (12,4 Monate im Referenzarm). In der Interimsanalyse zeichnete sich ein Trend zu besseren Ergebnissen mit Ramucirumab-Zugabe ab. Zu beachten sind die typischen Nebenwirkungen der Angiogenesehemmung – Blutungen, Hypertonie, Proteinurie. Nebenwirkungen waren aber überwiegend im Grad-1/2-Bereich, Grad-3-Ereignisse waren in der Kombination kaum vermehrt. Die Diskussion für die Zukunft wird sein, wie diese Therapie einzuordnen ist angesichts der alle zwei Wochen erforderlichen Infusionen als Zusatz zu einer etablierten oralen Therapie.

Auch die Kombination von vier Zyklen Carboplatin/Pemetrexed mit Gefitinib und anschließender Pemetrexed- und Gefitinib-Maintenance wurde in einer indischen Studie bei 350 EGFR-mutierten Patienten untersucht (Noronha V et al., Abstract 9001). In der Studie war das PFS gegenüber Gefitinib-Monotherapie auf 16 Monate verdoppelt und es konnte ein OS-Vorteil gezeigt werden. Die Studie schloss eine Real-World-Population ein (21% mit ECOG 2, 17% mit Hirnmetastasen) und erreichte bessere Ergebnisse als andere Erstlinienstudien in selektierten Populationen mit besserer Prognose. Allerdings treten mehr Nebenwirkungen auf als mit TKI-Monotherapie, und die Folgeauswertungen müssen noch abgewartet werden.

Ungefähr ein Zehntel der EGFR-Mutationen betreffen Exon-20-Insertionen, die eine Resistenz gegen Afatinib und andere TKI vermitteln. In einer offenen Phase-I/II-Studie (Janne PA et al., Abstract 9007) erreichte der TKI TAK-788 eine Krankheitskontrollrate (DCR) von 86 Prozent in dieser schwierig zu behandelnden Patientenpopulation, bei der Chemo- oder Immuntherapie meist wenig erfolgreich ist.

MET. MET-Exon-14-Deletionen (METΔex14) treten in ca. drei Prozent der Fälle auf, meist bei älteren Patienten über 70 Jahren. Beim ASCO wurden Daten zu zwei MET-Inhibitoren präsentiert. Capmatinib erreichte in der Studie GEOMETRY bei vorbehandelten und therapienaiven Patienten eine hohe DCR von 78 bzw. 96 Prozent (Wolf J et al., Abstract 9004). Beeindruckend ist auch die gute Wirksamkeit bei Hirnmetastasierung. Abgesehen von gastrointestinalen Nebenwirkungen ist die Substanz prinzipiell gut verträglich. Sehr ähnliche Daten gibt es zu Tepotinib aus der VISION-Studie (Paik PK et al., Abstract 9005). Eingeschlossen waren Patienten mit METΔex14-Alterationen sowie MET-Amplifikationen, letztere Kohorte ist noch nicht ausgewertet. Ansprech- und Krankheitskontrollraten sowie Verträglichkeit waren vergleichbar mit Capmatinib.

RET-Mutationen sind selten – nur bis zu zwei Prozent der Fälle. Die globale Studie ARROW untersuchte den RET-Inhibitor BLU-667 bei 120 selektionierten Patientenpopulation mit RET-Fusionen (Gainor JF et al., Abstract 9008). Die Wirksamkeit war mit einer DCR von 96 Prozent sehr gut und die Substanz wirkte auch im Hirn. Abgesehen von Neutropenien und Hypertonie war der TKI gut verträglich. Die mediane Behandlungs- bzw. Ansprechdauer war im Beobachtungszeitraum nicht erreicht. Die Therapie erscheint daher zukunftsträchtig.

Kleinzelliges Lungenkarzinom (SCLC)  

Lurbinectidin bindet an die kleine Furche der DNA und hemmt selektiv die trans-aktivierte RNA-Polymerase II. Die onkogene Transkription wird unterbunden. Die Substanz wurde in einer einarmigen Phase-II-Studie bei SCLC-Patienten nach Versagen von Platindoubletten untersucht (Paz-Arez LG et al., Abstract 8506). Es wurden je nach Ansprechdauer auf die vorangegangene Chemotherapie in resistente (<90 Tage) und sensitive Patienten (≥90 Tage) unterschieden. Die Ansprechdauer betrug 5,3 Monate. Insgesamt profitierten die sensitiven Patienten mehr als die resistenten (DOR 6,2 bzw. 4,7 Monate; PFS 4,6 bzw. 2,6 Monate). Das OS der Gesamtpopulation betrug 9,3 Monate. Damit gibt es Hoffnung auf eine neue Therapieoption, die in puncto Wirksamkeit und Verträglichkeit besser ist als der derzeitige Zweitlinienstandard Topotecan. Eine bestätigende Phase-III-Studie ist geplant.

Take Home Messages

  • Zwei Studien zeigen einen Vorteil für die neoadjuvante Immuntherapie – LCMC3 mit Pembrolizumab und NEOSTAR mit Nivolumab ± Ipilimumab.
  • JIPANG: Adjuvant Cisplatin/Pemetrexed und Cisplatin/ Vinorelbin erzielten gleichwertige OS-Ergebnisse.
  • KEYNOTE-001: Nach fünf Jahren überlebten mit Pembrolizumab 20 Prozent der Patienten mit Stadium-IV-NSCLC.
  • Pembrolizumab-Monotherapie wirkt am besten bei sehr hoher PD-L1-Expression (TPS 90–100%).
  • Das 19-Monats-Update der KEYNOTE-189 zeigt weiterhin einen klaren Vorteil für die Zugabe von Pembrolizumab zu Platin/Pemetrexed.
  • STK11 und/oder KEAP1-Alterationen könnten prognostische Marker für ein schlechtes Ansprechen auf die Immunchemotherapie sein.
  • Immuncheckpoint-Therapien sind auch bei vorbestehenden Autoimmunerkrankungen möglich.
  • Die Zugabe von Ramucirumab zu Erlotinib verbessert das PFS bei EGFR-mutierten NSCLC.
  • Bei EGFR-mutierten NSCLC ist Platin/Pemetrexed plus Gefitinib wirksamer als der TKI allein.
  • Bei EGFR-Exon-20-Insertionen ist der TKI TAK-788 wirksam.
  • Bei MET-Exon-14-Deletionen sind Capmatinib (GEOMETRY-Studie) und Tepotinib (VISION-Studie) gleich effektiv.
  • Bei RET-mutierten NSCLC erzielte BLU-667 bei 96 Prozent eine Krankheitskontrolle.
  • Lurbinectidin war als Zweitlinientherapie beim Kleinzeller wirksam.

OA Dr. Maximilian J. Hochmair
Pneumologie
Krankenhaus Nord, Wien